Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0187

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerftag
und Samstag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ‘ohne
Trägerlohn und Poftaufschlag. Ins.-Geb. 2 kr. d. B.

für Stadt



§

Für die Monate Mai und Juni bitten

von 28 kr.
Die Redaction des Pfälzer Boten.

Antwort

an den Herru Profeſſor Bluutſchli in Heidelberg.
Hochgeehrter Herr!

Sie haben einer Aeußerung, welche ich im Reichstage über
Ihre im hiesigen Unions - Verein gehaltene Rede gethan habe, eine
öffentliche Erwiderung gewidmet. Ich freue mich, dadurch eine Ge-
legenheit zu haben meine Behauptung näher zu begründen.

Zum Wesen einer Antwort gehört aber nach den natürlichen
Denkgeſeßen, daß sie sich auf denselben Gegenstand beziehe wie die
Aeußerung, welche sie beantworten will. Aus dieſem Grunde lasse
ich daher alle ihre Ausfälle, welche nicht zur Sache gehören, außer
Acht. Sie bekunden sich durch dieſelben als ein treues Glied jener
Partei, bei der jede Antwort gegen Katholiken in neue Vorwürfe
gausartet. Ob wir daher durch unſere Anträge bezüglich der Preß-
freiheit mit unseren katholischen Grundſäteen oder mit Aussprüchen
des Oberhauptes der Kirche in Widerſpruch gekommen sind; ob fer-
ner die Freiheit, welche wir fordern, nichts anders bedeutet, als
„Herrſchaſt der Kirche über den Staat“’, und manches Andere, was





Sie in ihrer „offenen Antwort“ sagen, lasse ich hier dahingeſtellt
sein; das gehört nicht in ten Bereich einer Antwort auf meine
Aeußerung im Reichstag bezüglich Ihrer Rede. Sie ſcheinen, gewiß
unbewußt, durch diese Excurſion dem bösen Dilemma entſchlüpfen
zu wollen, in das Sie hineingerathen sind. Erlauben Sie, daß ich
Sie feſthalte und zur Sache zurückführe. h

Da muß üch nun vor Allem beklagen, daß Sie nur beiläufig
demerken,. ich hätte Ihre Meinungs-Aeußerung über das landesherr-
liche Kirchen-Regiment in den deutſchen protesſtantiſchen Kirchen „in
sehr incorrecter Darſtelung im deutschen Reichstage“ zur Sprache
gebracht. Hier wäre gewiß Gelegenheit geboten, meine ,incorrecte
Darstellung“ zu berichtigen, und so den wahren Thatbeſtand der
obſchwebenden Controverse festzuſtelen. Sie haben es nicht gethan.
Ich halte mich alſo auch bei meiner Erwiderung an das Referat
über Ihre Rede in der hiesigen „Hukunft“ ; es Ihnen überlassend,
ſich über die Richtigkeit teſſelben mit der Redaction dieſes Blattes
auseinanderzuſetzen.

Wenn Sie aber die hier referirten Aeußerungen gethan haben,
ſo behaupte ich wiederholt, was ich im Reichstage geſagt habe, daß
nämlich dieſe ſo ausgeſprochenen Grundsätze „gefährliche“ sind, daß
„Männer der wahren Freiheit diesen Grundsätzen nicht huldigen dür-
fen; daß sie das Gegentheil von dem sind, was man im Jahre
1848 und 1850 in den vorgelegten Verfaſſungsbeſtimmungen aner-
kannt hat; daß sie ein Aufgeben, eine Art Verzweiflung an der
wahren Freiheit ſind; daß sie endlich von dem Bestreben ausgehen,
die Syſteme, welche man sich einmal entworfen hat, von Oben herab
sts; weil man sie durch die wahre Freiheit nicht verwirk-
ichen kann.“ :

Prüfen wir noch einmal die Berechtigung dieſer Urtheile an
Ihren Worten ſelbſt. ,

Sie haben in jener Versammlung des Protestanten-Vereins den
Abgeordneten Prediger Müller deshalb getadelt, weil er bei der be-
treffenden Verhandlung im preußiſchen Landtage die heſſiſche Kirchen-
vorlage abgelehnt hatte. Namentlich haben Sie die Gründe, welche
den Prediger Müller zu dieſer Ablehnung bestimmt haben, weil
nämlich die Regierung dieselbe „mit absoluter Anerkennung des lan-
desherrlichen Kirchen-)legiments“ gemachi habe, und weil man dieses
landesherrliche Kirchenregiment nicht durch die Annahme habe aner-
kennen dürfen, vielmehr die Beseitigung desselben dringend verlangen
müſſe, verworfen. Bei dieser Gelegenheit haben Sie nun die mert-
würdigen Behauptungen ausgeſprochen, das landesherrliche Kirchen-
reginment zu beseitigen sei eine politische Unmöglichkeit ; von ihm ſeien
alle Reformen, wie die Kirchengeſchichte lehre, ausgegangen ; in Ba-
den zumal habe der Großherzog sehr viel für die kirchliche Reform
gethan ; die Consiſtorien seien ein Generalstab, dem ein guter General-
ſtabs-Chef mangle; sie brauchten einen Fürsten Bismarck oder einen
General Moltke; eine Principienreiterei in Betreff der Ausführung

j ; / J i; ' d f; Ü
p V
; : t [u G N », j
; “Ös FN
: i . js G
. I
t - -. .
' P § (!
.



Samstag den 22. April

r Un. recht zahlreiche Bestellungen zum Preise





Bote

Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Land. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

Vkünchen, Frankfurt u. Stuttgart rc.

1871.



des Artikels 15 gehöre in die Schule, aber nicht ins politiſche Le-
ben; man müsse nehmen, was man bekommen könne.

Ich frage Sie nun, hochgeehrter Herr Profesſſor: haben Sie
das geſagt, oder nicht? Wenn Sie es leugnen, so wird es Jhnen
die „Zukunft" vielleicht beweiſen oder Herr Prediger Müller darüber
Auskunft geben können ; wenn Sie es aber geſagt haben, dann iſt

| mein Urtheil wahrlich wohl begründet.

Welchen Sinn haben denn jene Aeußerungen? Sie mögen es
anerkennen wollen oder uicht, keinen andern, als den des alten
ſchmachvollen Sates: cujus regio, ejus et religio. Jch ſtreite
nicht mit Ihnen über Ihre hiſtoriſche Behauptung, daß durch das
landesherrliche Kirchen-Regiment nach dem Zeugnisse der Kirchenge-
schichte ale Reformen bewirkt worden ſeien. Katholiſche Geschicht:
schreiber haben oft Aehnliches behauptet, während die protestantischen
Geſchichtsſchreiber im Gegentheil dies als Verleumdung zurückge-
wieſen und geſagt haben, die Reformation ſei aus dem Volke und
seiner Ueberzeugung hervorgegangen. Sie mögen ſich über Jhre
Behauptung mit Jhren eigenen Reformations - Hiſtoritern abfinden.
Ich, meines Theiles habe nichts dagegen, obwohl Luther jedenfalls
bei seinem erſten Auftreten nicht vom Landesherrlichen Kirchearegi-
ment seinen Impuls bekommen hatte. Daß Sie aber das landesherr-
liche Kirchenregiment nicht nur als einzige Quelle jeglicher Reform
ſür die Vergangenheit angegeben, sondern auch für daſſelbe in der
Zukunſt ausschließliche Geltung vindiciren, iſt doch ein oſfenvares
Aufgeben alles desſen, was ſeit Jagzren im Namen der Freiheit und
der chriſtlichen Gemeinde von Ihren Gesinnungsgenossſen gefordert

worden iſt. Namentlich widerſprichti es Allem, was der Protestan-

ten-:Verein als den eigentlichen Geiſt seiner Beſtrebungen und ſeiner

Berechtigung verkündet hat. Das Kirchenregiment von Oben herab
war ja der Gegenſtaud der unerhörtesten Angrifsſe; deshalb wurde

nicht nur die katholiſche Kirchenverfaſſung, fsreilich unter zahlloſen
Mißversſtändniſſen und Entſtellungen derselben, angegriffen, sondern
ebenſo auch die bisherige protejſt. Kirchenverfaſſung. Diesen Ver-
faſſungen gegenüber wollte man eine Volkskirche, eine auf breiteſter
Unterlage gegründete, stiften. Und jeyt hören wir von dem Führer
des Proteſtanten-Vereins plötzlich wieder das gerade Gegentheil: das
landesherrliche Kirchenregiment kann nicht beseitigt werden ; in ihm
allein wurzelt alles Heil; ſeine Consiſtorien müssen als „General-
ſtab“ constituirt werden ; Männer, wie Fürſt Bismarck und Graf
Moltke müssen darin das Regiment führen; dann geht Alles gut;
dann kann alles erreicht werden. Ein Kirchenregiment mit einem
Consiſtorium, geleitet, wie ein Graf Moltke den Generalstab leitet,
iſt aber gewiß das absolute Gegentheil von Allem, was man je ver-
nünstiger Weise unter einem Kirchenregiment, das alle seine Auto-
rität aus der chriſtlichen Gemeinde ſchöpft, im Sinne des Proteſtan-
ten-Vereins, sich denken kann. Was bleibt da noch von der viel-
gepriesenen evangeliſchen Freiheit übrig? Das iſt ja doch wieder
ganz daſſelbe, wie das landesherrliche Regiment in jenen Zeiten, wo
das arme chriſtliche Volk auf Commando sech s mal ſeinen Glauben
in der Pfalz wechſeln mußte.

Aber idem non est idem, und darin liegt das ganze Gefähr-
liche und Verwerfliche Jhrer Auffaſſung. So lange das landesherre_
liche Kirchenregiment im Sinne des poſitiven chriſtlichen Glaubens
geübt worden iſt, haben Ihre Gesinnungsgenoſsen daſſelbe im Na-
men der c<hriſtlichen Gemeinden in der allerheftigſten Weise bekämpft.
Werfen Sie einen Blick in die Schriften Ihrer Freunde Bunſen und
Schenkel, deren Autorität Sie gewiß nicht ablehnen werden, so fin-
den Sie einen Grundgedanken in ihnen: Alles Uebel im Chriſtenthum
leiten sie ab von dem Zurückdrängen des Einfluſſes der chriſtlichen
Gemeinde, alles Heil erwarten sie dagegen davon, daß die chriſtliche
Gemeinde wieder zu ihrem Rechte tomme. Jeti aber, wo das
landesherrliche Kirchenregiment wenigstens in Ihrem jetzigen Heimaths-
lande ganz in den Händen Jhrer Gesinnuugsgeuosſſen liegt, wo es
als Mittel dient den pojitiv chriſtlichen Glauben bis auf den Grund
zu verdräugen und zu betämpfen, da iſt plötzlich Alles anders, da
iſt das landesherrliche Kirchenregiment1 eine politiſche Nothwendigkeit,
da gehen von ihm alle Reformen aus, da müſſen Conſiſtorien wie
Generalstäbe verwendet werden, um durcch ein eiſernes Regiment, in
der Weiſe, wie ein Fürſt Bismarck und ein Graf Moltke regieren,
der chriſtlichen Gemeinde den rechien Geiſt einzuflößen.

Darum habe ich Ihre Grundfſätze „ein Aufgeben, eine Art
Verzweiflung an der wahren Freiheit" genanit. Sie haben oſſen-
 
Annotationen