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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0509

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Crſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienftag, Dounerftag
und Samftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poftaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. B.





DS a g e s b e r i < t.

Die öſterreichiſchen Ausgleichsminiſter Hohenwart, Schaeffle,
Habietineck und Jireczek sind nun durch kaiſerl. Handſchreiben entho-
hen und ein Interims-Miniſterium iſt eingesetzt.

_ Zunächſt ſcheint es nicht, daß die Partei der Deutſchlibera-
len, deren Verfaſſungskultus haupiſächlich die Herrſchaft des gemeinen
Liberalismus mit seinen kirchenfeindlichen Tendenzen zu Grunde liegt,
berufen werden würde, wie ſie gehofft, die Erbſchaft des Ministeriums
Hohenwart anzutreten. .it

Die „Neue Freie Preſſe“ meldet, daß Baron v. Kellersperg
mit der Neubildung des Cabinets beauftragt worden jei..

_ ~ Der hochw. Biſchof von Regensburg hat ebenfalls eine
öffentliche Erklärung abgegeben wider die plöglich in Scene geſette
Verfolgung der Geſellſchaft Jeſu in Deutſchland, –~ als ein Werk
der Ungerechtigkeit, der Feigheit und der Lüge.

Die ,Kreuzztg." beſtätigt, daß das kaiſerliche Antwort-
ſchreiben an die Biſchöfe zunächſt an den Erzbiſchof von Köln ge-
richtet ſei. Eine authentiſche Veröffentlichung Seitens der Regierung
wäre wohl mit Rückſicht darauf nicht erfolgt, daß auch die Adreſſe
der Biſchöfe nicht veröffentlicht isse.

— Dem Krak. „Czas“ schreibt man aus Volhynien, daß dort
die Nachricht von Verhandlungen der ruſsiſchen Regierung mit dem
heil. Stuhl allgemein verbreitet ſei. Ein Correſp. der „Germania“
aus Poſen verſichert mit aller Bestimmtheit, daß in der That Ver-
handlungen mit Rom im Gange seien. Die Umgebung des Papſles
spreche bereits ziemlich offen davon. Es handle sich demnächſt um
die Rückkehr der verbannten polniſchen Biſchöfe und die vollſtändige
Besetzung der erledigten Bisthümer im Königreich Polen.

– Der Kaiſer vou Rußland befindet sich zu Livadia in der
Krim und empfängt da Beſuche aſiatiſcher Fürſten und anderer. Schr
bemerkt wird der oſstentative Aufbruch des Serbenfürſten Milan da-
hin, und man sagt, auch der Fürſt von Montenegro ſowie Jürſt
., von Rumänien würden zu einem „Congreß“ bei dem Czaren
erſcheinen.

~ In dem vielbeſprochenen Preßprozeſſe, welcher von der Staats-
anwaltschast gegen die Frankfurter Zeitung aus Anlaß des Manteuf-
fel-Artikels eingeleitet wurde, endlich auf Majestätsbeleidigung gerich-
iet, iſt ein freiſprech endes Urtheil ergangen.

— Die HH. Bebel und Liebknecht, ſozialdemokratiſche
Führer, ſollen an den Fürſten Bismarck die Forderung gerichtet ha-
ben, daß er oder die ſächſiſche Regierung einen Theil der Kriegsent-
schädigung zur Errichtung einer Laſſalle'ſchen Produktivgenojſenſchaſt
verwenden möge.

Baris am NAlerſeekentage.

„Der heutige Tag gehört den Todten! sagte ich und schwang mich auf die
Imperiale eines Omnibus, auf der Fahrt nach dem Père Lachaise, dem Paris
der Todten] Und mein Omnibus war in geiſtigem Sinne eine Art von Todten-
wagen! Jetzt lebend, geſund und friſch, voll Lebensmuth und Luſt, und ein
anderes Mal kalt, slarr, toht! Den Pferden gilt es gleich, ob ſie einen Le-
benden oder einen Toden ziehn! Nun, ihr luſtigen Pariſer , denkt ihr denn
gar nicht daran? Du hochnasiger Rentier, der du dich vor dem Fenſter breit
machſtz; du elegante Dame, natürlich Marquiſe oder Tänzerin, die du deine
langen Locken friſiren läsſeſt) du armer Teufel von Muſikus, der du den
„Carneval von Venedig“ zum Entsetzen aller Nachbarn geigst ; du roſiges Kind
da droben, die du dein ärmliches Stübchen fegeſt und ſcheuerſt und dabei mit
dem Kanarienvogel um die Wette singst; du frecher Gamin, der du den Vorüber-
gehenden auf die Köpfe ſpuctſt ~ ihr alle, alle müßt den Weg wandern hin-
aus auf den Pêre Lachaise! Da gibt es keine Enthebungskarte; da kann
man keinen Dienſtmann, keinen Stellvertreter ſchicken ; dahin gibt es keine Ent-
schuldigung ~ der Tod verſteht dergleichen nicht] Aha! wir haben das Plateau
von Menilmontant erreicht. Einige Schritte noch und wir stehen am Eingang
der Stadt des Todes. ;

Man ſagt, der Tod macht alles gleich; dies iſt jedoch nur im gewissen
Sinne wahr. Nirgends haben die Reichen prächtigere Monumente , nirgends
ti fltmen armſeligere Begräbnißſtätten , als hier auf dem Friedhofe Père

achaise !

Hier ruhen die vom Schicksal Bevorzugten in ſchön verzierten Kapellen, in
welchen mit Blumen bekränzte Altäre sich erheben und das durch farbige Glä-
er fallende Sonnenlicht erfüllt den Raum mit magiſchem Heudunkel! Hier
ſchreitet man durch Straßen von Monumenten, an großartigen Plätzen mit
Thürmen, Bildſäulen, Pyramiden und Obelisken vobei, durch ſchattige Kaſtanien-
Alleen über blumenreiche Anlagen! Hier begegnet man reich geputzten Trauer
leuten und pompöſen Leichenzügen! Hier lieſt man in prunkvollen Inſchriſten
die Namen und Verdienste großer und bedeutender Männer und Frauen, und
wer ſeit faſt einem Jahrhundert ſich hervorgethan im Kriege, in der Politik
in Kurſt und Literatur, hier ſind alle beiſammen. Ich will nicht die Namen

Donnerstag den 2. November







Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

: © Z) tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und sand. Vogler & G. IL. Danube & Cloe. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.

"18; k.








* Heidelberg. Aus dem Wahlbezirke Waltdürn-Wertheim er-
hielten wir Dienſtag Abend die höchſt erfreuliche Nachricht, daß an
Stelle des Hrn. Bürgermeiſters Kieſer von Walldürn, der abgelehnt
hatte, Herr Pfarrer H o fm a nn von Hemsbach mit 106 gegen 44
Stimmen zum Landtagsabgeordneten gewählt wurde.

— Im 29 Aemterwahlbezirk Achern ~ Bühl, in welchem
Dekan Lender abgelehnt hat, wird die abermalige Abgeordnetenwahl
an 9.' d. M. ſtattfinden.

Im Bezirk Villingen wurde Altbürgermeiſter Wittum zum
Abgeordneten gewählt. gs

_ Die Üniversſität Freiburg wählte zu ihrem Vertreter in die
erste Kammer den Hrn. Profeſſor Dr. Degenkolb, welcher die
Wahl annahm.

,t. h ra < wurde Gemeinderath G r et h el von da als



ÖL ws Ü mE Er-;

Abgeordneter für die zweite Kammer gewäthit.

— Die Bad. Landesztg. theilt mit, daß Oberstaatsanwalt
Ki ef er die Wahl für Lahr angenommen habe ; daß er aus Rück-
ſichten auf seine Geſundheit nicht in der Lage, dieſen Abgeordneten-
ſitz in der 2. Kammer einzunegmen, ſei durchaus unrichtig.

* Heidelberg, 1. Nov. „Was geb' ich für das Profesſorenge-
ſchwät“ sagte kürzlich ein Arbeitsmann, ,,der Bluntſchli soll einmal
machen, daß Brod und Fleiſch wohlfeiler werden, hernach will ich
Respekt vor ſeiner liberalen Gelehrſamkeit haben“. – Der Mann hat
Recht, und Viele denken so wie er ; aber dem Liberalismus darf man
mit solchen Zumuthungen nicht kommen; es bringt ihn in die ſchwerſte
Verlegenheit; denn der gemeine Liberalismus weiß nur das Volk
in Noth und Elend zu stürzen, nicht aber demſelben zu helfen, wie
er dem Volke stets vorgeſchwindelt hat. Es iſt eine Thatſache und
eine ſehr lehrreiche Erſcheinung, daß überall, wo die fortſchrittlichen
Zeitideen des gemeinen Liberalismus zur Herrschaft gelangen, mate-
rielle und sittliche Verschlechterung auf dem Juße folgen. Daß bei
uns sich die Verhältniſse ſeit den lezten zehn Jahren ſehr merklich
in dieſer Richtung geändert haben, wird Niemand beſtreiten können.
Wie aber erſt sieht es in dem einheitlichen Jtalien aus, das ebenſo
lange Zeit bereits mit einer neuen Aera unter der Herrſchaſt des
Freimaurerliberalismus beglückt iſt! ~ Nachdem das revolutionäre
Piemont ſeit 1859 alle übrigen Regierungen Italiens verschlungen,
hat es das Volkselend auf die höchſte Stufe gebracht, so daß die
Bevölkerung durch den Steuerdruck an vielen Orten ſchon zur Em-
pörung getrieben wurde. Das arme Volk, welches vor 1859 die
leichten ösfentlichen Laſten kaum spürte, namentlich im Kirchenſtaate,
muß heute 42 verschiedene Steuern an die revolutionäre Jiegierung
des einheitlichen Jtaliens bezahlen. Die Staatsschulden von der

derer aufzählen, deren mehr oder minder prachtvolle Grabmonument. der Rie-
sen: Friedhof birgt. Das wäre vergebliche Mühe! Genug, es iſt eine reſpek-
table Geſellſchaſt von berühmten, berüchtigten, großen, ausgezeichneten ~ Tod-
ten. Man wünſcht ſich fast, unter ihnen begraben zu ſein! Hm ! Mancher
arme Teufel bildet sich etwas darauf ein, in Geſellſchaſt reicher und vorneh-
mer Leute ſich bewegen zu dürsen ! Warum nicht auch begraben ſsein mit ihnen?
Für Geld zu haben. Zwei Quadratmeters Erde a perpetnuite koſten 500 Fres.
Welche Eitelkeit! Es iſt ärgerlich, daß ſelbſt hier noch die Geldmenſchen trium-
phiren. Verlassen wir nun die Begräbnißſtätte der reichen, vornehmen und be-
rühmten Leute, und wandern wir aufwärts zum Friedhof der Armen ! Mein
Gott! Tauſende und tauſende von kleinen Kreuzen, behängt mit vergilbten
Kränzen, umwuchert von einer Fülle von Unkraut! Niemand pflegt dieſe
Grabwüſte, denn die Armen haben kein Geld, um dafür zu bezahlen! Hie
und da kniet eine in verſchoſſenes Schwarz gekleidete Frau, hie und da stehen
zerlumpte Kinder, lachend und plaudernd, trotz ihres Clends, inmitten der Grä-
her. Und dort eine Menge kleine Hölzchen, nebeneinandergesteckt, um eine offene
Grube! Leute stehen herum; es iſt ein gemeinſchaftliches Grab, welches erſt
tft! wird, wenn fünfzig arme Erdenpilger eingegangen sind in den Hafen
der Ruhe.

Während der fseſtgeſeßten Beerdigungszeit von 2 bis 4 Uhr erſcheint alle
5 Minuten ein Leichenzug und man hat vollauf Gelegenheit, die Macht und
Gewalt des Todes zu betrachten. Was gilt hier ein armes Menſchenleben,
wo täglich gegen hundert Todte eingeſcharrt werden! Man müßte verzagen,
wüßte man nicht, daß der liebe Gott keines seiner Kinder, auch das ärmſte
nicht, vergißt. (Bresl. Hbl.)



Obwohl von den Commandos die Recherchen nach den im letzten Krinig
vermi ßten b ayeriſch en S oldaten eifrigſt gepflogen werden, wurde
doch bis jett ein Reſultat nicht erzielt. Auch fünfze hn bay eriſch e Fuhr-
l eute, welche der Armee. Zufuhren brachten, werden sammt ihren Pferden
u. Wagen vermißt, ohne daß bis jeßt wieder eine Spur von ihnen aufzufinden
gewesen wäre. Ein bayeriſcher Poſtconducteur iſt mit einem nach Frantfurt
bestimmten, mit 4500 fl. declarirten Kiſtchen verſchwunden. Das Kiſtchen
enthielt einen Werth von 11,000 Fl.
 
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