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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0357

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erſcheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerſtag fü r Htad k

und Samſtag. ~ Preiz : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.





Inseraten -JInhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Land. Vogler & G. I:. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart tc.



Fiô. 90.





Deutſchland.

* Heidelberg, 3. Aug. Wie preußische Blätter berichten, hat
der Bundesrath in Folge des einmüthigen Protestes des deutschen
Handelsstandes das von der württembergischen Regierung angeregte
Projekt der Einführung des Tab ak mon o pols fallen laſſen. Da-
zu bemerkt die Frankfurter Zeitung:

„Der erſte Angriff der volkswirthſschaftlichen Rückſchrittspartei
iſt abgeſchlagen; der Bundesrath hat den Antrag auf Einführung
des Tabaks -Mo no pols abgele h n t. Man glaube aber nicht,
daß dieſe Partei, welche beſonders in den Reihen der preußiſchen
Conſervativen und Freiconservativen viele Anhänger zählt, dadurch
entmuthigt iſt; sie werden, darauf kann man mit Sicherheit rechnen,
ihren Verſuch sehr bald wiederholen. Wahrscheinlich wird ſchon in
der nächſten Seſſion des deutſchen Reichstages ein dahin zielender
Antrag gestellt werden, und wenn auch für jeßt noch nicht die ge-
ringſte Aussicht vorhanden iſt, für einen solchen Antrag eine Majori-
tät zu erhalten, ſo meinen die Herren doch: „der Tropfen höhlt den Fels
aus“ und geben die Hoffnung nicht auf. Was besonders ihre Hoffnung
aufrecht erhält, das 1ſt der Umstand, daß die fünf Milliarden, welche
Frankreich zahlen muß, ja doch nicht ewig vorhalten, und daß, wenn
erſt der Finanzminister in Verlegenheit iſt, wo er das Geld her-
nehmen soll, man sich dann in Regierungskreisen vielleicht empfäng-
licher für ihre Pläne zeigt."

Das Monopol iſt alſo v ord er h and gefallen, die Steuer aber
bl eib t. Der Handelsſtand hat den ihm zugedachten Stoß abge-
schlagen, die Landwirthe, die mit der Steuer, die ihr Product trifft,
eine ſchwere Laſt erhalten haben, sind theilweise ſselbſt Schuld daran.
Dieselben werden sich erinnern, wie ein Theil der Presſe, insbeſon-
dere der Pfälzer Bote, als die erſte Anregnng zur Besteuerung des
Tabaks gemacht wurde, aufs Lebhafteste ſich dagegen ausſprach und
die Producenten aufforderte, sich einmüthig zuſammenzuſchaaren nnd
keinen Schritt zu verabſäumen, der die drohende Steuer abzuwenden
geeignet geweſen wäre. Sie haben es damals verſäumt, weil man
ihnen von gewiſſer Seite her einredete, die Steuer ſei nichts als
eine Erfindung von den Ultramontanen, die damit für ihre Zwecke
Geschäfte machen wollten. Die Steuer aber iſt gekommen, wie wir
ihnen voraus gesagt. Hätten sie ebenſo einmüthig und energiſch
damals gehandelt, wie der deutſche Handelsſtand es jetzt that, ſo

* Die Iraukfurter Zeitung über General v. Manteuffel.

Die Frankfurter Yeitung hatte unlängst über Manteuffel einen äußerſt
malitiöſen Urtikel gebracht, der, wie ſie behauptete, aus der Feder eines höheren
Officieres herrührte. Der Artikel hatte um ſo größeres Aufsehen erregt, je
„ſtittlich entrüſteter“ verſchiedene hochofficiöſde Blätter, wie beiſpielweiſe die
Raxrlsruher Zeitung, sich darüber gebärdeten. An den Artikel des Frankfurter
Blattes knüptiten ſich nun aber eine Rheihe von zuſtimmenden Zuſchriften aus
militäriſchen Kreiſen, aus welchen wir folgende mittheilen :

_ nWer auch den Artikel gegen Manteufel verfaßt haben mag, beginnt er
ſeinen Brief, er iſt tauſend Braven aus der Seele geſchcieben. Wer wire ich,
ohne ein Wort reden zu dürfen, zuſehen mußte, wie die größten Fehler gemacht
wurden, Fehier die von den blutigſsten Folgen waren, die aber trogdem zu
nunſterblichen Heldenthaten" aufgebauſcht wurden, wahrlich dem thut es doppelt
wohl zu ſehen, wie doch endlich die Wahrheit ans Licht kommt. Zum Verrückt wer-
den war es, wenn unſere Krieger heute nuylos geopfert wurden und morgen,
wenn ſie durch einen tühnen Stoß den Jeind der Vernichtung Preis geben konnten,
ruhig zuſchauen mußten, wie die Geſchlagenen neue Kräfte ſammelten. Frhr.
v. Manteuffel iſt General der Cavalerie; Iucus a non lucendo ruft man un-

willkürlich. ~ Niemals wohl iſt ein General dieſem Titel ſo wenig gerecht wor-

den, wie er, nmurgends wohr, außer Jena und Solferino iſt eine tüchtige Caval-
lerie ſo vöuig ihrer Beſtimmung entzogen, ſo durchaus lahm gelegt worden wie
unter Manteuffels Befehl. Abgeſehen davon, daß er einen ansehnlichen Theil
Reiterei der Armee entzog, indem er ſie zu Leibwächtern ſeines koſtbaren Lebens
verwandte, mußte die übrige Capalerie, ſich ſelbſt zur Strafe, müßig zuſehen,
wie der Feind in nächſter Nähe ſich organiſirte, fouragirte und requirirte: ſie
sand nur Gelegenhcit in der Schlacht durch einige brave Attaquen ihrer bedräng-
ten Injanterie und Artillerie hier und da Luſt zu machen.

Sie haben ſchon neulich volllommen nichtig hervorgehoben, daß es von
vornherein ein großer Fehler geweſen den Feind zwiſchen ſeinen Feſtungen an-
zugreifen, unter deren Mauern ſich derſelbe jeder Zeit nach einer Schlappe zu-
rückziehen konnte. Dieſer Fehler hätte jedocy durch eine entſprechende Verwen-
dung der Cavatlerie wieder gut werden tönnen. Pflicht wäre es geweſen, dem
geſchlagenen Feind soſort auj den Jerſen zu folgen, 1Ihn ſo aus dem Bereich
der Feſtungen hinauszutreiben und dieſen Zuſuhren, Rekruten und Freiſchaaren-
spteraut abzuſchneiden. Nichts von alledem leuchtete jedoch dem Schädel Man-
euffels ein.

_ Wie groß die Panik der geſchlagenen Faidherbe'ſchen Armee am 27. Novem-
ber 1870 vereits war, geht daraus hervor, daß ganze fsranzösiſche Regimenter
in den nächſten Wäldern hinterm Schlachtfelde Tage lang hungernd |ich ver-
stickt hielten, weil ſie nicht wagten, Angeſichts der geſürchteten deutſchen Reiter

Samstag den 5. Auguſt



1871.

hätte es ihnen gelingen mögen, mit demſelben Erfolge die Laſt ab-
zuwenden, wie die Kaufleute und Händler jezt das sie bedrohende
Monopol zurückzuweisen verſtanden haben.

* Heidelberg, 3. Aug. Die Weserzeitung jammert in ſervilſter
Weise über die Ruhezeit, welche sich Fürſt Bismarck gegenwärtig
gönnt, weil in allen Zweigen der Verwaltung ſeine mächtige Hand
vermißl werde, ohne die nun einmal nicht zweckentſprechend regiert
werden könne. Höchſt traurig sehe es auch mit den Finanzangele-
genheiten aus, indem man jetzt wohl eine große Maſſe Geldes vm

Frankreich erhalten habe, aber zum Unglück nicht wiſſe, wes man

damit anfangen solle. Mancher Leser wird sich darüber eigene Ge-
danken machen und obgleich ſelbſt kein Bismarck und kein Finanz-
minister, doch den Verſuch bei seinem Glaſe Bier wagen, in leh-
hafter Erörterung mit Peter und Hansjörg die Frage zu behandeln,
was der Menſchheit im deutschen Vaterlande mit ſolch' ungeheuren
Geldesmassen Gutes geleiſtet werden könne. Aber eine Quelle der
Verwendung ist ſchon entdeckt worben, wenn sie auch nicht einen
allzu großen Abfluß verurſachen wird. Der glückliche Entdecker, der
der Wesſerzeitung in ihren Aengsten und Verlegenheiten, was mit
dem Gelde anzufangen sei, gerade wie gerufen kommt, ist Niemand
anders als der in Bruchſal erſcheinende Krauchgeier, welchem aus
Baden-Baden geschrieben wird, daß „im September und künftig
ebenſo jedes Jahr auf der Rennbahn bei Iffezheim ein großartiges
deutſches Officiers- und später auch allgemeines Herrenwettrennen
ſtattfinden wird, sowie noch andere militärische Uebungen“, wozu
„die nöthigen Preiſe aus Reichsfonds gewährt werden.“ Ohne uns
die Logik des Bruchſaler Amtsverkündigers in Betreff der „anderen"
militärischen Uebungen, als ob Wettrenneu auch zu den militäriſchen
Uebungen gehörten, aneignen zu wollen, würden wir uns indessen
ſehr freuen, wenn den guten Badenern und den braven Landleuten
der Umgegend der Kurſtadt von Reichswegen ein ſolcher Abfluß aus
der Reichéquelle, die sonst bekanntlich ſehr spärlich fließt, zu Theil
würde, zumal man dann auch zum ersten Mal, nachdem das „Ziel“
erreicht iſt, davon hören könnte, daß die „Opfer“ von uns nicht
blos gebracht werden müßten , sondern daß sie uns in Gestalt von
„Herrenwettrennen“ mit Zinsen wieder zurückerſtattet würden.

* Heidelberg, 3. Aug. Der bevorstehenden Zuſammenkunft der
Kaiser von Deutſchland und Desterreich vermögen wir keine hervor-

hinterwärts über das freie Feld weiter zu retiriren. Als zu ihrem und un"
ſerem Erſtaunen jedoch keine Verfolgung stattfand, schwoll den Verzagten der
Kamm wieder; sie ſammelten und verſchanzten sich aufs Neue. Das Resultat
war die zweite Schlacht von Amiens am 23. December auf demſelben
Terrain.

Warum Manteufel jene zweckloſe, ja ſchädliche, in Ihrem Blatt getadelte
Excursion nach Dieppe gemacht, darüber fragten wir uns ſchon im Felde, ohne
zu einem bestimmten Rejultat zu kommen. Die Antworten, die von uns mit
Soldatenhumor darauf ertheilt wurden, in Ihrer Zeitung abzudrucken, will ich
Ihnen nicht zumuthen. Wir ließen es unentſchieden, ob Manteuffel durch ſein
Gelüſt nach fsriſchen Austern an's Meer getrieben wurde, oder ob ihn der Ruhm
lockte, siegreich bis an den Atlantischen Ocean vorgedrungen zu sein. Man
ſprach auch von zwei ſpröden Pariſerinnen, deren Spur er bis an die Geſtade
des Meeres verfolgte, und deren habhaft zu werden von Wichtigkeit sein sollte,
da sie als Trägerinnen wichtiger diplomatiſcher Geheimnisse galten, was einen
alten Diplomaten wie Manteuffel besonders locken mußte. Er ſcheint glücklich
gewesen, denn ſpäter ſah man ihn häufig mit einer dieſer Damen im Wagen.
Das weibliche Element fehlte überhaupt nicht im Hauptquartir. So war eine
gefürchtete Amerikanerin, von der tolle Geſchichten curſiren, häufig bei uns zu
Gaſt. In kleinen Orten war das unangenehm, denn oft wurde eine Reihe der
beſten Häuſer für sie mit Beſchlag belegt, ſo daß Officiere und Mannſchaften
räumen und häufig im Freien zubringen mußten. ;

Trotzdem, darüber darf man ſich keiner JUusion hingeben, fehlt es Man-
teuff el ſelbſt in der Armee nicht an einer Partei, doch ſind für ihn in erfter
Reihe diejenigen eingenommen, welche durch Protection Carriere zu machen
hoffen. Die Mittel, durch welche Manteuffel sich beliebt zu machen ſucht, ſind
von der kleinlichſten Art. Hier nur ein paar Proben: Heute vertheilt er die
ihm von Oben für die Officiere beſtimmten Eiſernen Kreuze an die Mannſchaf-
ten ; morgen weiß er, der ber ſeinem kaiſerlichen Herrn allerdings Alles durchzuſeßen
verſteht, die allerhöchste Zusicherung herbeizuführen, daß dieſes oder jenes Of-
ficiercorps nach dem Kriege keinen Einſchub erleiden solle. Während er Wochen
lang seinem Corps vollſtändig unsichtbar blieb, fiel es ihm plötzlich ein, sich
eine Zeit lang täglich zu Amiens mehrere Stunden öffentlich zu zeigen. Mit
dem Krückſtos in der Hand ging er, Friedrich den Großen imitirend, in den

Straßen ſpazieren, oſt ſtehen bleibend, um so ziemlich jeden Sokdaten herabla n.

ſend zu beſragen, „wie er mit ſeinem Vorgeſetten zufrieden ſei."

Doch genug! Machen Sie mit dieſem Briefe was IJhnen gut dünkt. Ich
mußte ihn schreiben, ich konnte dem Reiz nicht widerstehen, durch ein paar
charakteriſtiſche Striche das Bild eines Mannes zu vervolſtändigen, der für ſeine
kriegeriſchen Thaten das Eiſerne Kreuz 1. Klaſſe, den Orden pour le Mérite
und den Schwarzen Adlerorden erhalten hat, der seine Dotation heimtragen
wird und dem vieueicht demnächſt der Feldmarſchallſtab in die Hand gelegt wird.'s
 
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