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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0203

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J 51.

für Stadt

| Dienstag





Deutſsc<l and. |
* Heidelberg, 29. April. Die Freimaurerei hat den geſchla-
genen Stuhlmeiſter Bluntſchli unter ihre ſchütenden Fittiche genom-
men, – sie miſcht sich direkt in den Streit, der zwiſchen Ketteler
und Bluntſchli nusgebrochen iſt. In der Bad. Landeszeitung tritt



ein Herr Heinrich Brin > auf, der sich Meiſter vom Stuhl der |

Concordia, deutſche Loge in Paris, nennt, mit einem aus Offenburg
datirten Schreiben, in welchem er verſucht, die Freimaurerei gegen
des Biſchofs Angriffe in Schuß zu nehmen. Es iſt das ein herzlich
einfältiges Machwerk, bestimmt die kirchliche und politiſche Harmlosig-
keit des Maurerthums darzuthun. Der gute Stuhlmeiſter verwickelt
ſich dabei aber von vorneherein in den stärksten Widerspruch dadurch,
daß er einerseits behauptet, das Maurerthum ſtehe in gar keinem
Gegensatz gegen kirchliche Richtungen irgend einer Art, während er
doch andrerseits im vollen Bruſtton der bewährten ,ſittlichen Ent-
rüſtung“ versichert, die Freimaurer seien „eine Verbindung freier
Männer, die allerdings es sich zur Aufgabe geſtellt, den immer dro-
hender werdenden Agitationen der Dunkelmänner entgegenzutreten."“
Was im Sinne des Stuhlmeiſters Brinck unter „Dunkelmännern“
zu verſtehen iſt, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Mehr brau-
chen wir nicht zu wiſſen: es wird hier von officieller freimaureriſcher
Seite ſelbſt zugestanden, daß die Beſtrebungen dieses Geheimbundes
gegen die positive Richtung im Chriſtenthum gerichtet seien, es wird
alſo durch diesen vorausgeſchickten Satz alle übrige Schönrebnerei,
die die Toleranz der Freimaurerei darthun soll, von vorneherein Lü-
gen geſtrasft und letzterer vielmehr ein ganz prägnanter Charakter
auf kirchlichem Gebiete aufgeprägt. Wir danken dem Verfasser für
dieses offene Zugeſtändnißk, – es wird ſsicherlich uuf unserer Seite
verwerthet werden. Und ganz ebenſo verhält es sich in politiſcher
Beziehung. Auch hier wird von Stuhlmeisſter Brinck in Abrede ge-
ſtellt, daß der Geheimbund sich mit politiſchen Fragen befaſſe. Schade
nur, daß einige Tage ſchon nach Veröffentlichung dieſes offenen
Schreibens die Nachricht aus Paris die Blätter durchläuft, daß die
dortigen Freimaurer als solch e ihre Fahne auf den Wällen auf-
gepflanzt haben und bereit sind für die ſocialiſtiſche Commüne-Wirth-
ſchaft mit den Waffen zu kämpfen und zu ſterben. Was sagen Sie
dazu, Herr Stuhlmeiſter? Also keine Ausrede, f nicht einzelne
Bürger, die ihrer Privatanſichl folgen, eilen auf die Wälle, sondern
die Freimaurer als solche Namens ihres Geheimbundes mit der Fahne
des Bundes! Alber freilich, man bekämpft ja die „Dunkelinänner“
und Thiers iſt demnach in Ihren Augen ein Dunkelmann und die
ſog. blaue Republik von Versailles gehört den „Dunkelmännern“ !
Man braucht ja überhaupt nach Ihrem Progammm nur zu ſagen :



den 2. Mai





Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

s d ; ) tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
u / an § Vgl G. L. Daube & Us: fr

Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.



dieſe oder jene Regierung iſt eine solche von Dunkelmännern, um
den Geheimbund gegen ihren Beſtand in Waffen zu rufen, ~
und da wagen Sie noch zu sagen, Ihre Logen mischten
ſich nicht in Politikl Alſo fort mit der erborgten Maske
und bekennen Sie offen das wahre Endziel aller gehei.nen
Geselischaften, die je nach Umständen den bethörten Fürsten
ſchmeichelnd, gleichwohl ihre durchsichtigen Bestrebungen auf eine
völlige politische, ſociale und kirchliche Umwälzung gerichtet haben.
„Liebe deinen Nächſten wie dich ſelbſt !“ ſoll die Quintessenz aller
freimaureriſchen Weisheit und praktischen Thätigkeit sein, versichert
uns Meiſter Brink, –~ wir aber meinen, dazu bedürfe es nicht
einer im Finsteren ſchleichenden Geheimbündelei, sondern dieſes Werk
der allgemeinen Menschenliebe und der Barmherzigkeit ließe ſich am
vollen lichten Tage, deſſen Sonnenschein es nicht zu ſcheuen braucht,
weit ſchötier und würdiger üben, wie es uns in ſeiner ganzen Groß-
artigkeit in der katholischen Kirche entgegentritt.

* Heidelberg, 29. April. Nachdem Oberamtsrichter S aue r
von Stockach nach Schwetzingen verſett worden iſt, lesen wir heute
in der Karlsr. Zeitung auch die Verſegung des Bezirksförſters v.
S < a < nach Lahr und des Domänenverwalters Futterer nach
Bühl. So wären also die Kampfhähne vom Stockacher Friedensfest
weit von einander geriſſen und es steht nicht zu beſorgen, daß ſie
aus ihren jezigen Entfernungen ihre Champagner-Wurfgeſchoſſe mit
Erfolg in Anwendung bringen können. Ende gut, Alles gut, heißt's
hier wie im Sprüchwort, – und „,hoſcht du dein Deel, hab’ ich
mein Deel“, sagt Nadler in dem Gedicht: „Der Geesbock un die
Dodebéen“. Das traurige Heidelberger Journal aber, welches uns
um des Futterers willen in die Haare langen wollte, wird gut da-
ran thun, an der Verſezung des Friedensbürgers Futterer nicht
achtlos vorüberzugehen, da es aus dieser Thatſache erkennen wird,
wie Recht wir hatten, wenn wir den genannten Friedensapoſtel für
die eigentliche causa mali, zu Deutsch: die Ursache des Scandals
erklärten. Die Sache hat aber auch noch ihre ernstere Seite, da
bei solchen Versetzungen ſchließlich das Volk am ſchlechteſten weg-
kommt; denn wer anders als dieſes hat die Zeche d. h. die Zugs-
koſten zu bezahlen ? .

* Heidelberg, 30. April. Endlich nachdem Kettelers Antwort
an Bluntsſchli schon seit ca. 14 Tagen in der Preſſe erſchienen ist,
findet sich die Karlsr. Zeitung, von uns gehörig vorher noch gestupft,
gnädigſst bewogen, der Entgegnung überhaupt Erwähnung zu thun.
Statt aber ihren Lesern, die sie ſorgfältig von der Blamage Bluntſchli's
abſperrt, Nachricht von dem Inhalte des Kettelerſchen Briefes zu
geben, damit dieſe sich ihr Urtheil se l b st bilden könnten, druckt sie



Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Schluß.)

Eine heftige Bewegung Heiders, der mit einem tiefen Seufzer sein Gesicht
in die Hände vergrub, unterbrach ſie für einen Augenblick, dann fuhr sie mit
bewegter Stimme fort: „Da war es doch beſſer, daß mich der Schlag traf.
Pit. ftrtztut war ja doch zerſtört, da ich glaubte, daß mein Verlobter
Als sie schwieg, erhob sich der Staatsanwalt, um mit einer Stimme, der
man die mühsam bekämpfte Rührung anhörte, zu erklären, daß er die Anklage
fallen laſſe und auf Freiſprechung antrage. Der Vertheidiger erklärte eben ſo
kurz, er glaube nicht, daß es noch einer Vertheidigung der jungen Dame be-
dürfe. Nur auf einen Augenblick zogen ſich nach dem kurzen Reſume des Prä-
sidenten die Geſchwornen in das Berathungszimmer zurück und sprachen dann
das einstimmige : „Nichtſchuldig !" aus, unter den lauten Freudenbezeugungen
aller Anwesenden, ſelbſt der „Richter nicht ausgenommen. Ihre Freilassung
.ru: Jets For Präſidenten angeordnet, zugleich mit der Verhaf-
îJn einem Augenblicke hatte Leonhard den Raum durcheilt, der ihn von
Hermine trennte und ſchloß das treue Mädchen mit einem Gefühle in seine
Arme, das sie für alle ausgeſtandene Angst und Qual entſchädigte. Zugleich
reichten helfende und geschäftige Hände die kleine, freudezitternde Anna hinü-

ber, die jubelnd die Knie ihrer geliebten Hermine umklammerte. zz ;
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schwer, aber die Angst, daß ich u lh werden könnte auf deine V !’: t
. Gr konnte nicht antworten vor Thränen, er ſchloß ſie nur von Neuem in
seine Arme und wiederholte : nDu treues, treues Herz !" ; ;
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ty! Ur te Herr Vertheidiger, die all e ihren Glü >s wun ſch abſtat-





„Ach, Herr Spahn, tauſend, tauſend Dank !“ rief Hermine, ihm ihre kleine
Hand hinreichend und ihn mit dem freundlichen Lächeln ansehend, das sie ſo
reizend machte und das zum ersten Male nach langer Zeit wieder die Wan-
ſrzgrüedss ht! werden ließ. „Sie haben uns gerettet, Herr Spahn, tau-
end, tauſen ank !“

„D, gern geſchehen, o, es iſt nicht der Rede werth, ſagte Herr Spahn be-
ſchämt und gerührt ; ich habe es mit dem größten Vergnügen gethan."

Er konnte nicht mehr ſagen, denn eine Menge von Herrn und Damen
drängte ihn auf die Seite, um Herminen ihre Theilnahme zu bezeugen, um ſie
mit Einladungen und Dienstanerbietungen zu überſchütten. Der Präsident bat

sie, seine Gaſtfreundſchaft anzunehmen und ein Mitglied Jeiner Familie zu

sein, bis zu ihrer Verheirathung, Hilmer machte im Namen ſeiner Mutter
denſelben Vorſchlag, sowie eine Menge der angeſehenſten Damen. Dankbar
und gerührt beantwortete Hermine alle diese ehrenvollen Anerbietungen freund-
lich, aber ablehnend, denn der zurückgedrängte Herr Spahn beschwor sie aus
der Ferne mit den Augen -, Händen - und Lippenbewegungen ſo deutlich, wie
tit z ſblingier. kein and eres Asyl zu wählen, als ſein beſcheide-
nes Dach.

„Sie sind gar zu gütig, außerordentlich liebenswürdig gegen mich, ſagte
sie, nach allen Seiten sich anmuthig verneigend; aber Herr Spahn iſt mein
älteſter Bekannter hier in der Gegend, mein Landsmann. . . . . . Was iſt's
denn, Anna, mein Herzchen?! unterbrach sie sich, zu dem Kinde ſich nieder-
beugend, das auf alle mögliche Weiſe ihre Aufmerksamkeit zu erregen ſuchte.

„Papa weint“, flüfterte Anna. : y ;

Hermine twandte raſch den Blick nach der Zeugenbank, wo Herr Heider
einſam saß. Er hatte den Kopf in den Händeti verborgen und fein starker
Körper zuékte convulsiviſch in der gewaltsamen Grmüthsbewegung. — „Bitte

lassen Sie mich hinaus !“ sagte sie mit flehendem Blick und drängte sich eilig

durch die Menge bis zu dem Vater ihres Geliebten. ~ „Herr Heider ! ſagte
sie mit ihrer weichen, einſchmeichelnden Stimme. Lieber Vater !“ setzte ſie hin-
zu, als ſie keine Antwort bekam. js ;

Bei dieser Anrede fuhr Heider zuſammen und ließ die Hände vom Gesicht
sinken. – „Lieber Vater! wiederholte ſie und ſah ihm freundlich in die geſchwol-
lenen üg Gott har Alles ſo gnädig gefügt! Seien Sie jeyt auch gut
mit uns."
 
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