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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0545

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Erscheint wöchentlich 8 Mal: Dienftag, Donnerftag
und Samſtag. – Preis: vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. B.



; D. > %. Inseraten-Inhalt der Annoncen-Expedi-
mu GE EE ESEN
I - 4.43 . Nünchen, Frankfurt u. Stuttgart 2c.





„Hl. 1 3 r o
F E E ELLE L )





T a g e s b e r i c< t.

Aus der Thronrede, womit S. K. H. der Großherzog
den Landtag eröffnete, entnehmen wir folgende Hauptpuntte:

Nach einer Eingangsbegrüßung wird Bezug genommen auf die
großen Ereigniſſe, welche Deutſchland und Baden das jetzige Verhält-
niß gebracht haben.

ß Die fit haen. . innere Entwickelung der geliebten Heimath in
ihrem freien und unabhängigen inneren Staatsleben wird S. K.
Hoheit in erhöhtem Maße beſtrebt sein, mit allen Kräften zu fördern.

Ein Anpassen verſchiedener allgemeiner deutſcher Geseße an die
bestehenden Einrichtungen des Landes wird bedingt durch den Eintritt
in die große nationale Gemeinſchaft, worüber Regierungsvorlagen
erfolgen, darunter als bedeutendste die Einführung des deutſchen
Strafgeſetzbuches betreffend.

Die geſetzgeberiſche Thätigkeit des Landes iſt im Hinblicke auf die
lebhaſte Entwickelung der neugegründeten Verhältnisse zu beſchränken,
was ohne Nachtheil geſchehen kann in Folge der umfassenden be-
züglichen Arbeiten in den leßten Jahren.

Die Regierung wird ferner einen Gesetzentwurf über die Aus-
gleichung der Kriegslaſten und Schaden vorlegen. Die Ausgleichung
geſchieht aus dem der Staatskasse zufließenden Antheil an der Kriegs-
Contribution. Aus Reichs mit teln werden die unmittelbaren Kriegs-
schäden in Kehl und Breiſach vergütet, und den aus Frankreich aus-
gewieſenen Landesangehörigen wenigstens eine Unterstützung zur
Ueberwindung ihres Nothſtandes geboten.

Aus Vorſchüſſ en der Reichskaſſe auf den Antheil an
der Kriegskontributi on konnte den tapferen Söhnen des Lan-
des, die ihre bürgerlichen Geschäfte verlaſſen mußten, um iu den Krieg
zu ziehen, eine Beihilſe zum Wiederbeginne ihrer friedlichen Thätig-
keit gewährt werden.

Die Bauten an Eiſenbahnen und Landſtraßen, ſchon gegen Ende
vorigen Jahres wieder aufgenommen, werden ſeit dem Friedenssſchlusse
mit dem in ihrer Wichtigkeit begründeten Nachdruck beirieben.

: Der Landesfürsſt drückt seine Freude aus, daß in allen Zwei-
gen der gewerblichen Thätigkeit eine auſſergewöhnlich lebhafte Be-

wegung sich zeige; darauf, und auf das wenigstens nicht ungenügende

Geſammtergebniß des diesjährigen landwirthſchaftlichen Ertrages
gründet S. K. Hoheit die Hoſfnung, daß der Wohlſtand des Landes
ſtetig fortſchreiten werde. ;

Den Beanten u. Angestellten aller Klassen soll eine durchgrei-
fende Aufbesserung ihrer Besoldungen und Gehalte ertheilt werden.

Der Finanzſtand iſt ein guter; es müssen troß der Auforderungen

Donnerstag den 23. November





L )







;



des Reichs und der höheren Aufwände im Jnnern keine Ansprüche
an die Steuerkraft des Landes gemacht werden.

Die Thronrede läßt die kirchliche Frage unberührt und ſchweigt
auch über die Verfaſſungs-Reviſion, resp. Aenderung.

Montag Nachmittag hat die erste vorbereitende Sitzung der
2. Kammer stattgefunden, eingeleitet von Staatsminister Dr. Jolly
mit einer Begrüßungsanſprache, in die er die Zuversicht verslocht,
daß das bisher beſtandene gute Einvernehmen zwiſchen Regierung
und Landständen auch fernerhin gewahrt bleiben werde. Auch in
der Thronrede ist dieſe Zuversicht ansgeſprochen.

Dr. S <ulz übernahm das Alterspräsidium, und das Loos be-
stimmte die Mitglieder der Deputation für den Empfang des Groß-
herzogs bei der feierlichen Kammereröffnung. Es traf keinen Ab-
geordneten von unserer Partei. Zufolge eines oberſtkammerherr-
lichen Schreibens war dem Alterspräsſidenten Dr. Schulz die Ehre
zugefallen, am Dienstag nach dem Alte der Eröffnung die Abge-
ordneten S. K. H. dem Großherzog im Schloſse vorzuſtellen. Dar-
auf fand Hoftafel statt, an welcher die HH. Deputirten Theil nah-
men. Der Alterspräsident Dr. Schulz brachte, wie wir vernehmen,
einen Toaſt auf die Frau Großherzogin aus, welcher den ge-
müthvollſten Anklang fand. Der Großherzog hatte die Aufmerk-
samkeit, mit dem Abg. Dr. Schulz sich einige Zeit zu unterhalten.

Ein Verliner Telegramm des Schw. Merkur vom 20. d.
meldet, daß der Bundesrath g e ſter n, alſo am Sonntag, so sehr
hat es preſſirt! den Antrag des bayer. Bevollmächtigten betr. die
Beſtrafung des Amtsmißbrauches von Seiten der Geiſtlichen a ng e-
nommen habe. Auch verlautet, noch in den letzten Tagen der
Session, mithin gegenwärtige Woche, ſolle dieser Beschluß des Bun-
desrathes im Plenum des Reichstages zur Debatte gestellt
werden. Es iſt der fragliche Zuſatartikel 167 a ein Geſchlechts-
verwandter unseres Art. 631 a und des berüchtigten Haß- und Ver-
achtungsparagraphen verſchiedener deutscher Strafgeſetbücher. Ge-
münzt erſcheint uns derſelbe vorzugsweise auf die Priester der römiſch-
katholischen Kirche – und warum das? Forſchen wir nach dem
Grunde, so müſsen wir uns ſagen, daß derselbe einer gewissen Furcht
und demgemäßen Abficht in Bezug auf die katholiſche Kirche zuzu-
ſchreiben sein könnte. Nichtl als ob man wirklich die ſchwachen Priester
für gefährliche Gegner des deutschen Reiches hielte, das sich für die
Ehre bedanken dürſte, als auf so ſchwachen Füßen ſtehend gelten
zu sollen; o, nein, das sind von der Verſchmitzthheit des Parteigei-
ſtes ausgeheckte Flauſen ~ es gilt unseres Erachtens dem Katho-
licismus an und für sich, in Hinsicht auf das in demſelben lebende
konſer vative Prinzip, das mit der revolutionären Zeitrich-



Bierzigtauſ end Thaler.

(Fortſeßung.)

Nach der Entfernung des Superintendenten begab sich die Räthin in ihr
Schlafgemach und schloß den großen Wandſchrank auf, welcher außer Geld,
Schmuck und Werthpapieren, Briefe und Tagebücher ihres verſtorbenen Mannes
enthielt. Mit Pietät las ſie jedes Wort; keines deutete darauf hin , daß der
Rath an Geſchenken für die Kirche gedacht hatte, doch waren einige Hausarme
der Räthin an das Herz gelegt, und seine Diener.

„JIc< habe darnach gethan, alle ſind sie gut bedacht, nun soll Klärchen
noch verſorgt werden !" ſprach die Räthin. f

zi:
Als Klärchen am andern Morgen das Frühſtück in das Himmer ihrer
Tante brachte, war dieſe, ganz gegen ihre Gewohnheit, nicht zugegen. Besorgt
ſchlich das Mädchen in das Schlafzimmer ihrer Tante und fand dieſelbe ohn-
mächtig, halbangekleidet, auf dem Fußboden liegen. Beſstürzt rief sie um Hülfe,
der Kutſcher eilte aus dem Hauſe, den Arzt und den Superintendent zu holen.
Hannchen und Klärchen brachten die Kranke in ihr Bett und dankten Gott als
sie nach einigen Minuten die Augen aufsſchlug.
_ Der Arzt erſchien eilig und verordnete, was er für nöthig hielt; den Geist-
lichen wies der Doktor entſchieden ab, weil die Räthin vor allem der Ruhe be-
dürfe. Als sie in sanften Schlaf verfallen war, ſchrieb Klärchen an die Mag-
jorin Waldau, dann ſette sie ſich an das Bett ihrer Tante und beobachtete
_ orgsſam ihren Schlummer.

Am Abend fand der Arzt die Kranke besſer, aber am nächſten Morgen
ſchon erſchien sie ihm sehr verändert und diesmal wagte er es nicht, den Geiſt-
lichen abweiſen zu lassen, welcher sie zu tröſten kam.

Eine halbe Stunde zperweilte der Prediger allein bei der Räthin, dann
trat er aus ihrem Zimmer und ſprach ſalbungsreich zur weinenden Dienerſchaft :
. nere Herrin hat mit chriſtlicher Ergebung ſich in ihr Schicklal gefügt, es ist
j das aller Sterblichen. Sie ſchläst jetzt wahrſcheinlich bald ein , ſo eben aber
| hat sie noch mit mir gebetet. Ich werde ſpäter wiederkommen, Euch Troſt
. qu ſprechen.D Nach dieſen Worten verließ er ſichtlich erſchüttert das Haus.

. .. Klärchen und die beiden Dienerinnen gingen leiſe in das Gemach der



Räthin. Sie fanden die gute Frau todt, die Hände gefaltet, auf dem stillen
Antlitz das Lächeln des ewigen Friedens.

Laut weinend warf sich Klärchen auf die Knie; zum zweiten Mal war
ie ganz verwaiſt.
| Ia ue Tage traf die Majorin Waldau mit ihrem Sohne ein. Ihre
Trauer um die Schwägerin war aufrichtig, anch Arwied beklagte die ihm liebe
Verwandte herzlich und benahm sich theilnehmend und rückſichtsvoll gegen Klär-
chen. Zu seiner Mutter ſagte er: „Ich bin überzeugt, die Tante wird der
Stiefnichte etwas Anständiges hinterlassen haben. Ich glaube,, das Mädchen
st htte Eigenschaſten, möchteſt Du ihr für die erſte Zeit Dein Haus an-

ieten ?“

„Ich habe auch schon daran gedacht, wenn nur nicht Arabella ~Ü
d j §t hälft inne, Mama ; was ſolite Arabella gegen das verwaiſte Mäd-

en haben ?"
ptctite v tze RC H k qt Mt L UE. HUiltreh t,
da wird ihr die Nähe eines jungen anmuthigen Mädchens vielleicht nicht an-
genehm sein. War sie doch ſhon auf unſchöne Frauen eifersüchtig, ſobald Du
denſelben nur die gewöhnlichſte Aufmerkſamkeit erwiesest.“

„Das iſt leider wahr, Mama ; ich liebe Arabella, aber ich wünſchte, ihr
Charakter wäre etwas ſanfter. Ich achte Energie und Urtheilskraft bei den
Frauen, aber bei Arabella sind dieſe guten Eigenſchaften in zu hohem Grade
vorhanden, Ich bin der Mann, sie zu bändigen, aber es thut weh, der Ge-
liebten gegenüber anders auftreten zu müssen als — zn allen Zeiten sanft."

Die Majorin ſchwieg, sie ſah ihren Sohn besorgt und liebevoll an, er
wandte sich ab und ſeufzte.

„Die Trauerzeit verbietet, daß Arwied sich bald vermählt,“ dachte die
zärtliche Mutter, vielleicht gestaltet sich manches anders und beſſer, als ich es
jetzt fürchte. (Fortſ. folgt.)

~ In Epernay wurde am Abend auf der Straße ein preußiſcher Soldat
der Garniſon erdolcht. Demzufolge hat das Commando allgemeine Waffen-
ablieferung und die Schließung der öffentlichen Lokale um 8 Uhr Abends an-
§t:zzt. 220 welcher Zeit an die Einwohner ihre Wohnungen nicht mehr
verlassen dürfen.
 
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