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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0075

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Erſcheint wöchent'ich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.

J§. 19.

für Stadt





Deutschland.

* Heidelberg, 11. Febr. Die Zeitungen nationalliberaler wie
demokratischer Färbung lamentiren über das neue öſterreichiſche Mi-
niſterium , weil es keine parlamentariſchen Größen enthält von der
Sorte, die Desterreich schon halb zu todt gewirthſchaftet hat; sie er-
warteten Namen wie Giskra, Herbſt und dergl. Schönredner und
jezt treten ihnen Männer entgegen, die in Deſterreich gar keine par-
lamentariſche Vergangenheit hinter sich haben, aber gerade deßhalb
um so eher geeignet erſcheinen dürften, außerhalb der Parteien eine
die Regierrng ehrende ſelbſtſtändige Stellung einzunehmen. Je mehr
daher die Judenblätter der Hauptſtadt gegen das jetzige Cabinet vom
Leder ziehen, desto ſreundlicher wird es von den Organen der Katho-
liken beurtheilt, indem man sich von demselben eine gemäßigtere
Haltung in kirchlichen Dingen verſpricht. Die Seele desſelben wird
ohne Zweifel der Handelsminister Sch ä ffl e sein, ein Württember-
ger, früher Profeſſor der Nationalökonomie in Tübingen, dann als
ſolcher nach Wien berufen, ein Mann von hervorragenden Geiſtes-
gaben und glänzender Beredsamkeit; derselbe war auch bis zu seiner
Berufung nach Wien Mitglied des deutschen Zollparlamentes und
iſt uns aus jenen Tagen her persönlich gut befreundet. Der erste
Schritt ſchon, den das neue Ministerium that, war ſehr verſtändig,
~— es war eine Amnestie für politiſche Vergehen, insbeſondere durch
die Preſſe, eine Maßregel, die ohne Zweifel Herrn Schäffle ihre
hu ttt: 10. Febr. Die Karlsruher Zeitung berichtet
aus einem Feldpoſtbriefe eines badischen Militärarztes, daß nach den
furchtbaren Strapatten und Entbehrungen, die mit den Kämpfen un-
ſerer Soldaten bei Belfort verbunden waren, sich Erbrechen und hef-
tiger Durchfall bei der Mannſchaft eingeſtelt habe. Nun iſt es be-
kannt, daß für ſolche Fälle Chokolade ein äußerſt nützliches Mittel
iſt, das obendrein auch noch durch seiten Nahrungsstoff wie durch
ſeinen Wohlgeſchmack sich auszeichnet. Unsere Soldaten haben da-
her dringend ihr Verlangen nach Chokolade in die Heimath zu er-
kennen gegeben, aber ſie können keine erhalten bei der jetzigen Poſt-
einrichtung, über welche in den Blättern aller Parteien geklagt wird,
beſonders in der Landeszeitung, deren Klagen hierüber wir uns an-
ſchließen, ſo wenig wir auch in andern Dingen mit ihr bekanntlich
übereinstimmen.

C] Heidelberg, 10. Febr. Wie glücklich wir durch unsere
neuere Gemeindeverfaſſung geworden sind und welch’ ſcharfe Con-
trole jeßt im gemeinderäthlichen Haushalt hergeſtellt iſt, davon weiß
ſelbſt die Heidelberger Zeitung in ihrer gestrigen Nummer zu erzäh-
len. Sie beklagt sich über die große Einigkeit, die jezt auf dem

Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortsetzung.)

Er war wie wahnsinnig, ſchrie und weinte und wiederholte immer von
cg Gti ihr Mörder! Ich bin ein verworfener Mensch! Ich will

So lange die Leiche im Hauſe war, gelang es dem Arzte und Leonhard
nur auf Augenblicke den alten Heider zur Ruhe zu ſprechen; seine Gewisſens-
angst überfiel ihn immer von Neuem; er ſchlies nicht, er ging raſtlos und un-
ſtät im Hauſe umher, Allen, namentlich aber Hermine, ſcheu ausweichend. Am
Y gtslutttate war er so außer ſich, daß der Arzt ernstlich für seinen Ver-

In den nächſten Tagen war er ruhiger, aber sehr stil. Gegen Leonhard
betrug „er sich viel weniger ſchroff als sonst, beinahe demüthig und die kleine
Anna ließ er faſt nicht mehr von der Seite. Um Liſette, die sich stil in der
Küche hielt, bekümmerte er sich gar nicht.

Hermine und Leonhard fingen an, sich der frohen Hoffnung hinzugeben,
daß die Erſchütterung, die ſein Gemüth erfahren hatte, eine große Veränderung
in ihm bewirkt und ihn seinen Kindern wiedergeben habe. Sie bemühten ſich,
ihn aufzurichten und ihm durch aufmerkſame
ſie bereit waren, das Vergangene zu vergessen.
Uta t N RCT E Hutter griuker fert se Hermine zou
er das Herz Cures Vaters wieder für ur gt N t dh
ſelbſt aus dem Unglück läßt Gott oft das Glück für uns emporblühen und der
rauheſte Pfad führt oft zum lieblichſten Ziel !“

Lisette ſchien auch zu fühlen, daß ein anderer Geiſt im Hauſe herrſchte
und daß sie bei Herrn Heiders jetziger Stimmung wohl keine Hoffnung habe,
an das Ziel ihrer ehrgeizigen Wünſche zu gelangen. Sie begann von Neuen
ihr Augen auf den in der letßten Zeit ſehr von ihr vernachlässigten Heinrrich zu
werfen. Sie hielt es dech fsür besſer, ihn zu heirathen, als zeitlebens Haus-
mamſell zu bleiben, zumal es ihr bei dem jeßigen Einfluſſe Leonhard’'s und

Herminens auf Herrn Heider ſehr zweifelhaft wurde, ob sie ihre Stelle hier
im Hauſe behalten werde.





Freundlichkeit zu beweisen, daß



Dienstag den 14. Februar





Inſseraten- Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
und ClLand. Vogler & G. IL. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.

1871.





Rathhauſe herrſcht. Jn ber lezten Großausſchußsitzung verlangte

nämlich auch nicht eine Stimme irgend eine nähere Erörte-
rung über die Einzelheiten der Ausführung unserer mit ſo großen
Opfern herzuſtellenden Waſſerleitung. Alles wurde einstimmig ange-
nommen und nachdem der Bürgermeister seinen Vortrag gehalten hatte,
war es gerade als wenn ein jedes Großausſchußmitglied ein Schnür-
lein hinter sich hätte und säße Einer hinter ihm und zupfte. O! Einig-
keit, wie biſt du so stark!: Was wird aber erſt der große Ausschuß
dazu sagen, wenn er hört, daß unseren Gemeinderath die von
Berlin verschriebene „Germania“ 300 Thlr. alſo 525 fl. koſtet,
zumal wenn er hört und gesehen hat, wie ſchön sich dieſelbe beim
Lichte betrachtet ausnimmt? Mich hat ein neben mir ſtehender
Bauersmann gefragt: „Soll die da die Wacht am Rhein vor-
ſtele, die sieht nitt aus, als wann se wache däht, mar mant, die
wollt schun widder ſchlofe geh’n !“

* Heidelberg, 11. Febr. Ueber das gestrige Erdbeben sind
uns weitere Berichte zugegangen, aus denen ersichtlich iſt, daß das-
selbe einen großen Umfang hatte. So wird uns von Mannheim
geſchrieben, daß genau um dieselbe Zeit wie hier eine ſtarke Erſchüt-
terung sich bemerkbar machte, die 4–5 Secunden lang dauerte.
Unser Herr Correſpondent wollte die Richtung der Erschütterung von
Norden nach Süden wahrgenommen haben. Eine andere Mitthei-
lung meldete uns, daß in Zieg e lhauſen, Peterst hal und
Altenbach gleichfalls um die angegebene Zeit zwei Erſchütterungen
ſtattfanden, von denen die zweite ſtärker war als die erſte. Ferner
wird uns aus Di elh ei m bei Wiesloch berichtet, daß dort ein
ſtarkes, zwei Secunden dauerndes Erdbeben verſpürt wurde – es
war hier in Heidelberg weit länger andauernd —, und zwar um 5
Minuten vor 6 Uhr, was allerdings in der Zeit eine Differenz von
ca. 20 Minuten gegenüber Heidelberg und Mannheim begründen
würde. In Dielheim wurden die Schwingungen in der Richtung
von Westen nach Oſten beobachte. ~ Auch gestern Mittag um 12 Uhr
35 Minuten wollen Leute in hiesiger Stadt abermals eine, wenn
auch nur ganz leichte Erſchütterung wahrgenommen haben.

Nachſchrift, 12. Febr. Seitdem berichten die Blätter aus-
führlich über das Erdbeben und wir entnehmen aus denſelbeu
die Thatſache, daß die Erdſtöße in unſerem Land von Tauberbiſchofs-
heim bis Kenzingen geſpürt wurden, im Oberlande jedoch ſchwächer
als in der unteren Landesgegend, wo insbesondere in Heidelberg
und Mannheim die Erschütterung am ſtärkſten war. Seitdem sind
uns noch zwei weitere Berichte zugekommen, einer aus Zuzenhau-
s en, der einfach die bekannte Thatsache bestätigt, und ein ſolcher
von Oberwittſtadt und Höpfingen, wo ein heftiges und

Aber sie sowohl wie seine Kinder täuſchten sich, wenn sie glaubten, daß
bei einem Gemüthe wie Heiders ein noch so starker Cindruck von langer Dauer
ſein könne, Seine rohe, kräftige Natur sträubte ſich gegen das Gefühl der
Selbſtverachtung und der fruchtloſen Reue. Geſchehen war geschehen; er konnte
ſeine Frau nicht wieder lebendig machen. Die Bemühungen Herminens und
Leonhards hatten insofern Erfolg, daß ſie ſeine trübe Stimmung verscheuchten,
aber er war an Bildung und Geschmack ſo sehr von ihnen verſchieden, daß er
in ihrer Geselschaft bald Lisettens Unterhaltung vermißte. Zudem fühlte er
sich gedrückt in Gegenwart seiner Kinder ; ihre Trauer über den Tod der Mut-
ter war ihm ein steter Vorwurſ, er fühlte faſt die Verpflichtung, in ihrer
Gegenwart einen Schmerz zu zeigen, den er nicht mehr empfand. Bei Liſette
durfte er Späsſe machen und sprechen wie und was er wollte. Deßhalb ſuchte
er Liſette wieder auf und natürlich bemühte sich dieſe aus allen Kräften, ihn
festzuhalten, da er wieder gekommen war. Schon nach 4 Wochen flüſterten
die Dienstleute unter ſich im Hauſe, Herr Heider werde bald zum zweiten
ſtct Urz6U: Himmelfahrtstage, einem wunderſchönem Maitage. Hermine
und Leonhard waren mit der kleinen Anna in G. zur Kirche gewesen, wo sie
zugleich Herrn Spahn einen Beſuche abgeſstattet hatten, der sehr erfreut war,
ſeine ſchöne Landsmäninn wieder zu ſehen. Sie hatten das Grab der Mutter
beſucht, auf dem der Rasen zu grünen begann. Mit einem Gefühl von Trauer,
das ihr Lebensglück zu einer ſanften, feierlichen Wehmuth mäßigte, betraten
ſie das Haus wieder, wo die Verstorbene gelebt und gelitten hatte.

„I< habe ſchon mehr als einmal in der letzten Zeit gedacht, ſagte Leon-
hard leiſe, als sie auf der Hausflur standen, ob wir nicht unſer Verhältniß
dem Vater entdecken ſolten ? Er ist ſo gut und herzlich mit uns."

„Du haſt Recht, erwiederte Hermine; wennwir seine Einwilligung hätten,
ſo wäre unser Glück ganz ungetrübt. Und es kommt mir fast wie Unrecht
vor, daß wir es vor ihm geheim halten. Obgreich, ſetzte ſie ängstlich athmend
hinzu, mir doch vor dem Augenblicke bangt, wo er es erfährt.“

Wo bleibt Ihr ? rief Herrn Heiders Stimme aus der Eßſtube. Ge-
ſchwind, die Suppe wird kalt."

(Fortſezung folgt.)
 
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