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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0015

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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

„F. 4.

für Stadt





Bestellungen auf den Pfälzer Boten auf das mit dem
1. Jan. 1871 begonnene neue Quartal werden von allen Poſt-
auſtalten uud Landpoſtboten fortwährend angenommen.

Deutſſchland.

] Dossenheim, 7. Jan. Unter den katholiſchen Vereinen des
Unterlandes har der Dosſenheimer Verein stets eine bervorragende
Stellung eingenommen, weßhalb auch bei den lettten Gemeindewahlen
von Seiten der Gegner desselben ungeheure Anstrengungen gemacht
worden waren, um nach der Besiegung der Katholiken dieſem festen
Bollwerke der kath. Volkspartei an der Bergstraße einen tödtlichen
Schlag beizubringen. Allein obgleich von allen Seiten mit großem
Lärm dabei zu Werk gegangen wurde und obgleich insbeſondere die
verſchiedenſten Blätter feindseliger Richtung die ſchmählichſten und
verlogenſten Schimpfereien zum Beſten gegeben hatten, hielten die
Katholiken Dosſenheims vollständig fest, ja, man kann sagen, gerade
weil man über sie in der gemeinſten Weiſe hergesallen war, traten
sie um ſo feſter und entſchloſſener auf und halten nun wie ein
Mann zuſammen, anderen Gemeinden als vorleuchtendes Exempel.
Die weitere Folge davon war, daß der Männerverein und der Ge-
ſangverein an Zahl namhaft zugenommen haben und ſchon faſt alle
Katholiken des Dorfes umfaſſen. Gestern nun am Feste der heil.
drei Könige war eine große Vereinsverſammlung in dem oberen
Saale des Badiſchen Hofes, dem geräumigsten Locale an der Berg-
ſtraße. Außer den Vereinsmitgliedern hatten sich die Katholiken von
Handjchuchsheim zahlreich eingefunden und vom Heidelberger Casino
waren niehrere Herren erſchienen, ſo daß der Saal reichlich gefüllt
war. Nachdem der Gesangverein mit bewährter Präciſion mehrere
Lieder geſungen hatte, begannen eine Reihe zündender Vorträge, die
mit lebhafteſtem Beifalle entgegengenommen wurden. Zuerst ſprach
in größerem Vortrage Herr Dr. Biss ing jun. von Heidelberg
über die Kirche im Mittelalter und in der Neuzeit und dann auf
das politiſche Gebiet übergehend, von der Stellung, welche die kath.
Volkspartei in den neuen deuiſchen Verhältniſſen einzunehmen habe,
ein Vortrag, welcher für den Redner die ſtürmiſchſten Ovationen der
Verſammlung hervorrief. Darauf sprach, nach einem Rückblick auf das
ereignißvole Jahr 1870, Herr Buchdrucker Schweiß über die
Vereine und die Presse, wobei er rühmend hervorhob , daß Doſsſen-
heim, anderen Gemeinden auch hierin zum Muſter, ſein verjüngtes
katholiſches Leben am besten schon dadurch bethätigt habe,, daß hier ſeit
Neujahr die Zahl der Abonnenten des Pfälzer Boten von einigen
wenigen sich bis auf 30 gehoben habe, ein anerkennenswerthes Beiſpiel
in einer nur zur Hälfte kath. Gemeinde. Die weiteren, das Vereinsleben







Dienstag den 10. Januar



Inseraten -JInhalt der Annoncen-Expedi-

û q tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
und Land. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ?c.

1871.





.



beſprechenden Worte des Redners fanden den ungetheilten Beifall der
Anwesenden. Hr. Pfrv. Reichert von Handſchuchsheim erörterte in
seiner beliebten und populären kernigen Weiſe den Janusſchwindel
im badiſchen Lande und ſein mit köſtlichem Humor durchwürzter
Vortrag erregte häufig die allgemeinſte Heiterkeit. .
weſer Fr a nk von Dossenheim, welchem der Verein außerordentlich
viel verdanki, ſprach seine Freude über die Verſammlung aus und
dankte den Gästen für ihr Erscheinen, auf welche er ein kräftig
aufgenonunenes Hoch ausbrachte. Herr Pr. Fiſcher von Heidelberg
entwarf ein rührendes Bild von der segensreichen Thätigkeit des
nun in Gott ruhenden Herrn Decan Winterer, des Gründers dieſes
blühenden Vereines, und dankte darauf den Männern, die nunmehr
an der Spitze desſelben stehen, dem wackeren Vorſtande und dem
thätigen Geiſtlichen, für ihr unermüdliches Wirken für die Jntereſ-
sen des Vereines. Eine Reihe von Toaſten folgte, unter denen wir
einen hervorheben, damit sein Inhalt als Antwort an die Adresse
der Landesbaſe komme. Herr Dr. Biſ ſing zog nämlich eine Num-
mer der Landeszeitung aus der Taſche, die sofort mit aigemeinem
Hohngelächter begrüßt wurde ~ es war die Nummer vont 3.
Januar ~, um einen Artikel vom Neckar vorzuleſen, worin der
würdige greiſe Bürgermeiſter Ruland, insbeſondere aber die Wähler
desſelben auf wahrhaft cyniſche Weiſe behandelt wurden. Als ein-
zige Antwort auf die „Sauerei“ dieſes Blatltes ertönte ein allggen
meines „Pfui“ aus dem Saale, während die Aufsorderuung des
Redners zu einem Hoche auf den mit den Gemeinderäthen anwesen-
den Herrn Bürgermeiſter R u l and aus mehreren hundert Kehlen
kräftig erwiederl wurde, worauf Herr Bürgermeiſter Ruland er-
klärte, daß Jedermann in der Gemeinde ihn qoweit kenne, daß er
von nirgends her sich seine „Parole“ hole, wie die Landesbaſe die- .
ses vom Heidelberger Casino behauptei haite, ſondern daß er ſetlber
wiſſe, was er zu thun habe. Möge die Baſe nur so fortfahren, sſie
wird uns Allen einen großen Gefallen damit thun, ~ |0 äußerten
ſich alle Anwesenden über die Erbärmlichkeiten, die in dem Blatte
ausgeheckt werden. Noch müssen wir erwähnen, daß der Vorſtand des
Geſsangvereines, Herr Schmiedmeiſter Ruland, mehrmals das Wort
ergriff theils über Angelegenheiten des Gefſangvereines, theils zu
Ehren der von auswärts erſchienenen Gäſte; es waren schlichte, vom
Herzen kommende Worte, die sich den lebhafteſten Beifall errangen.
Eine Reihe von Liedern, theils ernſte Vaterlandslieder, die von dem pa-
triotiſchen Sinne des Vereines sprechendes zeugniß ablegen, theils
humoriſtiſcher Art belebten angenehm die fröhliche Geſellſchaft, bis
der schon vorgerückte Ybend die Gäſte entführte. Möchte dieſer ſchöne
Tag in Dossenheim auch anderwärts bald weitere Nachahmung finden!



Wer hat das gethan ?
(Eine Heſchichte aus dem Leben.)
(Fortsetzung.)

„Also dein Papa hat mein Kommen nicht gewünscht ?“

„Gar nicht, er wollte es durchaus nicht; alle Tage gab es Zank. Einmal
hätte er Leonhard faſt geſchlagen als der sagte, ich könne bei Lisette nichts
Gutes lernen. Wenn mein Onkel Georg, du weißt, mein Onkel in Düsseldorf,
der Regierungsrath nicht gekommen wäre, so hätte Pappa es gewiß niemals
zugegeben. D, Liſette war ſo verdrießlich, ich habe es wohl gemerkt. Liſette
iſt recht unausstehlich! Magst du Lisette leiden ?"

Hz „It habe sie ja nur einen Augenblick gesehen", war die ausweichende
ntwort.

p hd CIM s MLS" HU cu stata. surugar:

ärgert sie , wo ſie nur kann. D, wie hat sich die geändert! Früher war ſie

ganz anders, aber jett verbittert sie .uns recht das Leben. Ach, wie freue ich

mich, daß du gekommen biſt! Du gehſt doch nicht wieder, nicht wahr ? Du

_ lleibſt jezt immer bei uns ! Ich habe dich ſchon so lieb, als wenn ich dich
hundert Jahre kennte.“

Die lettten Worte wurden ſchon halb im Schlafe geſprochen. Sie mun-
terte sich, als Hermine sie küßte, noch einmal zu einem halblauten: „Gute
Nacht!“ und drückte dann das müde Köpfchen tief in die Kiſſen.

_ Das junge Mädchen saß noch eine Weile nachdenkend am Bettchen ihrer
kleinen Schülerin, deren kindliches Geplauder ihr über die Verhältnisse hier
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begriff jezt Frau Heiders Aufregung über den Empfang, den Heinrich und
Liſette der Gouvernante bereitet hatten, und die Beſorgniß der armen
hu daß ihr der Aufenthalt hier ſchon in der erſten Stunde verleidet wor-

Vie leidend und kummervoll sie aussieht ! dachte das junge Mädchen. Die
Augen glänzen ſo, und sie athmet so schwer, gerade wie meine ſelige Mama
in der legten Beit. Wenn nur die arme kleine Anna nicht bald ihre Mutter
verliert! Ach wie viel Unglück gibt es doch in der Welt ! Der junge Herr



Heider scheint auch besorgt um seine Mutter ; er hatte ein paar Mal Thränen
in seinen Augen, wenn er sie anſah. Was für herrliche Menſchen ſind dieſe
Heiders! Wie liebenswürdig haben sie mich aufgenommen ! Gs iſt mir, als
wäre ich in mein elterliches Haus zurückgekehrt. Herr Heider iſt wie ein Bru-
der gegen mich. Wie hätte ich das erwarten können, ſchon den ersten Abend
so vergnügt zuzubringen! Ich will mein Möglichſtes thun, die arme Frau zu
erheitern und zu pflegen. Liſette und Herr Heider werden sich ja wohl mit
mir ausföhnen, wenn sie sehen, daß ich keine steifleinene Perſon bin. Ich habe
mich ja mit der Frau meines Vormundes vertragen, und die gilt doch für
ſehr strenge und unfreundlich. Man muß nur guten Muth und guten Willen
haben, dann geht Alles gut. y 1 '
Sie hielt Wort; sie erheiterte nicht allein Frau Heider , sie war auch wie
ein goldener Sonnenstrahl sür das ganze düſtere Haus. Es war unmöglich,
ihrer anspruchsloſen Freundlichkeit und ihrer frohen Laune zu widerstehen.
Man ſah ſie ſelten langſam gehen; halb laufend, halb hüpfend durcheilte die
leichte zierliche Gestalt die langen Gänge, entweder ein Liedchen trillernd oder
mit der kleinen Anna plaudernd und lachend. Und ihr Lachen war in der
That so ansteckend, ſo luſtig, ſo herzlich klang der ſilberhele Ton. — .
Die Tage vergingen für die kleine Geſellſchaft in Menzingen auf die
angenehmſte Weiſe. Am Morgen begrüßten ſich Leonhard und Hermine am
Frühstückstisch ; dann ging Jedes an ſeine Arbeit, Leonhard in's Feld, sie in
ihr Zimmer, um die kleine Anna zu unterrichten. Der Mittag und die ersten
Rachmittagsstunden vereinten ſie wieder zu gemeinſchaftlichem Mahle und Spa-
ziergange, dann wurde wieder gearbeitet, bis die Sonne unterging, und nun
kam die ſchönſte Zeit des Tages, der Abend, den ſie im Zimmer der Mutter
zubrachten und abwechſelnd mit Plaudern, Leſen und Muſsieiren ausfülten.
Die Behaglichkeit der kleinen Geſellſchaft wurde ſelten geſtört, denn Liſette
hielt ſich, ſo lange der Hausherr fort war, ſo fern wie möglich von den üb-
rigen Mitgliedern der Familie. Des Abends zog sie gewöhnlich vor, wie am
Abend von Herminens Ankunft, ihren Thee unten zu trinken, und ſelbſt des
Mittags erschien sie nur auf kurze Zeit und verzehrte meiſtens schweigend ihre
Mahlzeit. Frau Heider pflegte immer einige Worte mit ihr zu ſprechen; aber
Leonhard sah ſie nie an, noch richtete er das Wort an sie. Sein ganzes Be-
nehmen zeigte von Verachtung, faſt von Widerwillen gegen die Haushälterin,
deren kurzer, wegwerfender Ton und unfreundliches Weſen gegen Hrrmine nicht

(Fortſ. ſ.)

geeignet war, den jungen Mann günstiger zu stimmen.
 
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