Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0505

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Erſcheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerftag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

Fl§. 127.

für Stadt







Bestellungen auf den Pfälzer Boten für die Monate No-
veubber und Dezember à 14 kr. pro Monat werden angenommen
von allen großh. Poſtanstalten und Landpoſtboten.





T a g e s b e r i ch t.

— Die Bedeutung der Lage in Deſterr eich iſt gekennzeich-
net durch den Jubel, in den die geſammte liberale und freimaure-
riſche Preſſe ausgebrochen iſt, weil Hohenwart, der energiſche
Miniſter, wie lange Deſterreich keinen gehabt, ſeine Entlaſſung ge-
fordert hat. Uebrigens iſt man heute kleinlauter in jenen Kreiſen.
Ein Wiener Telegramm meldet vom 28.: „Erneuerter Rückfall in
die Reaction wahrscheinlich. B e u ſt’'s Demission wurde vom Kaiser
noch nicht erledigt.! Graf Andrasſy, der ungarische : einiſterpräſi-
dent, der nach Peſth zurückgekehrt war, iſt vom Kaiſer neuerdings
nach Vien berufen worden; derſelbe wurde im ungariſchen Unter-
hauſe interpellirt wegen ſeiner Einmischung gegen das Hohenwart'’-
ſche Ausgleichswerk. Der Kaiser ſcheint ſeine definitive Entſchließung
noch nicht gefaßl zu haben. Man ertlärt alle Combinationen wegen
der Nachfolge Hohenwart's für unbegründet.

Von dem deutſchen Reichstage wurde in der Sitzung
vom 27. die Convention mit Frankreich in dritter Leſung endgiltig
angenommmen. Als weiterer Berathungsgegenstand folgte das Rayon-
geſet, ſich beziehend auf die Beſchränktungen des Grundeigenthums
in der Umgebung der Festungen. — Nach ſtattgehabter Debatte
wurde beſchloſſen, den Geſeßentwurf an eine Commission von 21
Mitgliedern zu überweisen. Die Büdgetkommisson hat sich in Mehr-
heit für den Reichskriegsſchatß erklärt. ~ Der Reichstag hält Mon-
iag 30. Oct. seine nächſte Sizung. Tagesordnung : Erste Berathung
des Haushalts-Etats.

— Dem Reichstage ist ein Geseßentwurf, betrefsend die Jeſt-
ſtelung des Haushalts - Etats des deuiſchen Reiches für das Jahr
1872 vorgelegt worden. Darin sind die Ausgaben zu 110,522,816
Thaler beziffert, nämlich 97,829,707 Thlr. sür ordentliche laufende
und 12,693,109 Thlr. für einmalige und außerordentliche. ~- Die
Einnahme iſt zum gleichen Betrage angenommen. Etwaige Minder-
einnahme wird gedeckt aus der von Fraukreich zu zahlenden Kriegs-
entſchädigung. Zur vorübergehenden Verſtärkung des Betriebsfonds sind
U s Ôtat bis zu 8 Mill. Thaler verzinsliche Schaßanweiſungen

Inhaltlich eines Reichstagsbriefes der Kln. V. Z. sind die Mit-
glieder der Centrumsfraktion am vollſtändigsſten auf dem Playe; nur
einige Bayern fehlten noch. Correſpondent theilt weiter mit : Peter



Dienstag den 31. Oktober



Reichensperger hat bis jezt leider noch nicht eintreten können: sein



Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und sand. Vogler & G. I: Danube & Cio. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2€.



Ls



altes Uebel, eine heftige Augenentzündung, fesselt ihn an's Zimmer.
Hr. v. Savigny, der bereits in der zweiten Hälfte der vorigen Seſ-
ſion nach einem Unwohlsein weder den Reichstag noch die Fraction
wieder beſuchte, fehlt auch jeßt noch.

Die Verwerfung der Wahl des Hrn. von Loe im Düsseldorfer
Wahlbezirke Mörs-Rees, wofür auch die Centrumsfraktion stimmte,
hatte zum Grunde, doß in einem Orte die Wahl nicht in dem von
der Behörde bestimmten Lokale (der Schule) sondern in der Wirth-
ſchaft des Wahlvorſtehers abgehalten wurde. Man erwartet mit
aller Zuversicht die wiederholte Wahl des Hrn. von Loe.

D In Berlin iſt legten Montag 23. d. Abends der Cardinal
Prinz zu Hohenlohe angekommen, und hat bei seinem Bruder,
dem Herzog von Ratibor Wohnung genommen. Man berichtet Wie-
ner Blättern aus Berlin vom 26. d., auf „eine Besſchwerdesſchrift
deutscher Biſchöfe“ an den Kaiſer sei die kaiſerliche Antwort bereits
erlaſſen. Dieselbe betone die ſtrenge Pflicht, bie Staatsgewalt und
die Landesgeseze unter allen Umſtänden in voller Herrſchaft gegen
jede äußere (klerikale) Anfechtung aufrecht zu erhalten.

—— Ein Berliner Telegramm vom 28. meldet der Köln. V.-Z.:
Auf die bekannte Immediateingabe deutscher Biſchöfe hat der Kaiſer
eine kurze Beſcheidung erlassen, welcher eine eingehendere folgen soll.

Aus der „Spen. Ztg.“ ist in die Berliner und in die Provin-
cial-Blätter eine officiöse Notiz übergegangen, in welcher die „Genfer
Correſp.“ beſchuldigt wird, dem Fürſten Bismarck eine Aeußerung
unterstellt zu haben, die derselbe nicht gemacht haben ſoll, nämlich
die Aeußerung: „daß es ein Fehler E
Jahren nur einen einzigen Biſchof und nicht alle Biſchöfe eingeker-
kert zu haben.“

In Bezug hierauf veröffentlicht die „Germania“ folgende Zu-
ſchrift des hochw. Biſchofs von Mainz: Die „Nordd. Alg. Ztg.“
Nr. 249 enthält einen Arlikel aus der „Genfer Correſpondenz“ wo0-
rin ein Geſpräch mitgetheilt wird, welches ein deutscher Biſchof
mit dem Fürſten Bismarck gehabt haben ſoll. Die folgende Num-
mer deſſelben Blaites bringt dann unter der bezeichnenden Ueberſchrift :
„Ueber den Urſprung der Schmähungen, welche die „Genfer Corre-
ſpondenz“, wie wir gestern gemeldet, gegen den Fürſten Bismarck
sſich erlaubt hat, lesen wir in der „Spener' schen Zeitung“ ~ einen
Artikel, welcher u. A. sagt: „„Der einzige deutſche Biſchof, der
seit dem letzten Kriege eine Unterredung mit dem Fürsten gehabt hai,
iſt der Biſchof von Mainz, welcher Mitglied des Reichstages iſt.
Auf Herrn v. Ketteler alſo würde jene Mitiheilung zurückzuführen
sein, und dieſer hochw. Herr dürfte ſich daher veranlaßt finden, über
den Inhalt derſelben sich demnächst zu erklären.“



Eine amerikaniſche Criminalgeſchichte.



(Schluß.
jagte M sst erhob sich, und ſein got. des Auge auf den Zeugen heftend
t ; ; : ; ; ;

drt ars Utuciehte UU uus Ss. Vlcr FEN? Yaſtto tus VUhſe
lieh, dann auf der Straße nach Norden die Stadt verließ, den Angeklagten
Stewart Mill traf und mit ihm über einen Ausflug nach Millgrove ſprach,
in Green Hollow jagte, ein paar Vögel erlegte, dann sich wieder der Stadt auf
der Straße von Westen her näherte, unter einem großen Baumwollenbaum
ſeine Büchſe pute und lud; von dort an den vorüberfließenden Bach ging, um
zu trinken, dort eine Diamantnadel verlor, welche ich Ihnen hier zeige, und
dann in doppelter teufliſcher Absicht, einmal um Rache zu nehmen für einge-
bildetes Unrecht , dann aber auch um die leeren Taſchen zu füllen, den John
Rhodes erſchoß und das Poſtfelleiſen der Vereinigten Staaten beraubte ?"

Während dieſer Frage ſtand der Zeuge abwechſelnd blaß und roth, wie
feſtgenagelt an ſeinem Playe. Er zitterte wie Eſpenlaub und ſagte endlich,
nachdem er tief Athem geholt hatte:

„Wer ſagt, daß ich John Rhodes tödete ? Das iſt eine Lügel,
. Herr Ortsrichter Raymond , ich verlange, daß dieſer Mann, der durch
sich selbſt überſührte Mörder, festgenommen werde," sagte Harrington in einem
Tone, der Jedermann von der Wahrheit des Gesagten überzeugte.

Aber Jules Pierre war nicht ohne Kampf festzunehmen. Er zog ein
Messer, mit welchem er um ſich ſchlug, und war nahe daran zu entwiſchen.

_ Endlich, nachdem er mehrere Perſonen verwundet hatte, wurde er über-

uA ue wanderte in die Zelle welche Stewart Mill bis jeßt eingenom-
ie größte Aufregung herrſchte im Publikum, sowohl der Richter als auch
die Geſchworenen verließen ihre Sitze. Es war klar, daß ſchnell etwas ge-
schehen mußte, wenngznicht die Wuth des Volkes ſich an Jules Pierre auslassen

sollte. Einige riethen, ihn zum Geſtändniß zu bringen, und dies veranlaßte |]

sogleich ein Geschrei: „Geständniß oder Tod ohne einzige Gnade !“ Jules



Pierre hörte dieß, und um ſein erbärmliches Leben um einige Stunden zu fristen,

legte er ein völliges Geständniß ab , welches in Allem mit der Darſtelung
Harringtons übereinstimmte.

Während dieſer Scene hatte ich Stewart Mill beinahe ganz vergessen.
Er war ohnmächtig geworden, als er sah, daß seine Unſchuld an den Tag ge-
kommen war. An Feiner Seite kniete, ihn mit Freudenthränen benetßend, Ella
Raymond. Kurz darauf ſchloß auch der alte Vater Mill den geliebten Sohn,
die Hälfte ſeines Lebens in die Arme. Und am Tiſche stand, mit einer glän-
zenden Thräne im Auge, der Ortsrichter Raymond. Die Scene gehörte dem
Maler, nicht dem Schriftſteller.

Die ganze Nacht ließ Ortsrichter Raymond sein Haus offen. Alle waren
geladen, an dem Gelegenheitsfeste theilzunehmen. Es wäre wohl nicht nöthig
gewesen , die „Helden des Tages“ zu nennen, doch Ortsrichter Raymond ver-
fündete laut, daß Stewart Mill sein Leben nur Harrington und mir zu danken
habe. Während alle Anderen bereit gewesen wären, ihn zu verdammen, hätten
wir an nichts gedacht, als die Beweiſe ſeiner Unſchuld zu ſammeln. Wir wur-
den bekomplimentirt, geschmeichelt, gelobt, ſo daß uns schließlich ganz ſchwin-
delich wurde; doch an ein Fortkommen war nicht zu denken, wir mußten uns
daher mit Geduld waffnen. Um 10 Uhr kam der Pfarrer des Orts, hinter
ihm die leichte ätheriſche Gestalt Ella's, gestütt auf den Arm Stewart Mils,
der Onkel und die Tante Raymond, und Herr und Frau Mill. Bir
alle wußten, was geſchehen sollte, und stellten uns im Kreiſe um Jene. Ein
Capitel aus der alten Familienbibel wurde vorgeleſen, einige Worte dazu ge-
ſprochen und Stewart Mill und Ella Raymond waren ein Paar.

Eben wollte die Geſellſchaft auseinander gehen, als der Sheriff eintrat
und meldete, daß Jules Pierre ſich umgebracht habe. Er hatte sich mit einem
kleinen Meſſer, welches d en Augen der Beamten bei der Durchſuchung des Ge-
fangenen entgangen war in einem unbewachten Augenblicke die Gurgel abge-
schnitten. Nichts erfuhr man weiter von ſeinen vorgeblichen Reichthümern,
und einige Monate darauf gab das Gericht der Familie des Ermordeten ſein
Eigenthum an Geld und Werthſachen zurück,, wozu auch die Diamantnadel
gehörte.

ÈÈBhkÀÄet
 
Annotationen