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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0139

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und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. B.

„ls. 35.

für : stadt





F >





Deutſcl aud.
* Heidelberg , 22. März. Wenn man die neuesten Schil-
derungen aus Frankreich lieſt, ſo wird man von aufrichtigem Mit-
leid erfüllt über die namenlos unglücklichen Zuſtände, die jetzt dort
ſich anbahnen. Kaum iſt der äußere Krieg beendet, während die
deutſchen Ttuppen noch das Land besetzt halten und die ungeheuren
Kriegskoſten erſt aufgetrieben werden müsſſen, da steht ſchon eine
verbrecheriſche, nichtswürdige Bande gegen die von redlichem Willen
beſeelte neue Regierung auf und bemächtigt sich mit Hülfe des ebenſo
zahlloſen wie zuchtloſen Gesindels der pariſer Vorstädle der Dinge
in der Hauptstadt. Bereits iſt Blut gefloſſen und zwei Generäle
hat man auf's Schmählichſte gemordet. Wehe wenn die Gräuel
der socialen Republik über Paris und damit über Fran.reich kom-
men! Es ist der offene Bürgerkrieg, dem Frankreich zu verfallen
droht, und die Folge davon könnte leicht sein, daß wenn die extrem-
ſten Köpfe am Ruder sind, auch der eben erst abgiſchloſſene Friede
wieder in die Brüche geht. Am ſchlimmſten sind unter ſolchen Um-
ſtänden die ansgewieſenen Deutſchen daran, die in Frankreich noch
Hab und Geſchäft haben und unter den jetzigen Verhältnissen un-
möglich dorthin zurückkehren könren. Man bedenke, wie sie erſt von
den wildeſten Rothen behandelt würden, wenn ſchon ein ſonſt so
ſuperfeines, im doctrinärſten Profeſſorenstyl geſchriebenes Blatt wie
das Journal des Debats geradezu erklärt, man müsse die Deut-
ſchen allenthalben mo r ali \ſ ch aus aller Geſsellſchaft und allem
Verkehr ausſchließen !

* Heidelberg, 21. März. Die Kraichgauer Ztg. bringt einen
Artikel aus Karlsruhe über die neuerlichen Versezungen von Ober-
amtmännern, der sich zu unſerer nicht geringen Erheiterung höchlich
dagegen verwahrt, als ob dieſe Versetzungen mit den Reichstagswah-
len im Zuſammenhang ständen, vielmehr „aus beſter Quelle” ~ Herr
Staatsminiſter Jolly iſt übrigens abwesend, ~ gehört haben mill,
„Daß alle dieſe Verſezungen ichon berathen und feſtgeſtellt waren,
bevor der Krieg ausbrach.“ Die Kraichgauec Zeitung glaubt diese
Mittheilung bringen zu müssen, da von mancher Seite die Verſetzun-
gen anders dargeſtelltt würden d. h. als im Zuſammenhang mit den
Wahlen ſtehend. Uns kommt es vor, als ob die Kraichgauer Ztg.
ordentlich Gerüchte hervorrufen wolle, von denen wir bis jett gar
nichts gehört oder gelesen haben, um sie als Windmühlenfechterin
zu bekämpfen. Der officiöſe Anſtrich steht dabei nicht übel und wir
freuen uns, daß ein so ächtes Provincialblatt zu derartigen amtlichen
Abläugnungen benützt wird, da die blos festjubelnde Karlsruher Ztg.
längst selbſt dieses Geschäft an den Nagel gehängt hat. –~ Aber
was doch nicht alles „v orhe r“ ſchon paſſirt, was man im gewöhn-

Donnerſtag den 28. März





Inseraten- Inhalt der Annoncen-Expedi-
tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
Vogeler & G. D. Daube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.

EEE U

lichen Leben dem Anſcheine nach als „nachher geschehen“ annehmen
sollte! Eben erſt haben wir unseren Leſern ein solches Beiſpiel von
den Amtmannsversetzungen aufgetiſcht, da leſen wir auch ſchon in
der Heidelberger Ztg., der Pfälzer Bote ſei ganz auf dem Holzwege,
wenn er meine, der Dr. Herth ſei nicht ſchon „vorher“ angegangen
worden, die Candidatur in Heidelberg anzunehmen, allein er habe
das ſichere Heidelberg ausgeschlagen, um eine unsichere Odenwald-
fahrt –+ mit oder ohne das bekannte Coſtüm der „Tauber“ ~ zu
riskiren. Ei der Tauſend! Gleich von Anfang an las man nur
und ganz aus ſchließlich den Namen „.Kiefer“ als Candidat
für Heidelderg, von Dr. Herth war keine Rede, an ihn dachte
auch kein Me ns <. Hätte man dem hisherigen Vertreter ein
Mandat abermals angeboten und dieſer es abgelehnt , ſo hätte man
dies auch der Welt mitgetheilt und nicht erst gewartet bis zur zwei-
ten Wahl. Unsinn ist es aber obendrein, in die Welt hinauszuſchrei-
ben, Dr. Herth habe die Wahl in Heidelberg, wo seine Parteige-
noſſen ihn sicher durchgebracht hätten, ansgeſchlagen, um einer un-
vermeidlichen Niederlage in einem anderen Bezirke sich auszuſeten!
Für so dumm wird man doch keinen Menſchen halten, daß er solches
Zeug glauben ſollte. w ! I

* Heidelberg, 19. März. Gestern ſtarb dahier der berühmte
Literahisſtoriker Hoſrath Gervinus, längere Zeit eine bedeutende
Lehrkraft unſerer Universität. Jin politiſchen Leben gehörte er längere
Zeit der sog. „gothaiſchen“ Richtung an, in den letzten Jahren be-
kannte er sich aber zur demokratiſchen Fahne. y

Ch. Vom Neckar. Gewisse Leute verſtehen es meisterhaft, auch
nach erfolgtem Friedensſchluß waidlich und in einer Leier in ſalbungs-
vollem Ton über die franzöſiſche Sittenverderbniß loszuſchlagen in
der frommen Absicht, ~ da ja Frankreich größtentheils ein katho-
liſches oder romanisches Land iſt ~ der kathol. Kirche einen „Puff
zu verſeßen. Nicht blos in den Familiencirkeln und Bierkneipen,
ſondern fogar auf der Kanzel, wicd das Unglück Frankreichs im
gegenwärtigen Krieg den dort herrſchenden ſchlimmen Sitten aus-
ſchließlich zugeschrieben. Wir wollen die galliſche Corruption, wo
ſie ſich findet, durchaus nicht entschuldigen, glauben aber daran
erinnern zu müſſen, daß auch in Deutſchland und besonders in Baden
nicht Alles Gold iſt was glänzt. Berlin, die Haupt- und Intelligenz-
stadt Deutſchlands, iſt für jeden Volksliberalen im gegenwärtigen
Augenblick jedenfalls der untrügliche Barometer, nach dem er Alles
abwägt. Und wie sieht es dorten in moraliſcher Beziehung aus ?
Wir erinnern nicht an die Scandale, die daſelbſt bei der Humbolds-
feier und Knackaffaire aufgeführt worden ſind, ſondern wollen nur
etwas mehr Alltägliches, Näherliegendes berühren. Der Kirchenbe-



Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortsetzung.)

In Herminens Auge wechſelten Unruhe und dankbare Rührung; sie be-
griff den Mann nicht, der noch vor wenigen Stunden ſo ernſt und geschäfts-
mäßig vor ihr gestanden hatte und jettt wie ein liebevoller Freund mit ihr

rach.
p Uu ſind sehr gütig gegen rin armes, verlaſſenes Mädchen, ſagte ſie
ängstlich, aber ſehr innig. Ach, ſetßte sie mit hervorſtürzenden Thräner. hinzu,
von Glück kann doch niemals mehr die Rede ſein.!"

Hilmer war durch ihre einfachen Worte ſo erſchüttert, daß er einige Au-
genblicke nicht sprechen konnte. Noch nie hatte ein Mädchen einen ſolchen Eir-
druck auf ihn gemacht. Wenn er ſeinem auſgeregten Gefühle gefolgt wäre,
ſo hätte er das liebliche unglückliche Kind in seine Arme gezogen und ihr ge-
sagt, daß er ihr Freund und Beſchütßer für das Leben ſein , daß er Alles
aufbieten wolle, sie glücklich zu machen.

„Sie haben Schreckliches erduldet, sagte er nach einer Pauſe sich sam-
melnd; aber Sie ſind ſo jung, Sie werden mit der Zeit vergeſſen. Nur noch
wenige Tage, dann sind Sie frei, denn der wirkliche Thäter iſt entdeckt . .'

K gEythect % wicderholte Hermine todtenbleich. „Nein, nein! das ist un-
sten war ſo sichtlich, daß ihr Schrecken kein sreudiger war, daß Hilmer
U U48 vegette weßhalb sie bis jett noch gar nichts zu ihrer Vertheidi-
fü u sartriq ſugte er ſGmeu, Ihr Evetmuth ift anbetungswirdig,
ts t t Yhre pfer nicht, weil er im Stande iſt, es anzu-
j Zit zhr entſett von ihrem Sitze empor. „Bei Ihnen ? Wer?“ ſtammelte
hr s „Leonhard Heider."

„Leonhard ? ! Wann ?“ |

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t. r Ft U U u MU tippra vit ve,



wegen. Dann drückte ſie beide Hände vor's Geſicht und brach in conpulſivi-
ſches Schluchzen aus. qu
Fräulein Hartwig !“ rief Hilmer erſchrocken.

"Er iſt hier," sagte ſie halb bewußtlos. „Nun iſt Alles verloren.

Hermine hatte geglaubt, Leonhard ſei längſt in Sicherheit. Was ſollte
nun werden, da er hier war ! Jetzt konnie ſie ſich nicht vertheidigen vor dem
Schwurgericht ohne das Urtheil auf ihn herabzurufen. Und weßhalb war er
zurückgekommen ? Um Sie zu retten? Um Sie ſelbſt anzugeben ? .

„Weßhalb war er bei Ihnen? Was hat er Ihnen geſagi ?" sragte ſie
haſtig den Juſtizcommissär. ; qu

„Er war da, um ſich nach Ihnen zu erkundigen. Er hat niir nichts ge-
sagt, aber von dem Kutſcher in Menzingen weiß ich . . .

„Von Heinrich? Was wissen Sie?

„Daß der junge Haider die Haushälterin gehaßt und Drohungen gegen
ſie ausgeſtoßen hat und daß er am Morgen nach der That verſchwunden iſt.“

„Das hat Heinrich geſagt ?

n Ja."

nWeiter nichts ?“ ' s z

„Das iſt genus, um den Verdacht von Ihnen abzuwenden. Faſſen Sie
Muth, liebes Fräulein. Ich kann es Jhnen nachſühlen, wie schwer, ja wie
unmöglich faſt es Ihnen ſein müßte, einen Mann, der Ihnen ſo nahe geſtan-
den hat, ſelbſt anzuklagen. Dieſe Anklage wird Ihnen erſpart durch die
Aussage des Heinrich Kopp.“

„Heinrichs Aussage ? wiederholte Hermine hastig. Was hat er denn aus-
gesagt ? Nichts als Vermuthungen. Leonhard hatte nicht mehr Ursache, Li-
ſette zu haſſen, als ich; es hat ſich in ihrem Zimmer keine Spur von ihm
gefunden, Niemand hat ihn dort geſchen, wie man mich geſehen hat."

h ( Fortſezung folgt.)


 
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