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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0377

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Trägerlohn und Poſtaufſchlag. Jnſ.-Geb. 2 kr. d. B.

für Stadt





C

Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

D Ü D tionen von Rud. Mosse, Haasenstein®
un an e Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.



Fi2. 95.



Deutſclan d.

* Heidelberg, 14. Aug. Die Beziehungen zwischen den Höfen
von Berlin und München ſind nicht mehr so innig, als sie es noch
vor einiger Zeit geweſen waren. In den Blättern des preußiſchen
Preßbureaus war nämlich dem König von Bayern nicht undeutlich
zu verſtehen gegeben, man erwarte von ihm, daß er eine Militär-
convention nach Art der ſächsiſchen abſchließe („warum nicht gleich

lieber nach Art der badiſchen ?“ frägt ein bayeriſches Blatt). Das
hat in den ,allerhöchſten“ bayeriſchen Regionen ſtark verstimmt und
in einem officiöſen Artikel der Augsb. Allg. Ztg. wurde darauf im
gereizien Tone erwidert: „Seine Majestät der König von Bayern
iſt der verfaſſungsmäßig verbündete Fürſt und nicht der
„„V a ſ a !l““’ des deutſchen Kaiſers“, wobei es nicht unsere Sache
iſt zu unterſuchen, wie weit dieses ſtolze Wort in den thatsſächlichen
Verhäliniſſen begründet iſt, da der König von Bayern der „Mit-
kaiſer“ sein müßte, wenn er kein ,„Vaſall“, sondern blos ,verbün-
deter Fürſt“ des Oberhauptes der deutſchen Nation sein wollte. Sei
dem aber wie ihm wolle, – König Ludwig fühlte sich ſo verletzt,
daß er die Absicht hatte, den deutſchen Kaiſer auf deſſen Reiſe durch
Bayern gar nicht zu begrüßen. Erſt im letzten Augenblicke ent-
ſchloß sich der König gleichwohl zu dieſem ihm schweren Schritte,
er machte sogar in preußiſcher Huſarenuniform seine Aufwartung.
Die Norddeutſche Allgemeine Zeitung beeilt sich nun aber, als Strafe
für den Verſuch ſeiner Renitenz dem Bayernkönig eine für ihn
empfindliche Lection zu ertheilen, indem ſie ihn höchlichſt belobt, daß
er gekommen sei, um dem Kaiser als dem Oberhaupte Deutſchlands
seine Aufwartung zu machen. Unier all’ den belobigenden Phraſen
iſt aber der eigentliche Kernpunkt die Abfertigung der officiellen
Auslaſsung in der Augsb. Allgem. Zeitung, wornach der König von
Bayern gegen die Zumuthung protestirt, als ob er ein Vasall des
Kaiſers ſein solle. Der Artikel des Bismarck'ſchen Blattes, desſſcn
î Y9nhalt wir in der lezten Nummer in telegraphiſcher Faſſung mitge-

theilt haben, iſt demnach nicht geeignet, die Spannung zwischen
München und Berlin zu beseitigen. Diese Dinge sind auch Ver-
anlaſſung geworden, daß König Ludwig sich den zudringlichen Um-
armungen der Nationalliberalen gegenüber spröder zeigt als es längere
geit der Fall war. Er begreift wohl oder könnte es doch begreifen,
ſür wen er gearbeitet hat, wenn er seitdem die vom berliner Preß-
büreau flott erhaltene Döllingerei unterſtütte, – er dürfte wissen,
daß Bayern durch dieſe Zwiſte auf confeſſionellem Gebiete auch politiſch
völlig ruinirt wird und daß die preußiſchen Staatsmänner wenig-
ſtens einen ersichtlichen Grund nicht haben könnten, sich über die

Edle Rache.

(Aſte und Neue Welt.)

(Fortſegung.)

; „Was ärztliche Kunſt vermag,“ flüſterte ihr der Arzt, Geheimrath Decker,
ins Ohr, der den Puls des Kranken unterſuchte, ,„iſt geſchehen; wir müssen
den weiteren Verlauf der starken Natur Ihres Mannes und dem Himmel über-
laſſen. Ich hoſfe das Beſte und fürchte nicht einmal den Ausbruch des Wund-
hegt: she iſi die unerläßlichſte Bedingung ; jede Aufregung muß vermie-
en werden."

. Die Frau warf dem Arzte einen dankbaren Blick zu, aber keine Klage kam
über ihre Lippen. Sie hatte nicht nach dem Thäter gefragt und ob man den-
ſelben ermittelt habe ; ihr ganzes Denken war auf einen Punkt gerichtet, und
dieſer betraf die mögliche Rettung ihres Mannes.

Das Verbrechen hatte in der ganzen Stadt ungewöhnliches Aussehen erregt ;
man ſprach von Nichts als von dem frechen Mordverſuche auf den Mann, wel-
cher allgemein geachtet war. Die Polizei war raſtlos thätig, alein ohne den
geringsten Erfolg, ſo daß man sich schließlich aUgemein zu der Annahme neigte,
der Oberbetriebsinſpektor Sturm ſei das Opfer einer Täuſchung geworden, und
der Dolchſstich habe einem Andern gegolten. Fragt man sich doch bei jeder Hand-
lung nach den Motiven des Thäters. Raub lag nicht vor, und für einen an-
dern Beweggrund hatte man geradezu keinen Anhaltspunkt. Selbst die tauſend-
züng ige Fama, welche ebenſo erfinderisch als leicht bereit iſt, Urſachen zu enl-
decken und dieſelben mit allen möglichen Scheinbeweisen auszuſchmücken und
als haltbar hinzuſtellen, verſtummte vor der nackten Unmöglichkeit, in dieſem
Falle ein Motiv zu entdecken, das mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Recht
der Wahrheit hätte Anspruch machen können. Das Geheimnißvolle der ganzen
Geschichte reizte; ein Jeder erſchöpfte seine Einbildungskraft mit den gewag-
teſten Äterrricthungene um sich ſchließlich ſagen zu müssen, daß er das Dunkel

1 könne.

ſeßte man auf die von Allen gewünſchte und gehoffte Geneſung des Kranken;

vielleicht war er ſelbſt im Stande, den Thäter anzugeben. Den jungen Schaff- |

Donnerstag den 17. August



Die einzige Hoffnung auf eine mögliche Aufklärung



in seine Rechte.

1871.



Auflösung des Bayernthums ihrerseits allzu stark zu grämen. König
Ludwig hat denn auch nicht, wie man von Berlin her ihm als
Wunsch zu erkennen gab, den Fürsten Hohenlohe an die Spitze
Bayerns geſtellt, ſondern wird, wie es ſcheint, zu einem Ministerium
Hegnenberg greifen, alſo einen Mann ans Ruder bringen, der sich
von Berlin aus nicht. viel bieten läßt und als ein sehr verständiger
Politiker in den inneren Fragen gilt, in Betreff deren er von allen
nationalkirchlichen Träumereien frei sein soll. Jedenfalls steht
ſo viel fest, daß der „altkatholiſche“ Schwindel die Rechnung ohne
den Wirth macht, wenn er meint, daß ihm auf Grund des Sdulth
Programms eine namhafte Hülfeleiſtung Seitens der bayeriſchen
Regierung zu Theil werden würde. Ohne das Mitthun des katho-
liſchen Bayern aber wird auch in Berlin nicht viel unternommen
werden und daher ſchon die eiſige Kälte, die die noch vor kurzem
Feuer und Flammen ſpeienden amtlichen und halbamtlichen Berliner
Blätter der Döllinger-Bewegung jetzt entgegen bringen.

[SI Vom Neckar, 14. Aug. Kein HLeitartikel unserer Presſe
könnte ſchärfer die Hetzereien der Nationalliberalen , mit denen sie
die Regierungen zum Kampf gegen die katholiſche Kirche anfeuern
wollen, kennzeichnen als dies ein Ausruf der heutigen Badiſchen
Landeszeitung thut: „Man möchte aus der Haut fahren
über die Langmuth unserer Regierungen!“ Untſrerseits
ſteht übrigens dem Wunijche der Landeszeitung nichts im Wege.

© Vom Eitchelberg, 10. Aug. Es ist gewiß eine ſehr betrü-
bende Erſcheinung, daß die ſchlechte Preſſe um so außerordentlich
viel wirkſamer ist, als die gute. Der Grund davon liegt, abgesehen
von andern naheliegenden Ursachen, zum großen Theil auch an einem
ſehr verbreiteten Mangel an Urtheilsfähigkei. Es hat sich eine
große Menge Menſchen eben daran gewöhnt, nicht mit ihrem eige-
nen Kopf, sondern mit dem Gehirn Anderer zu denken, und während
alles den Mund voll nimnt von Unabhängigkeit und Selbstständig-
keit, ſo läßt sich doch der große Haufe von einer gewissen Sorte von
Zeitungsschreibern an der Nase herumführen, bisweilen paſsſirt es aber
auch der „unfehlbaren“ Landesbaſe, z. B. in Dekan Lender’ſchen
Angelegenheiten u. a. m. sich ſelbſt zur allgemeinen Beluſtigung an
der Nase herumzuführen. ~ Viele behalten auch zum eigenen Nach-
denken nicht viel Zeit übrig, sondern überlassen dieſes eben einem
Redakteur, für den sie einmal eine Vorliebe gewonnen haben, und
nehmen von dieſem ohne den geringsten Zweifel oder Widerwillen
Alles an, was er ihnen bietet; gleich als müßten sie Alles deßhalb
glauben, weil sie für die Zeitung, woraus sie ganz ihre Anſichten
ſchöpfen, bezahlt haben. Es wunderte mich deshalb nicht, wenn mir
ein gewiſſer Herr Beamter, auf meine Bemerkung, daß seine Ansicht

ner hatte das Gericht zwar wegen Mangel an Beweisen wieder auf freien Fuß
geſeßt, allein die Ciſenbahndirektion hatte ihn gleichzeitig seines Dienſtes ent-
hoben, „weil er es an der nöthigen Aufmerksamkeit hatte fehlen lassen.“

Sturm war nach Verlauf von zwei Monaten so weit wieder hergeſtellt,
daß er das Krankenhaus verlassen und die Rückreiſe nach Hauſe antreten konnte.
In der Erwartung, von ihm einen sicheren Aufschluß über den Thäter zu er-
halten, hatte man sich aber getäuſcht. Alles was er aussagen konnte oder
wollte , besland darin, daß ein Fremder, nicht ein Beamter, in dem Tunnel
die Thür des Coupe geöffnet, sich auf ihn geworfen und ein breites Messer
nach ihm gezückt habe. Der Mörder habe eine ſchwarze Larve getragen, welche
einen Theil des Gesichtes verdeckte, und da der helle Schein der Decklampe
des Wagens durch die vorgezogene blaue Gardine gedämpſt gewesen, habe er
weiter nichts wahrnehmen können, als daß der Mann ohne Kopfbedeckung ge-
wesen ſei, und der starke Zugwind ihm die Haare wirr um den Kopf gejagt.
Geſprochen habe der Mörder nicht.

Es war indeß der Gattin Sturms nicht entgangen, daß ihr Mann nicht
Alles ausgesagt habe. Denn jedesmal, wann sie ihn nach dem möglichen Thäter
befragte, ſchien er in Verlegenheit zu gerathen und ausweichende Antworten
zu geben ; einmal hatte er ſogar die Bemerkung gemacht, daß rer durch einen
Verdacht, der auf keinen poſitiven Beweiſen begründet ſei, die Ehre eines Man-
nes nicht beflecken dürfe. :

„Aber, Bester“ , verſette seine Frau, „ez unterliegt keinem Zweifel, daß
Du einen geheimen und deßhalb um ſo gefährlicheren Feind haſt ; Dein Leben
ſchwebt fortwährend in Gefahr ; wäre es also nicht gerathen, Vorsichtsmaßregeln
zu treffen und Unterſuchungen anzuſtellen, welche die Haltbarkeit Deines Ver-
dachts bestätigen oder entkräften ?“

u Ich werde auf meiner Hut ſein, liebe Frau; bedenke, wie verhängnißvoll
es ſein würde, einen Unschuldigen zu verdächtigen.“

„Dies eine Mal hat der Himmel Dich beſchüttt; der Feind ist jedoch ver-

wegen und tollkühn. Denke an Dich ~ denke an mich und Dein Kind. Klage

Niemand auf einen bloßen Verdacht hin an, aber spüre nach, inwiefern Deine
Vermuthung gerechtfertigt ist.“ tf

î Der Obberbetriebsinspector antwortete nicht und stügte die bleiche Stirn
(Fortſegung folgt).
 
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