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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0585

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Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienftag, Donnerſtag
und Samſtag. –~ Preis : vierteljährlich 40 kr. vhne
Trägerlohn und Peſtaufsſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.

für Stadt-

Samſstag den



Tagesb eri d< t.

~- In der württemb. Kammer beſtätigte der Minister v. Mitt-
nacht, daß im Ausſchuſſe des Bundesrathes der vom Reichstage an-
genommene Antrag Laskers, betr. die Ausdehnung der Reichsgeset--
gebung auf das geſammte Civilrecht mit 6 gegen 4 Stimmen abge-
lehnt worden ſei. Bayern, Sachsen, Württemberg und Braunſchweig
waren gegen den Antrag, Preußen war für denselben; Baden und
Lübeck sprachen sich günſtig darüber aus vorbehaltlich definitiver In-
ſtruktionen über. einige Puntte.

M In den oberöſterreichiſchen Landgemeinden sind 17 entſchie-
dene Katholiken und 2 „Verfassungsfreunde“ gewählt worden. Man
meldet vom 13. d. Bei den gestrigen Wahlen in Krain haben
ſämmtliche ultramontan-ſloveniſche Kandidaten gesiegt. Der Bürger-
meister von Stainz wurde von einem Burſchen meuchlings erſchoſſen,
welcher nach ſeiner Verhaftung als Grund angab, daß der Bürger-
meister dem Volke die Religion habe rauben wollen. Uebrigens sind
in Oesterreich seit dem Falle des Hohenwart’schen Ministeriums libe-
rale kirchenfeindliche Streber am Ruder, welche das Judenblatt N.
Fr. Preſſe zum officiöſen Hauptorgan haben und allerlei Freimau-
tzthtergus tendiren, gegen welches der energiſchſte Widerſtand orga-
niſirt wird.

— Aus Madrid vom 11. d. wird berichtet, daß bei den Ge-
meindewahlen, und zwar in 238 Provincialhauptstädten und in 43
kleinen Städten, die republikanische Partei gesiegt habe. Folgende
Sonderbarkeit verlautet weiter aus der ſpaniſchen Hauplstadt: Der
König von Spanien erklärte, sich an die Spitze der nach Cuba zu
entsendenden Expedition von 30,000 Mann ſtelen zu wollen. Man
erblickt hierin einen indirekten Vorſchlag, abzudanken. Der kuba-
niſche Aufstand, der ſchon öfters als total niedergeſchlagen gemeldet
worden, zieht ſich außerordentlich in die Länge, was vielleicht auf





auswärtige Unterſtüßung oder Verrath ſchließen läßt.

— In der franzöſiſchen Nationalverſammlung wurde am 1383.
d. der Antrag geſtellt, die Kron-Mobilien und die nicht hiſtoriſchen
Kronjuwelen zum Beſten der verwüſteten Städle Frankreichs zu ver-
äußern. Dieses führte zu den demonſtrativen Rufen der Parteien :
„Es lebe die Monarchie!“ „„Es lebe die Republik!“ Nach stürmi-
ſchen Scenen, wobei der Antrag der Linken auf Ballotage durchdrang,
demzufolge viele Stimmenthaltungen vorkamen, siegte der republika-
niſche Vorſchlag auf Commiſssions-Ueberweiſung dieſes Antrages mit
289 gegen 277 Stimmen.

~ Am 8. d. ging es in der NRationalverſsammlung ebenfalls
ſtürmiſch her, aus Anlaß der Frage wegen der Rückverlegung des
Regierungssites nach Paris, und da ein Deputirter gegen die Blut-



freſſen ihnen alles



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Zn seraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-
und Candi zus
L L es § Ninchen, Frankfurt u. Stuttgart rc.

16. December 1871.



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urtheile und die B gnadigungscommission auftrat. Auch der Regie-
rungsantrag auf Zurückgabe der Güter der Orleans erregt böüſes
Blut.

— Aus den von Jules Favre veröffentlichten Documenten
geht hervor, daß Fürst Mett ern ich gegenüber Favre die Unmög-
lichkeit einer öſterreichiſchen Intervention betonte, da Rußland von
Oesterreichs Neutralität auch die ſeinige abhängig machte. j

— Ein Telegramm aus Odeſſa vom 11. d. M. meldet : Der
ruſſiſche Geſandte in Constantinopel, Jgnatief f, wird Nachfolger
des Staatskanzlers Fürsten Gortſchakoff; der ruſſiſche Gesandte in
Wien, Novikof f, kömmt nach Conſtantinopel, und für Wien iſt
als Geſandter S tre mu k off bestimmt.

H Der Kaiser und die Kaiſerin von Brasilien hatten sich um
die Zeit der Parlamentseröffnung in Rom befunden, und sind von
dort am 10. d. nach Frankreich abgereiſt. Beide waren vom hl.
Vater empfangen worden. j

— Die Bulletins über den Krankheitszuſtand des engliſchen
Thronfolgers Prinzen von Males lauten fortgeſeßt ſehr ungünſtig.



* Heidelberg, 14. Dec. In Augsburg sland unlängst ein
Soldat vom 12. bayer. Infanterie - Regiment Namens K. Vanoni,
ſonſt Handwerksgeſelle, vor dem Militärgerichte, angeklagt wegen
ſubordinationswidrigen Benehmens gegenüber einem Landwehrofficier
und wegen frechen politiſchen Aeußerungen. Ueber dieſe Gerichts-
verhandlung brachte die „Magdeb. Ztg.“, muthmaßlich aus der Jeder
eines preußiſchen Preßagenten, einen Bericht, den andere national-
liberale Blätter nachdrucktea; insbesondere that dieſes auch die
Heidelb. Ztg. unter Ausschmückung mit eigenen Zuthaten gegen die
„Schwarzen“. :

Jener Bericht der „Magdeburger Zeitung“ sagt: Vanoni hatte
im Dec. v. Js. in einem Wirthshauſe zu Kempten mit ein paar
Kameraden politiſirt und sich in ſeiner Declamation so weit verstie-
gen, zu behaupten: „Der Napoleon hat den Krieg nicht wollen
— der König von Preußen hat ihn wollen ~ was haben wir jett
von der ganzen Geschichte? Einen deutſchen Kaiſer haben wir.
Unsere Soldaten sind dumm, daß sie ins Feuer gehen + ſchickt man
ihnen etwas in's Feld, ſo betommen ſie nichts – die Officiere
weg. – Die Kerle ſollte man ale wegſchie-
ßen. . ÿ. .“ Auf die Aeußerung ſeiner Kameraden , daß dies nicht
wahr sei, erwiederte Vanoni: „Ja, in unſerem Vereine hat man
es uns erklärt." Vanoni wurde wegen obiger frecher Aeußerung
und wegen Subordinationverlegzungen gegenüber einem ihn zur
Rede stellenden Landwehrofsizier vor die Gerichtsſchranken verwiesen.



D er R u öri ca t o r.
(Fortſetßung).



Henryot stand da wie vernichtet, mit starrem Blick, ohne ein einziges Wort
hervorzubringen, ohne eine einzige Bewegung zu machen um ſie zurückzuhalten,
voll von unſäglichem Weh.

So verweilte er noch unbeweglich und den Tod im Herzen, als ein Angſt-
schrei, den er vernahm, ihn aus ſeiner Betäubung aufrüttelte. Mit einem

_ maſchinenmäßigen auf Vetheidigung gerichteten Instinkt wandte er sich um und

WL IML stctl cs het te fi Rothe
vertheidigte. Henryot lief dem ſo gt: s tt; Urcu her ses .rÂ
bei ihm ankam, lag der Eine der Banditen bereits am Boden ,, der Andere
ergriſf die Flucht, ſobald er den neuen Gegner gewahr wurde.
MIA ASE E t ss
gewesen ; aber beeilen wir uns , dieſen Ort zu verlassen ! Vollendet Euer gu-
les Werk und erlaubt mir, mich auf Euern Arm zu stützen, bis ich meine
Wohnung erreiche, die nicht weit von hier iſt. Aber was ſucht Ihr da noch
neben[.dem Leichnam ?!

„Meine Müyhe." §

„Mein Gott, machen wir uns nur sogleich ohne weiteren Verzug davon!
Seht dorthin, es kommen da schon mehrere Perſonen. Ich will Euch tauſend
andere Mützen geben als Erſatz für diejenige, die Ihr hier verloren habt."

» Der Fremde ſtütte ſich auf Henryots Arm und beide entfernten ſich. Als
ſie eine kurze Strecke zurückgelegt hatten, kamen sie vor einer Thür an, welche
der Fremde vorsichtig öffnete und mit nicht weniger Sorgfalt wieder verſchloß.
Sie schritten nun über einen kleinen Hof und durch mehrere große Gemäther,
in denen völlige Finſterniß herrſchte. Endlich gelangten sie in ein mit reichen
Tapeten ausgeſchlagenes Zimmer und an dem hohen Kamine desselben ſaß eine
_ Dame, in deren Gesichtszügen und Körperhaltung sich hoher Rang, aber zu-

gleich auch melancholiſche Gemüthsstimmung aussprach. '

Als ſie des bleichen, ermatteten und mit Blut bedeckten Fremden ansichtig



wurde, stieß sie einen lauten Schrei aus und eilte mit den unzweideutigsten
Zeichen von Zärtlichkeit und Verzweiflung auf ihn zu.

„Es hat nichts zu ſagen, Jſabella; meine Wunde iſt nicht gefährlich,“
ſprach der Begleiter Henryot's auf engliſch.

hEbm is, Edmund , welcher Elende hat einen
gewagt ?"

nEuer
ner seines Hauſes. Zwei Männer, welche seine Livree trugen, haben mich un-
verſehens überfallen, Der Cine hat mit meinem Dolche Bekanntſchaft gemacht,
der Andere ergriff die Flucht, als dieſer junge Mann mir zu Hilfe kam."

Die Dame warf auf Henryot einen bewegten Blick, der eine lebhafte Dank-
barkeit ausdrückte. ;

„Die Gefahr, der ich ſoeben entging,“ fuhr der Fremde, immer in engliſcher
Sprache, fort, „ist nicht die einzige, welche uns jetzt bedroht. Ersſchreckt durch
die Drohungen und gewonnen durch das Gold unseres Todfeindes, des Mini-
sters Hugh Spencer, hat Cuer Bruder Karl der Schöne ſoeben einen Vetrag
unterzeichnet, nach welchem er Euch ſchon morgen der Rache Eduard's II. aus-
liefern will. Ihr wißt, welches ſchreckliche Loos der rachſüchtige König von
England Euch, seiner Gattin, bereiten wird, als Rache dafür, daß Ihr ihn
verlaſſen habt. Was mich ſelbſt betrifft, ſo wird dieſe Wunde Euch darüber
belehren, daß es nicht in ihrem Plane liegt, mich mit Guch zuſammen nach
England zu bringen, und daß ſie große Eile haben meine Graſſchaft Kent als
Erbſchaft anzntreten."

„Und wie sollen jwir einer
die Dame. §:3

„Es gibt nur einen Ausweg und auch der ist zugleich sehr gewagt; wir
müssen noch in dieſer Nacht fliehen und Flandern zu erreichen ſuchen. Mein

Angriff auf Euer Leben

Bruder, der König von Frankreich, oder wenigstens bewaffnete Die-

solchen ſchrecklichen Gefahr entgehen ? fragte

treuer Harrys wartet meiner in einiger Entfernung von Paris mit etwa fünf-
zehn bis zwanzig Bewaffneten, alle uns treu ergebne Engländer wie er ſelbſt.
Er hat ſeine Vorbereitungen getroffen ; sobald es uns gelingt, mit ihnen zu-
sammenzutreffen, sind wir gerettet ; wir können dann ohne Jurcht den Hof des
Grafen von Hennegau erreichen, wo Wohlwollen, Hilfe und Schutz unſer warten."

(Fortsetzung folgt.) x
 
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