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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0207

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Erscheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. + Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2kr. d. Z.

Fi. 52.. .

| Für
reiche Bestellungen unseres Blattes zum Preiſe von 28 kr., welche
von allen Poſtanstalten und Landpoſtboten augenommen werden.
1:3 ; itzt : Die Redaction des Pfälzer Boten.



An die Wähler des 8. Wahlkreiſes.

Durch den in Folge Erkrankung veranlaßten Austritt des Reichs-
tagsabgeordneten Lindau iſt. im achten Wahlkreiſe eine Neuwahl
nothwendig geworden. Dieselbe iſt bereits auf den 12. Mai ange-
ordnet. Ueberzeugt, daß die katholiſchen Wähler dieſes Wahlkreiſes
nur einem Manne die Stimme geben werden, der mit der Liebe
zum Vaterlande auch ein Herz für die JIniereſſen des Volkes, für
das Recht des kathol. Glaubens vereint, schlagen wir Euch als
Reichstagsabgeordneten ven. f z.. rt
den Kreis- und Landtagsabgeordneten Dekan Lender
: z " Q.2 dcn. Squwarzach. : j

Desſen bisherige Thätigkeit auf der Kreisverſammluug zu Ba-
den und in der zweiten Kammer iſt Euch Bürge dafür, daß Ihr in
ihm vor Allem einen Vertreter des Volkes wählet. Vereiniget
auf den Vorgeschlagenen Eure Stimmen, lasſet Euch durcz keinen
andern Vorſchlag irre machen! Die Wagzl ist frei und geheim.
Kein Beanter oder Angestellter hat das Recht, mitieist seiner Stel-
lung Eure Wahl zu beeinfluſſen. Seid unerſchrocken, laſſet Euch
durch lein Hinderniß von der Betheiligung an der Wahl abhalten.
Euer Gewiſſen, Eure Ehre, und Euer Intereſſe fordern die Wahl
eines kath. Volksmannes. qu. Ns hs

_ Das Centralcomite der kath. Volkspartei. '
* Die Geächteten in der Pfalz.

Nationalliberales Spektakel: und Lügenſtück.

Selten hat eine Nachricht größeres Auſſehen erregt als die Mit-
theilung nationaliiberaler Blätter, die Franzoſen hätten eine Liſte
gehabt, auf welcher Namen und Wohnort ven ca. 800 angeſehenen
Bewohnern der bayeriſcheu Pfalz enthalten gewesen ſeicn, die jofort
beim Einmarſch des französiſchen Heeres in die Rheinpfalz hätten
ergriffen und ihrer Gesinnung wegen nach einer franzöſiſchen Ver-
brechercolonie in Afrika geſchleppt werden sollen. Um dieſe Mitthei-
lung aber über allen Zweifel zur lauterſten Wahrheit zu ſlempeln,
wurde ausdrücklich hervorgehoben, ein bayeriſcher Miniſter habe einem
pfälziſchen Landtagsabgeordnueten, als dieser sich in München von ihn
verabſchiedete, die Proscriptionsliſte ſelbſt gezeigt und der Herr Ab-
geordnete habe aus derselben ſelbſt ersehen, daß sein eigener Name
darauf geſtanden habe. Wer hätte jetzt noch einen Zweifel haben
können an der vollen Wahrheit dieſer glücklich überſtandenen Gefahr!
Aber vollends welche Dankſagungen entſtröinten nicht den Lippen
der Geretteten, ~ gerichtet an die Adreſſe unserer tapferen Helden-
Krieger, gerichtet an die patriotiſche Haltung nnſcrer deutſchen Für-
ſten, gerichtet ſogar an die halb verschollene Adresſe unseres Herr-
gottes! Das war ja noch gräßlicher als jene entſeglichen Halsab-
ſchneidereien des Jahres 1866, ~+ und es war klar, daß hier aber-
mals eine giftige, ſchwarnze Natternbrut, die man nicht näher bezeich-
nen d. h. direkt nennen wollte, die aber Jedermann hinlänglich kannte,
bei dem entſeglichen Complotte thätig war, ja , diese Liſte für den
Jeind des Vaterlandes ſelbſt verfertigt hatte! „So haben wir alſo
die Verräther im eigenen Hauſe !“ ries der Pfälzer Curier, das Blatt
jenes im Jahre 1849 bei uns in Baden berüchtigten Schulmeijters
Stay aus, der aber jezt eine Regierungsſtüte in Bayern geworden
iſt. „Darum ſollten alle Parteien, die sich sicher und frei wiſsen,
durch ihre Reichs - und Landtagsdeputirten all ihren Einfluß dahin
geltend machen, daß die Liſte veröffentlicht und die Verräther endlich
aus ihren finsteren Löchern an's Tageslicht gezogen würden.“

_ Aber o Jammer! gerade das Pochen auf nähere Aufklärung,
die Haſt und Gier, den schwarzen Verräthern auf die Spur zu kom-
men, die ſolch' ieufliſche Dinge geplaut, sollte zu einer ſchmählichen
Niederlage moraliſcher Art für die Verfaſſer der nationalliberalen
Mährchen für das deutſche Volk führen, die unsere Preſſe nicht ver-
tuſchen darf, sondern die man allerwärts gehörig ausbeuten ſolle.
Denn was geſchah ? . ! s Y U

î Die bayeriſche Presse aller Parteien bemächtigte sich sofort die-
ſer Sache und verlangte stets eindringlicher Aufklärung. Dcr betr.
Miniſsſler war der des Krieges, wie man erfuhr, und der betr. Abge-





für Stadt Ü
.. Donnerstag n 4.

die Monate Mai und Juri bitten wir um recht zahl-





lh); ss:
. § > s '

Inferaten- Inhalt der Annoncen-Expedi-

2 itz und Land.'s: von Rud. Mosse, Haasenstein&

Vogler & G. L. Daube & Cie. in:
München, Frankfurt u. Stuttgart e.

u487 1:



Sprache, Herr Tillmann, hieß es von allen Seiten, aber Herr Till-
mann wollte lange nicht dieser Aufforderung nachkommen, er schien
faſt aus lauter Friedensliebe auf den fetten Fang verzichten zu wol-
len, nach welchem die denunciationswüthigen nationalliberale.: Zei-
tungsschreiber ſchon wie hungerige Wölfe den nunersättlichen Rachen
aufiperrten. . Endlich, endlich, gedrängt von ailen Seiten erklärt Herr

Tillmann, er sei einmal in München mit einem Freund und Colle-

gen spazieren gegangen, da sei ihm ein „Straßburger Handelsmann“
begegnet [den Namen des Schmuels nennt er nicht !], von dem habe
er erfahren, daß in Straßburg ein Verzeichniß von mehreren Hun-
dert bekannten Pfälzer Familiennamen, wie die der Abgeordneten,

Landräthe, Gemeindevorstände, der deutſch-nationalen Richtung ange-
| hörend, von den deutschen Truppen aufgefunden worden wäre, von
| denen man annahm, daß solche als Geißeln bezeichnet gewesen seien,

~~ mit dem Zusatz, dieſe Liſto müſſe sicher, als Bayern am meisten
intereſſirend, im bayerischen Kriegsminiſteriuum zu finden sein; „eine
Ansicht, die sich von ſelbſt rechtfertigt, ſowie auch diejenige, daß, wo
einmal von Geißeln die Rede iſt, man bei dem bekannten Napoleo-
niſchen Syſtem auch an Lambeſſa nnd Cayenne denken darf. Die-
sen Gedanken habe ich auf dem Caſino in Edenkoben bei Beſprechung
der Liſte, ſowie überhaupt bei Beſprechung der vielen Gefahren,
denen wir ſo glücklich entgangen, einigemal Ausdruck gegeben.“

So der sehr ehrenwerthe Abgeordnete Herr Tillmann ; bleibt

noch die Frage übrig, warum er nicht protestirt dagegen, daß er
selbſt, wie man vermuthen könnte, der Verbreiter jener erlogenen
Erzählung sei, wornach der Kriegsminiſter ihm die famose Liſte ge-
zeigt habe, auf welcher sogar sein eigener Name zu leſen sei. Daß
al!ſo alles was die Prosſcriptionslisie betrifft, ſchmählich verlogen

iſt, wiſſen wir nun, aber Tillmann muß sich noch deutlicher über
seine eigene dabei schwer gravirte Person rechtfertigen: Herr Till-

maun muß, wenn ihm etwas an ſeiner eigenen Ehre liegt, rundweg

erklären, ob er gelogen yat, oder ob Andere aus seiner Erzählung

von dem „Handelsmann“ die Lüge zurecht geſchmiedet haben. So

lange der ehrenwerihe Herr Tillmann hierüber teinen näheren Auf-
ſchluß ertheilt, wird alle Welt annehmen müssen, daß er ſelbſt die
Lüge verbreitet hat. Mit Recht bemerkt die Pfälzer Zeitung hierüber :
„Aus dem Kriegsminister iſt unter der Hand ein Commis-Voyageur,
zu Deutjch : ein Handelsmann geworden und der Minister, Lambeſsa,
Cayenne und Anderes sind, wie die Erklärung, der man in jedem
Worte die Verlegenheit ansieht, mit holder Naivität eingeſteht, ledig-
lich Produkte der allzu lebhaften Phantasie des Herrn Tillmann
oder, wenn man will, Pinselſtriche von deſſen Hand zur Vollendung
eines Schauergemäldes , welches den Ruhm und die Tujzendhaftig-
keit der Nationalliberalen und die Schande und Verworfenheit der
gegneriſchen Parteien zur Anſchauung bringen sollte.“ Zum Ueber-
fluſſe aber veröffentlicht auch noch die Frankfurter Zeitung die Ant-
wort des bayeriſchen Staaisminiſters v. Lu z an einen Reichstags-
abgeordueten in Berlin, welcher um Aufklärung über die Proſcrip-
tionsliſte angefragt hatte. „Jhrem Wunſche gemäß“, ſchreibt der
Miniſter, „habe ich mich darüber erkundigt, ob in der That ein baye-
riſcher Miniſter zu irgend Jemanden von einer Proſcriptionsliste
geſprochen hat. Ich bin in der Lage, Ihnen mit aller Bestimmt-
heit mittheilen zu können, daß das nicht der Fall iſt.“



Die Pfarrverwesers - Verhältnisse.*)

Z\._ Aus dem Hinterland. ]
läßt auf meinen Art. in Nr. 45 des Boten sich in einem Leitartikel
in Nr. 50 über Pfarrverwejersverhältniſſe hören. Wir sind in der
Lage, diesem Artikel widerſprechen zu müſſen. Der Art. in Nr. 45
war, was ich hier zuerſt bemerken wil, gar nicht „erregt“ geschrie-
ben, sondern er ward in ganz heiterer Stimmung abgefaßi, wie

Ein Correſpondent aus Bruchſal





*) Wünſchenswerth wäre es, wenn die Discussion über dieſe Frage jett
bald zu Ende gienge. Der beſte Weg zur Ordnung dieſer „Verhältnisse“, deren
Mißstände wir keineswegs verkennen, wäre der, daß die Interessenten , wie ein
Correipondent unseres Blattes vorgeſchlagen hat, eine gemeinſame Bitte in ent-

ſprechender Form maßgebenden Ortes einreichen würden; die Polemik aber führt

nicht zum Ziel. Indessen haben wir pro und contra die meiſten Cinſendungen
aufgenommen, da wir es für besser hirltcn, daß dieſe Frage in unſerer eigenen
Pt bstst würde, statt daß die gegneriſche Preſſe ſich derselben bemägtigt.
 
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