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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0473

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scheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
2rägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.

é. 119 .

für Stadt



r ;

T a g e s b e r i c< t.
Zu den Verhandlungen in Berlin mit dem franzöſ. Finanz-
minister Pouyer-Quertier iſt auch Graf Arnim, der deutſche Geſandte,
aus Verſailles eingetroffen. Die Herren treten häufig in Berathun-
en zuſammen.
§ 14 Man meldet aus München vom 10. d.: der Ministerrath
habe beſchloſſen, die bekannte Interpellation von Herz und Genossen
wegen der Haltung der Regierung gegenüber der Kirchenfrage in
der Sitzung der Abgeordnetenkammer vom Mittwoch den 11. d. M.
zu beantworten. Bezüglich der 47 Anfrageſteller bemerkt der Beob.
am Main, es befänden sich nur 7 mit kathol. Taufschein darunter,
die übrigen 40 seien Juden und Protestanten.

Ein Münchener Correſpondent der A. A. Z. meint, die Ant-
wort werde man ſo einrichten, daß die patriotiſche Partei keine Hand-
habe erhält, einen Beſchluß gegen das Ministerium zu faſſen, d. h.
eine Beſchwerdeadreſſe an den König, was sodann den Rücktritt
des Miniſteriums oder die Kammerauflöſung zur Folge haben müßte.
Gesetzt, es würde dem Ministerium gelingen, an dieſer Klippe vor-
beizukommen, so bleibt dann immer noch die Frage, wie dasſelbe
den Ansprüchen der Fortſchrittspartei gerecht werden will, welche





Thaten im Sinne des kultusminiſterlichen Erlaſſes vom 27. Aug.

gegen die „ſtaatsgefährliche,“ seit 18. Juli v. J., rechtlos gewordene
kath. Kirche verlangt. Jedenfalls kommt es zu großen Debatten.
Selbſt die geſchickteſten Manöver werden die Entscheidung höchſtens
etwas verzögern können, umgehen läßt sie sich nimmermehr ; diejelbe
muß demnächſt in einer oder der anderen Richtung erfolgen. Dem
Erzbiſchof von München hat das Miniſterium auf z wö l f Eingaben
bis zur Stunde noch keine Antwort ertheilt, und ebenso erging es
dem Biſchof von Augsburg in der Meringer Angelegenheit.

Auf Grund dieſer Sachlage wird der Biſchot von Augsburg
in nächſter Zeit eine Beſchwerde an die Kammer der Abgeordneten
richten und in einer umfassenden Denkſchrift das Ministerium der
Verfaſſungsverleßzung anklagen. Das wird für die katholiſchen Abge-
ordneten der Moment der Entſcheidung werden. Bei dieser Gelegen-
heit muß Klarheit in die kirchliche Frage in Bayern kommen, muß
das Miniſterium offen Farbe bekennen.

~– Der Wahlsieg in M. - Gladbach, woſelbſt die Liberalen
einen weiteren Sitz an die Centrumsfraction des Reichstages ver-
loren haben, iſt nach der amtlichen Aufstellung ein sehr glänzender.
Der gewählte Candidat der kathol. Partei, Hr. Legationsrath a. D.
Freiherr v. Kehler, erhielt 5110 Stimmen, ſein Hauptgegen-
candidat, Landgerichts-Asseſſor Kaul e n, 2706, und der socialdemo-
kratiſche Candidat Friß Mende nur 637 Stimmen.

Eine amerikaniſche Criminalgeſchichte.



Gs war drei Uhr Nachmittags, als ich aus dem Leſezimmer kam und mich
am kniſternden Kaminfeuer niederließ, welches meine liebenswürdige Wirthin
ſchon für mich angeſchürt hatte. Alles, draußen und drinnen, ſah mich heute
mit andern Augen an, Alles war Frohsinn und Freude. :

Nach vierjährigem, eifrigen Studium hatte ich heute den mediciniſchen
Doctorhut erhalten und jene ſelbſtzufriedene Heiterkeit, welche man nach einem
glücklich bestandenen Examen und mühſamer Arbeit immer zu empsinden pflegt,
hatte ſich meiner bemüchtigt. Vier Jahre waren verfloſſen, ſeit ich im Heit-
raum eines Mouats meine beiden Eltern begraben hatte und als eine Waiſe
der Welt gegenüberstand. Meine rinzigen Verwandten waren ein Ontel mit ſeiner
tqulie, beſtehend aus Frau und Tochter, nnd dieſe wohnten fern im ſonnigen
Süden.

î_ Als mein Vater auf dem Sterbebett lag, wurde ein Brief an meinen Ontel,
seinen Bruder abgefertigt, welcher gerade noch zur rechten Heit ankam, um dem
Todten die letzte Chre zu erweiſen, ihn ins Grab legen zu sehen. Er blieb
nur kurze Zeit, ordnete meine Angelegenheiten und übergab mich der Vormund-
ſchaſt eines guten und rechtlichen Mannes, Doctor Veil. Ich erwählte zur
Zufriedenheit meines guten Onkels das Studium der Medicin. Die Hinter-
laſſenſchaſt meiner Eltern genügte, meine Studien zu beenden und bei einiger
Sparſamkeit ſogar noch etwas erübrigen zu können. Mein Onkel gab mir
bei ſeiner Abreiſe ſeinen Segen, empfahl mich dem Schutze Gottes, und überließ
mich getroſt einer neuen Sphäre, um mich ſpäter in den Schooß seiner Familie
zurückkehren zu ſehen.

„ê Dieſe Crinnerungen kamen mir heute ins Gedächtniß und flogen, wie
Schatten über dem Flusse, ſchnel an mir vorüber, denn mein Geiſt war heute
nicht zu Sorgen und Trauer aufgelegt.

Die Frage, wo ich mich niederlassen ſollte, hatte mich ſchon längere Zeit
beſchäftigt, doch war ich bis jeut noch zu keinem festen Entſchlusse gekommen.
Ic überlegte, ob ich mich in einer der älteren öſtlichen Städte meines theuren
Vaterlandes Nordamerika niederlaſſen und geduldig auf Proxis warten, oder
nach einer Stadt des Weſtens gehen ſollte, deren fortwährende Zunahme Praxis
in Aussicht stellte und wo ich vielleicht ſpäter als wankender Greis einmal

LÜ:



Donnerstag den 12. Oktober





In sseraten- Inhalt der Annoncen-Expedi-
uud L and tionen von Rud. Mosse, Elstzetztqlus
" Vggl t s U: Vary cr 1!

1871.



L LS

~ Vir hoffen im nächſten Blatte aus unserem Lande Baden
von den Donnerstag 12. d. M. ſstatthabenden Deputirtenwahlen eben-
o erfreuliche Resultate mittheilen zu können.

M Aus New - Y ork wird der Ausbruch einer großen Feuers-
brunſt in der Stadt Chicago gemeldet. Der Brand wurde durch
einen heftigen Sturm angefacht; die halbe Stadt, darunter der haupt-
ſächlichſte Geſschäftsſtadttheil, viele öffentliche Gebäude , Bahnhöfe,
Hotels tc. liegen in Asche. Zahlreiche Todte, 50,000 Obdachlose.

~ Den neuesten Nachrichten aus Königsberg zufolge ſind keine
Erkrankungen und Sterbsälle an der Cholera in den letten Tagen
mehr vorgekommen, wonach die Epidemie zu erlöſchen ſcheint.

— Der König von Schweden, welcher gerne auch in die Bahs-
nen des zeitgemäßen Militarismus steuern möchte, hat den Verdruß,
daß die Stände ihm hierin nicht zu Villen sein wollen. Der Reichs-
tag wurde am 6. d. mit einer kurzen Thronrede geſchloſſen, in der
Se. Majestät die abermalige Aufschiebung der Heeresreformfrage be-
dauerte.

— M. Chevalier rechnet den Franzoſen vor, daß sie fortan zur
Verzinſung ihrer Staatsſchulden jährlich tauſend Millionen Franken
aufzuwenden haben. Resultate von den Generalrathswahlen sind
erſt wenige bekannt. ~ Der franz. Miniſter des Innern, Lambrecht,
iſt geſtorben.

—Ñ



Berliner soziale Zustände.
/\ Heidelberg. In den letzten Wochen iſt es in Berlin nicht
sehr luſtig hergegangen. Die Wohnungsnoth hat in der deutſchen
Hauptſtadt eine ſo bedenkliche Höhe erreicht, daß alle Vorsichtsmaß-
regeln zur Verhinderung von Revolten aufgeboten worden sind. Es
kamen Fälle in der Hauptstadt vor, daß Arme Tage lang auf die offene
Straße geſezt wurden, ohne irgendwo eine Herberge erhalten zn
können. Ja wir leſen sogar, daß Hausbesitzer Möbel und dergleichen
zur Wohnung hinauswarfen, weil bie früheren Miether ihre Hab-
ſeligkeiten nicht einpacken konnten, ohne eine neue Wohnung zu haben.
Förmliche Versteigerungen von Wohnungen an den Meiſtbietenden
wurden berichtet. Bei ſothanen Umständen mußten die Miethpreiſe
für die arme arbeitende Klaſſe unerſchwingbar in die Höhe gehen.
Daß diese Sache nicht so nnbedenklich war, läßt sich aus der That-
sache erkennen, daß Se. Majeſtät der Kaiſer von Gastein aus ein
Schreiben an den Minister des Jnnern, Grafen zu Eulenburg, ge-
richtet hat, um denselben zu Maßregeln gegen die drohende Woh-
nungsnoth in Berlin aufzufordern.
In den letzten Wochen hatte Berlin auch einige heftige Arbei-
terverſammlungen aufzuweiſen. Am heftigsten traten auf die Tiſch-

die Ehre haben könnte, mit zu den Gründern der Stadt gezählt zu werden.
Aus dieſen meinen Zukunftsträumen störte mich ein Klopfen an die Thür.

Ich öffnete und das Hausmädchen übergab mir einen Brief.

Mit diesem war die Frage wegen meiner künftigen Niederlassung entſchie-
den, der Brief war von meinem Onkel, dem Ortsrichter Raymond , welcher
mich einlud, nach der Stadt G. in Texas überzuſiedeln. Seine Gründe hiefür
fanden meine Anerkennung und eine Stunde darauf war der Entschluß gefaßt
der für mein ganzes späteres Leben entſcheident wurde. ;

(Fortsetzung folgt).



Verschiedenes.

Aus einer Tiſchlerwerkstatt in Flensburg iſt unlängst eine ſeltene Curiosi-
tät hervorgegangen. Es iſt ein höchſt brilanter Sarg für den König Aqua
an der Weſtkiſte von Africa. Da sich die Majeſtät zur Zeit noch ganz wohl
befindet, wird das prunkvoll ausgestattete, mit verſchiedenen Fenstern und einem
Spiegel am Deckel verſehene leßte Gehäuſe für denselben irgendwo in der Re-
ſidenz aufgestelt werden. Der ſchön gepolsterte Sag enthält verſthiedene Glä-
ſer und zwei Genevreflaſchen, die wohl die Bestimmung haben, eines Tages
mit narcotiſchem Stoff gefüllt zu werden.

~ Aus Fran kfurt ſchreibt die Frankf. Ztg. Bei dem hieſiegen 81.
Inf.-Regiment sind am 1. Oct. d. J. nicht weniger als 29 Schullehrer einge-
rückt. Dieselben müssen eine 6monatliche Dienstzeit durchmachen.

~ Die Mar kth ockinnen ſind mit einer ehrſurchtsvoll abgefaßten Peti-
tion den Behörden genaht und bitten, es möge ihnen gefallen zu gestatten, daß
sie ihr Gemüſe jeden Tag bis 6 Uhr Abends aus ho <en dürfen.

~ Einem Bürger in Darmſtadt ſprang beim Anzünden eines Steeichhölz-
<ens das Köpfchen desselben in eine unbedeutende Wunde. Sofort stellten
sich die charakeristischen Erſcheinungen der Phosphorvergiftung, zunächſt An-
ſchwelung der Hand, reſp. des Armes, Schwärzung desſelben u. s. w. ein,
und in kurzer Zeit war der Unglückliche, ehe noch ärztliche Hülfe zur Hand
war, eine Leiche.

~ Der Schaden, den der Sträfling Schwäble verurſacht hat,
wird auf mehr als 20,000 Gulden berechnet.
 
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