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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.

é. 135.

T a g e s b e r i < t.

Die Ernennung Andrasſy’s zum öſterreich-ungariſchen Staats-
minister des Auswärtigen, und des Grafen Lonyay zum ungariſchen
Miniſterpräſidenten iſt nun auch formell vollzogen, indem beide Staats-
männer den Eid in die Hände des Kaiſers abgelegt und ihr Amt
angetreten haben. Ferner erhielt Baron von Kellersperg den defini-
tiven Auftrag zur cisleithaniſchen Cabinetsbildung.

Das letzte diplomatiſche Roſabuch Beuſt's – ſchreibt man
der Frankf. Ztg. aus Wien = zeigte eine auffallende Lücke in Betreff
der römi ſchen Fr ag e. Die Schrift Jules Favre's über die
diplomatischen Beziehungen der Regierung der dritten französiſchen
Republik zum päpstlichen Stuhle läßt den Grund jener Lücke erkennen.
Der öſterreichiſch-ungariſche Reichskanzler theilte im Juni d. J. dem
franzöſiſchen Botſchafter in Wien mit, daß der k. k. Geſandte in
Florenz, Baron Kübeck, die Weiſung erhalten habe, sich zum Einzuge
des Königs Victor Emanuel nach Rom zu begeben, und eine Depeſche
Beuſl’'s an den Fürſten Metternich notifizicte der französiſchen Re-
gierung den Wunſch, daß sie sich diesem Vorgehen anſchließen möge.
Der päpſtliche Staatsſecretär Cardinal Antonelli drohte hierauf dem
Grafen Kalnocki, Vertreter der öſterreich-ungariſchen Monarchie im
Vatican, mit der sofortigen Abreiſe des Papſtes Pius IX. Diese
Drohung wirkte zwar nicht ſo ſehr auf den Reichskanzler Beuſt,
als auf eine höhere Instanz ein. Baron Kübeck bekam Contreordce
und kam erſt dann in Rom an, als Victor Emanuel schon wieder
von dort abgereist war.

~ Man verhandelt in Verſailles über die Frage der Verle-
gung der Regierung und der Nationalverſammlung nach Paris; die
Mehrheit der Permanenz-Commisſion iſt gegen das Vorhaben, Thiers,
wie es ſchient, dafür.

~ In Paris wollten die Bonarpartiſten in der Magdalenen-
kirche eine Mesſe „zu Ehren“ der Exkaiſerin Eugenia leſen laſſen
M was aber verboten wurde.

H Die belgiſchen Kammern sind am 14. d. ohne Thronrede
eröffnet worden.

Der Brand von Genf am verfloſſeneu Montag wurde durch
von alleu Seiten herbeigeeilte Hilfe von der größeren Verbreitung
abgehalten. Abends war alles vorbei; es betraf nur wenige Häu-
ſer, die vom Feuer ergriffen waren.

— Wie weit in England die Redefreiheit geht, erhellt zur
Genüge aus einer Ansprache, welche der Wühlhuber Bradlaugh
in Shesfield gehalten hat. Er gab zu, daß das engliſche Volt noch
nicht für eine Republik vorbercitet ſei, obgleich er hoffe, lange genug
zu leben, um an einer republikaniſchen Regierung Theil zu nehmen.

sſür Stadt







Samſtag den 18. November

Zu Einem jedoch ſeien er und seine Freunde feſt entiſchloſſen: daß



Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

fionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und ſ’and. Vogler & G. IL. Danube & Cios. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.

1871.

E UO

der Prinz von Wales niemals den Thron besteigen ſolle. Er schlage
vor, daß ein Regentſchafts- Rath ernannt werden sollte, aus dem
Lordkanzler und aus zwei Richtern der höheren Tribunale bestehend.
Herr Bradlaugh hatte für dieſe ſeine Grundſäte ein sehr dankbares
Publikum, und seine Rede wurde häufig von anhaltendem Beifall
unterbrochen.



* Heidelberg, 17. Nov. Hiesige neuproteſtantiſche Herren,
welche als „Comité der Altkatholiken“ zeichnen, haben unter An-
schluß des Programms, das der Münchener Congreß vom 22.924.
Sept. d. J. aufstellte, Einladung erlaſſen für eine Delegirtenver-
sammlung der einzelnen „altkatholischen" Vereine und „sonstigen Ver-
trauensmänner“, welche kurz nach dem Zuſammentritte der Stände-
kammern in Karlsruhe ſtattfinden ſoll, damit die gleichgesinnten Ab-
geordneten Gelegenheit zur Betheiligung erhalten. Der Zweck iſt :
Das besagte Programm ,,@seiner weiteren Verwirklichung entgegenzu-
führen.“ Es wird die Gründung eines „Landes-Vereines in geeig-
neter Gliederung“ proponirt, „damit die Bewegung durch entſprechende
Mittel in immer weitere Kreiſe ausgebreitet werde." Man will fer-
ner Anträge an die gesetzgebenden Faktoren vorbereiten.

Die Staatsmacht muß die Weiterführung übernehmen, ſagte
jüngſt die Landeszeitung. Ohne diese Beihilfe kann aus der Sache
nie und nimmer etwas werden. Man ſcheint in dieser Hinsicht aber
ſich mit gewiſſen Aussichten zu schmeicheln; anders läßt nach dem
Stande der Dinge die eröffnete Aktion in Baden sich nicht erklären.
Wir erſehen ferner aus dem Einladungs - Cirkular , daß Heidelberg
durch den Münchener Congreß zum Vorort der badiſchen Vereine
(wie viel Mann hoch? !) erklärt wurde, und daß Herr Oberamts-
richter Beck dahier als dasjenige Comitémitglied bezeichnet iſt, an
welches die Rückäuſſerungen zu richten sind. Unterzeichnet iſt das
Einladungs-Cirkular auſſer von dem Herrn Obveramtsrichter Be ck
von den HH. Staatsanwalt von Berg, Profeſſor von Duſch,
Hofrath und Profeſſor Fri e dre i ch, Dr. Herth, Bezirksarzt und
Profeſſor Kn auff, Kreisgerichtsrah Krebs, Profeſſor Neff,
Geh. Rath und Profeſſor Windſcheid, Gemeinderath Bilabel,
Bierbrauer Ditten ey, Kaufmann J. Keller, Weinhändler Künzle,
Apotheker Le imba c , Gerbermeiſter Pir ſch. — Es sind das lau-
ier im bürgerlichen Leben angeſehene ! tänner, in kirchlicher
Beziehung zählen sie nach ihrem äusseren Verhalten zu den Gleich-
gültigen, weiche der kath. Kirche und Religion mehr oder weniger
entfremdet sind, und hier nun sogar als deren offene Gegner auf-
treten. Wir haben auch den Namen eines Mannes aus dem eigent-



Vierzigtauſend Thaler.

(Fortſewung.)

Wieder blühten die Roſen im Garten der Räthin, sie selbſt ſaß, wie oft,
auf ihrem Lieblingsplätzchen , aber nicht allein. Die jüngere Schwester ihres
verſtorbenen Gatten, die verwittwete Majorin Waldau, war zum Beſuch bei
der Räthin, um derſelben den jungen Waldau vorzustellen, welcher eben ſeine
Universitätsſtudien beendet und ein ehrenvolles Cxamen gemacht hatte.

îUWeohlhtlgefällig ruthe der Blick der Räthin auf dem Neffen, und mit Leb-
haftigkeit ſchlug ſie ihm vor , ſich in dem Städtchen niederzulassſen, wo er ſich
gewiß bald einen angenehmen Wirkungskreis geschaffen haben würde.

„Das kann ich nicht thun, liebe Tante," erwiederte er lachend, „ich paſſe
nur in eine große Stadt ; aber ich verſpreche Ihnen, daß ich Sie bald wieder
beſuchen werde, jedes Jahr, wenn Sie mich gern ſehen,“

_ „Außerordentlich gern ſehe ich Dich, Arwied“, entgegnete die Räthin, „ob-
gleich ich mir ſelbſt ſage, daß für einen jungen lebhaften Mann mein ſtilles
Haus wenig Unterhaltung bietet.

Still war es freilich bei der Räthin, noch ganz wie vor zwei Jahren,
als Klärchen in das Haus gekommen war, dafür aber auch sauber und be-
haglich, und um der Abwechslung willen gefiel die Stile Arwied wohl.

Klärchen, welche im ganzen Hauſe geräuſchlos wie der Geiſt der Ordnung
waltete, trug viel zu der Annehmlichkeit dieſes Hauſes bei. Ohne ſich im fort-
währenden Putzen und Waſchen zu gefallen, entdeckte doch ihr ſcharfes Auge
jedes Stäubchen, jedes Fleckchen, und die Räthin nebſt ihren Gäſten wurden
wie von unsichtbaren Händen auf das beſte bedient. Ein ſchönes Mädchen
war Klärchen nicht geworden, ihre Erſcheinung hatte nichts Blendendes, aber

. ihr freundlithes Auge beleuchtete das stille, blaſſe Gesicht, und alles, was ſie

that, ging ihr flink von der Haud. JIhr einfacher Anzug, sauber und geſchmack-

î voll paßte zu ihrer fchlanken Gestalt, und Jeit sie sich ihren ländlichen Dialekt

abgewöhnt hatte, den sie in der Dorfschule angenommen, ſprach sie rein und
angenehm, und was jie ſagte, war stets wohlgemeint und verſtändig.
Die Räthin hatte das Mädchen lieb gewonnen, dennoch gewöhnte sie es

_ nicht an Luxus. Krlärchen erhielt nur einfache Kleider, und mußte ſich den

ganzen Tag nügylich machen. Sie war damit zufrieden. Daß die Räthin
sterben, daß sie ein zweites Mal zur Waise werden könne, bedachte ſie nicht,



die Räthin war ja eine geſunde, rüſtige Frau, und die Jugend lebt mehr in
der Gegenwart, als mit Gedanken an die Zutunft.

Die Räthin dachte wohl zuweilen an den Tod, aber, ſelten, ungern. Sie

hatte bittere Jahre durchgemacht, lange Zeit in Trauer verlebt, jetßt fing Jie
an, sich ihres Daſeins, ihres ſchönen Besſitzthums zu freuen, jetzt wollte ſie nicht
terben.
! Daß Klärchen durch ihre Sorgfalt und Anhänglichkeit, ja ſchon durch
ihre Grſcheinung viel zur Erheiterung der Räthin beitrug, wußte die lettere
nicht einmal klar, dagegen ſchrieb sie es dem lebhaften Neffen zu, daß ihr
jezt der Tag ſchneller und angenehmer verging als früher. Dieſer Neffe
sollte den größten Theil ihres Vermögens erben. Der Reichthum der Räthin
rührte von ihrem Manne her, also hielt sie sich moraliſch verpflichtet, denſelben
zum größten Theile den Verwandten des Rathes zu hinterlassen. Ihr Teſta-
ment war seit Jahren gemacht, bevor sie an Klärchen gedacht hatte, doch
eU sie zu Klärchens Gunsten ein Kodicill hinzufügen, ſchob es jedoch immer
wieder auf.

Klärchen hatte sich, als die Verwandten der Räthin eintrafen, beſcheiden
in den Hintergrund gestellt. Die Majorin war eine ſtolze Frau; sſie hielt es nicht
für nöthig, von der armen Halbnichte ihrer Schwägerin, der armen Waiſe und
Tochter des herumziehenden Komödianten, anders Notis zu nehmen, als daß
sie Klärchens ehrerbietigen Gruß freundlich erwiederte, und ihre kleinen
Dienste mit höflichem Dank ruhig hinnahm. Eine Unterhaltung mit Klärchen
zu beginnen, oder mit der Räthin von des Mädchens Zukunft zu ſprechen,
hielt die Majorin für überflüssig. Arwied glich seiner Mutter in Bezug auf
Charakter, er hätte sich vielleicht für das junge Mädchen mit den ſchönen
Augen einigermaßen interesſirt wenigstens während ſeines Aufenthaltes bei
der Tante, wenn Klärchen in ſeiner Gegenwart geſprochen, oder ihn mit den
schönen Augen angeblickt hätte ; aber da sie dies nicht that, so hielt er ſie
für eine Art vornehmer Dienerin, keineswegs für sein Bäschen, und für nichts
weniger, als für ein Mädchen, dem ein junger reicher Mann mit glänzenden
Aussichten den Hof machen könne, ohne sich zu ſehr herabzulassen ; endlich war
er in eine junge Engländerin verliebt, welche er in der ſächsiſchen Schweiz
getroffen hatte. Arwied wußte, daß ſie mit Beginn des Herbſtes in Dresden
ſein würde, und dort hoffte er ſie wiederzuſehen, zu ſprechen, fich die Gunſt
ihres Vaters zu erwerben. (Fortsezung folgt).
 
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