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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0553

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Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienſtag, Donnerſtag
und Samftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn nnd Poſtaufſchlag. JInſ.-Geb. 82 kr. d. B.

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Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

D D tionen von Rud. Mosse, Haasenstsin&
11!n san e. Y gs; & C. L. Daube & Ties. in

D nchen, Frankfurt u. Stuttgart rc.



Fl¿. 139.









Bestellungen auf den Pfälzer Boten für den Monat Jecem-
ber, Preis 14 kr., werden angenommen von allen großh. Poſtanſtal-
en und Landpoſtboten.

DT a g e s b e r i < t.

_ Das neue öſtterreichiſche Ministerium ist folgendermaßen ge-
bildet: Fürst Adolph Auersperg, Präsident; Laſſer, Jnneres ; De-
pretis, Handel; Banhans, Ackerbau; Chlumetzkky, Landesvertheidigung;
Glaser, Juſtiz ; Stremayr, Cultus.

Ein Staatsmann von der Begabung des Grafen Hohenwart
befindet sich in diesem Ministerium nicht; dessen Lebensdauer wird
nur eine kurze ſein können.

In PRrag haben am 2l1. d. in einer Conferenz die Föderaliſten
ihren Feldzugsplan berathen.

Das „,fklerikale“ Miniſterium in Belgen iſt dem Freimaurer-
liberalismus ein gewaltiger Dorn im Auge. Nachdem derselbe in
anderen Ländern von Triumph zu Triumph zu ſchreiten in der Lage
iſt, soll nun auch die oberſte Gewalt in Belgien zurückerobert wer-
den und zwar unter Mithilfe des Straßen-Aufruhrs wie anno 1857.
Den Anlaß zu dem Sturm nahm die Freimaurerpartei her von der
Ernennung des Hrn. de Decker zum Gouvernener der Provinz Lim-
burg, und zwar weil de Decker in die Langrand’ſche Finanz-Affaire
verwickelt war. Der Juſtizminiſter des früheren Freimaurerminiſte-
riums, Bara, führte den Angriff in der Deputirten-Kammer mit
einer Interpellation, worüber eine lebhafte Debatte entbrannte. Es
war das in den Sitzungen vom 22. und 23., während man zugleich
Volksmassen gegen das Ständehaus und die Miinſterhotels dirigirte,
welche Tumult machen und die Entlaſſung des Ministeriums ver-
langen mußten. Die Volkshaufen wurden mit leichter Mühe zer-
ſtreut, und in der Kammer wurde am 23. der Angriff zurückgeschla-
gen. Es beſchloß nämlich die Kammer mit 64 gegeu 46 Stimmen
den Schluß der Debatte und verwarf mit 66 gegen 44 Stimmen

eine motivirte Tagesordnung, durch welche das Haus sein Bedauern
über die Ernennung de Deckers aussprechen ſollle. Der parlamen-
tariſche Sieg des kath. Ministeriums über die freimaureriſche Oppo-
ſitionspartei war somit ein entſchiedener. Gleichwohl werden die
Anstrengungen in gesteigerter Weiſe fortgesetzt. Ein Brüſseler Tele-

gramm vom 24. meldet der Frkf. Z1g. : „Jn einer ſtürmiſchen Sitzung
der Kammer forderte Bara das Ministerium mit Entschiedenheit auf,
der Ehre des Landes halber seine Demiſſion zu geben. Das Mini-
ſterium weigerte sich. Die Aufregung im Volke dauert fort.“

~ Man hat die Kammersitungen bis zum 28. vertagt, und
gegen die Ruheſtörer die Bürgergarde in Funktion gesetzt, auch die





Bierzigtauſend Thaler.

; (Fortsetzung.

Dennoch äußerten weder die Majorin “ss ihr Sohn das leiſeſte Wort
von Verdacht gegen Klärchen ; auch die Dienerſchaft, sonst leicht geneigt zu
voreiligen Schlüſſen, und noch immer dem Fräulein Hellmann nicht zugethan,
wagte keine Bemerkung. Der alte Lorenz behauptete ſogar, man müsse noch
einmal ſuchen im Beisein eines Schreiners, vielleicht exiſtirten im Schreibtiſch
oder im Wandſchrank verborgene Fächer. Allein auch diese, auf das genaueste
vo Ulzogenen Nachſuchungen führten zu keinem Resultate, die vierzigtauſend Thlr.
blieben verſchwunden. ?

Die Majorin hatte niemals geglaubt, daß ihre Schwägerin vor ihr sterben
würde, ſie war reich genug, um den Verluſt verſchmerzen zu können ; aush Ar-

wied äußerte wenig Worte darüber. Desto mehr wurde aber in dem Städtchen

von der großen Summe geſprochen, welche auf so unerklärliche Weiſe abhanden
) gekommen war, und endlich blieb, wie ein dunkler Fleck auf einem weißen

) Gewande, ein Verdacht auf dem bis zum Tode der Räthin ganz unbescholtenen |
] ; | jedes von ihnen wollte mit dem kleinen Kapital etwas anfangen, ſelbſtändig

| der Schnelligkeit. Zuerſt ſprach man nur davon, daß sich die Staatspapiere

F! 4t he ſich anfangs langsam, aber dann lawinenartig mit raſen-

: nicht geſunden hätten, später redete man darüber, daß Klärchen zulegt im
, Sthlafgemach bei der Verſtorbenen gewesen sei, daß ſie die Thüren abgeschlossen
habe, daß Doktor Waldau, als er in das Sterbezimmer getreten sei, den Schlüs-
ſel am offenen Wandſchranke entdeckt habe. Niemand anders, als das arme
Mädchen konnte das Kapital entwendet haben. Der Superintendet setzte solchen
Bemerkungen noch den Spruch bei : „Richtet nicht, ſo werdet Ihr nicht gerichtet.
, Das Mädchen hat bei ihrer Mutter, der Frau des armen Komödianten, keine
b chriſtliche Erziehung erhalten." Später erzählte er dem Doktor Waldau, daß
i die Räthin ihm vertraut habe, ſie wolle ein neues Teſtament machen und
~ Klärchen darin mit einigen tauſend Thalern bedenken, habe aber dieſe Handlung

;
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:
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it ftets aufgeſchoben." Vielleicht habe bie Räthin in den lezten Stunden dem

L Mädchen geheißen, ſich eine Summe aus. dem Wandschranke zu nehmen und
d das Mädchen habe, mit oder ohne Abſicht, zu viel genommen und - schäme ſich
j jeut das Geſtändriſses.“ § G x mo, name; zu

Dienstag den 28. November

1871.



Garnison verſtärkt. ach den neueſten Nachrichten sind die Zuſam-
menrottungen schwächer geworden, und soll die Entlaſſung de Deckers,
alſo ein Zurückweichen des Ministeriums, zu erwarten sein.

~ Dem elſäſſiſchen Clerus ist auf seine Vorſtelung an den
Kaiser, welche vor etwas über 2 Monaten eingereicht wurde, noch
kein Bescheid zugekommen. Nach der Rückäuſſerung Sr. Majestät
auf die Adreſſe der preußiſchen Biſchöfe, welche in den katholischen
Kreisen des deutſchen Reiches mit Befremdung vernommen ward, iſt
die Spannung keine geringe, mit welcher der Verbescheidung des
Gesammt-Clerus auf desſen vorgetragene Beſchwerden entgegengeſehen
wird. Jn der dritten Novemberwoche kehrte der Oberpräsident des
Elſaß, von Möller, aus Berlin nach Straßburg zurück. Vielleicht
hat derselbe neue Instruktionen in Empfang genommen und iſt er
der Ueberbringer der kaiſerlichen Entſchließung an die kath. Geiſtlich-
keit im Elsaß.

~ Wir hatten gemeint, der jammervolle Zuſtand im Elsaß
würde Veranlaſſung geben zu einer Interpellation im Reichstage.
Daß die Centrumsfraction es unterlassen hat, den leidenden elsäſſiſchen
Brüdern in dieſem Wege ihre moraliſche Unterſtütung zu widmen,
ſpricht für den hoben Grad von Zurückhaltung, den die Vertreter
des kathol. Volkes im deutſchen Reichstage sich auferlegt haben, um
ja jeden Anlaß zu stürmischen, leidenschaftlichen Scenen, wie sie in
der erſten Session des Reichstages da waren, zu vermeiden. Die
liberalen Fractionen des Reichstages hingegen wollten die Session
nicht vorübergehen laſſen, ohne das Hohenlohe'’ſche Wort von den
heftigen Kämpfen wahr, d. h. Skandal zu machen. Sie brachten
das mehrerwähnte Ausnahmegeseß auf das Tapet, worüber unten
an anderer Stelle Bericht folgt. Von katholiſcher Seite wurde un-
mittelbar nach der Neubegründung von Kaiser und Reich das frohe
Wort ausgeſprochen: „Wir wollen uns im neuen Reiche wohnlich
einrichten." ~ Mit solchem schönen Vertrauen sah man in kathol.
Kreiſen die preußiſche Spitze dem neuen Reichsgebäude aufseßzen. –
Wohnlich darin einrichten wollte man sich, als vollbürtiges Fami-
lienglied ~ aber nicht einmal als Hausgenosſen will uns der herr-
ſchende Liberalismus dulden. Nach dem Maßſtabe des anfänglichen
Vertrauens läßt sich nun auch die Größe der Enttäuſchung bemessen.

~ Der Papſt hat für neunzehn Diöcesen, wovon vierzehn in Fta-
lien gelegen, Biſchöfe ernannt. Eine Allocution hat der h. Vater bei
dieſer Gelegenheit nicht gehalten und auch der Mission des Msgr.
Franchi in Constantinopel nur mit wenigen Worten gedacht.

Der Nationalrath der Schweizer Bundesverſammlung ver-
warf mit 64 gegen 42 Stimmen den Antrag auf Einführung einer



Tabakssteuer.

Es kam endlich dahin, daß Klärchen von der Majorin und später von
dem Rechtsanwalte beſragt wurde, ob ſie die Staatspapiere aus dem Schranke
genommen habe und als sie dies entschieden verneinte bestand der Rechtsan-
walt auf Durchſuchung ihres Himmers. „Du ſsiehſt, wir wollen Dich schonen,
ſonſt würde die Polizei beauftragt, bei Dir nachzusehen,“ ſchloß der Rechts-
anwalt seine Rede. j

nI< will Ihnen kein Hinderniß in den Weg legen,“ sagte das Mädchen
mit bebendem Munde, „folgen Sie mir, oder gehen Sie voran und öffnen
Sie in meiner Gegenwart alle meine Kasten. Ich habe seit dem Tode meiner
Tante das Haus noch nicht verlassen, ich kenne Niemanden in der ganzen Stadt,
bei dem ich = falls ich geſtohlen ~ meinen Raub zu verbergen gewußt hätte.
Mein Leben, nur der guten, verehrten Frau gewidmet, sollte Zeugniß für mich j
ablegen, aber ~"“ und ſie brach in heftiges Schluchzen aus,

„Wir glauben Dir, wir wollen nicht ſuchen,“ sagte die Majorin, allein
Klärchen bestand jetzt ſelbſt darauf und die Nachſuchung mußte vollzogen werden.

Natürlich fand sich nichts und die Erben der Räthin erklärten, daß ſsie
die ganze Sache ruhen lassen wollten.

Die Legate wurden ausgezahlt, die alten Diener verließen das Haus,

zu werden. Die Majorin erbot sich vor der Hand Klärchen bei sich zu behalten
und ihr später ein kleines Vermögen abzutreten. Arwied Waldau hatte das
gebilligt und war zugegen, als seine Mutter der Waise dieſen Vorschlag
machte. ; ;

îKlärchen hörte die Rede der Majorin mit bescheidener Haltung an, doch
als dieſe ſchwieg, trat das Mädchen einen Schritt zurück und sagte lebhaft:
„Nein, nein Frau Majorin, ich bleibe nicht hier. Hätten Sie vor zwei Wochen
mir dieſes Anerbieten gemacht, ich würde es mit inniger Dankbarkeit ange-
nommen haben, aber jetßt, nachdem Sie, wenn auch nur auf kurze Zeit, mich
einer gemeinen Handlung fähig halten konnten, jett werde, kann ich Ihre Güte
nicht mehr annehmen. Ich habe ſchon die nöthigen Schritte gethan für mein
ferneres Fortkommen, an Freunde meiner Mutter geschrieben und kann jetzt
jeden Tag Antwort erwarten. Ich will weder in dem Hauſe bleiben, wo ich

| überall die Selige ſchmerzlich vermisse, noch in der Stadt, wo man mich mit



mißtrauiſchen Blicken betrachtet und hinter meinem Rücken flüstert.“
; ; (Fortſetz ung folgt.)
 
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