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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0027

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und Samstag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufsſchlag. Inſs.-Gehb. 2 kr. d. H.

für Stadt



Deutſc<l and.

* Heidelberg, 13. Jan. Der Bad. Beobachter klagt darüber,
daß die verſchiedenen Parteien des Landes bis jeyt noch keine Pro-
gramme für die Wahlen veröffentlicht hätten und daß also auch die
kathol. Volkspartei hierin gleichfalls noch im Rücksſtande sei. Wir
wiſſen nicht, ob es in der Absicht der verſchiedenen Parteien liegt,
abermals Programme in die Welt zu geben, da die Standpunkte
auf allen Seiten ohnehin vollkommen festſtehen und "Jedermann be-
kannt sind; es wird alſo auch von dem Vorgehen der andern Par-
teien zum Theil die Haltung der unsrigen bedingt sein. Uebrigens
haben die Ahgeordneten der katholiſchen Volkspartei durch ihre Er-
klärung anläßlich der neuen Reichsverfassung ein so unzweideutig
klares Programm gegeben, daß wir kaum glauben, es könnte das-
selbe durch ein zweckmäßigeres erſeßt werden. Wenn dann aber der
Bad. Beobachter das westphäliſche Wahlprogramm vom 28. Okt.
v. J.'s als auch für uns maßgebend betrachtet, ſo sind wir damit
herzlich einverſtanden, so ſehr dasſelbe auch noch einiger weiteren
Ausführungen bedürftig iſt. Nur derjenige Punkt, welcher über die
„Unabhängigkeit und freie Selbſtbeſtimmung“ tc. der Bundesländer
handelt, kann nicht mehr maßgebend sein, da ſeitdem die Unabhängig-
keit und Selbstbestimmung der Einzelſtaaten durch die neue Reichs-
verfaſung in ihren wesentlichſten Punkten aufgehoben iſt und man
uns doch nicht zumuthen kann, daß wir uns für die unweſent-
l i chen auch nur noch im Entfernteſten erwärmen sollten. Die
badiſche Schulgeſchgebung, das Stiftungsgeset, und andere einzel-
ſtaatliche Selbſtbeſtimmungen gehören hiezu in vorderſter Reihe,
und unser Freund Beobachter wird sich mit uns höflichst bedanken,
für dieſe Unabhängigkeitsdocumente mit liebendem Herzen einstehen
zu sollen. Was dieſen Punkt der „Unabhängigkeit und Selbſtbe-
ſtimmung“ der Kleinſtaaterei betrifft, ſo wollen wir ihn aus dem
westphäliſchen Programm herausſtreichen und dafür das kurze Pro-
yz des Pfälzer Boten hineinſchreiben: „Wir gehen zum

aiſer.'

* Heidelberg, 14. Jan. Man wird sich errinnern, mit welch’
schändlichen Verdächtigungen und Lügen der plumpſsten Art die
katholikenfeindliche Preſſe über den katholiſchen Clerus im Beginne
des Krieges hergefallen iſt, wobei auch nicht der Schatten eines
Beweiſes für solche Behauptungen hatte erbracht werden können.
Dieses Lügensyſtem wurde in einem großen Theile von Deutſchland
betrieben, besonders in Baden, worüber wir eine Reihe von Beiſpie-
len unseren Lesern vorgeführt haben, die auch katholiſche Perſönlich-
keiten betrafen, die nicht dem Clerus angehören. Nicht viel besser
iſt es auch in Hessen geweſen, wo versſchiedene kathol. Geistliche eines

Wer hat das gethan?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortseyung.)

' Endlich verkündigte ein Lärmen und Gepolter auf der Treppe, die unter
einem gewichtigen Fußtritte knarrte und ächzte, daß der Herr des Hauſes herauf
komme. Als die Thür geöffnet wurde, drängten ſich zuerſt zwei Hunde herein,
dann folgte die plumpe Figur eines großen, breitſchultrigen Mannes, mit braun-
rothem Geſichte. Er trug lederne, lange Gamaſchen, einen blauen Fuhrmanns-
kittel, den er an der rechten Seite aufgehoben hatte, um die Hand in die Bein-
kleidertaſche stecken zu können. Auf seinem dichten Haar ſaß eine Tuchmüye
mit Pelzverbrämmung, und er rauchte aus einer kurzen Meerſchaun.pfeife, die
er nur mit den großen Vorderzähnen hielt; denn an der freien linken Hand
führte er sein Töchterchen. Hinter ihm zeigte sich das friſche Gesicht Liſettens,
deren ſchwarze Augen zuversichtlich blitzten.

„Guten Abend, Frau! Guten Abend, Leonhard ! Wie geht's Frau ? Na,
du siehſt ja aus, wie das ewige Leben; Backen, so roth wie Borsdorfer A-
pfel! Nun komme mir noch einmal und klage !“ — Er drückte die zarte Frau
bei dieſen Worten kräftig an sich und gab ihr einen hörbaren Kuß, der die
Hunde bewog, ihre Taten ebenfalls zur Begrüßung auf die Schulter ihrer
Herrin zu legen, die erſchrocken zuſamnienfuhr.

n Guten Abend! willkommen zu Hauſe!" entgegnete sie, ſobald sie wieder
zu sich kam, konnte aber nicht fortfahren, weil sie von dem Tabaftsdampf, den
er ihr ins Gesicht blies, einen krampfhaften Huſtenanfal bekam. Hermine ſchenkte
ihr ſchnel ein Glas Wasser ein, führte sie zum Sopha zurück und ſuchte ihr
alle mögliche Erleichterung zu verſchaffen, wobei ihr Leonhard behilflich war.

; n Na, na, na !‘ sagte Herr Heider mit einem Tone, wie man zu einent
weinenden Kinde ſpricht, ſeßte aber, als die arme Frau erſchöpft den Kopt auf
die Sophakissen sinken ließ, verdrießlich hinzu: „Wie kanrniſt du dich ſo anſtel-
len wegen einer solchen Kleinigkeit !“

Sie wollte ſprechen, begann aber vom Neuem zu huſten.

Man iſt doch ein geſchlagener Mann mit einer kräntlichen Frau! rief er
und warf sich ins Sopha, daß dio Federn knackten. Komm her, Anna ! Dag
sage ich dir, werde mir keine zimperliche, nervenſchwache Dame, ſenſt ifl's aus



Dienstag den 17. Januar |







Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
und CanJd. Vogler & G. ILL. Daube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart rc.







landesverrätheriſchen Treibens beschuldigt wurden, wie z. B. ſie
hätten für den Sieg der französischen Waffen beten laſſen. Die
eingeleitete Untersuchung ergab jedoch, daß alle Denunciationen von
A bis Z verlogen waren und alſo auch nicht der mindeſte Grund
zu einer Anklage vorlag. Das biſchöfl. Ordinariat von Mainz ver-
langte Kenntniß über das Ergebniß der Unterſuchung und das
Juſstizminisſterium theilte ihm dieſes Reſultat mit.

Z Borberg, 14. Jan. Der neuliche Brand in Sachſenflur
war besonders für die mit dem Bahnzug in nächster Nähe daran
Vorüberfahrenden von überraschender Wirkung, da die in Brand ge-
rathenen Strohvorräthe große Feuergarben und Rauchwolken in die
Höhe ſandten, welche sich am nächtlichen Himmel grauenhaft abho-
ben. Unterdeſſen hat es auch in Schillingstadt wieder Feuer
gegeben und iſt am 12. d. früh eine Scheune niedergebrannt. Gleiches
war in der Nacht auf den 31. Dec. v. J. geschehen. ~ Ñ

Kürzlich hat in den nächst hier gelegenen Waldungen ein Treib-
jagen stattgefunden, wobei 17 Schüten 105 Haſen und 2 Füchſe
erlegten. Dieses erfreuliche Reſultat schreiben die Weidmänner dem
Umſtande zu, daß die Kälte und der Hunger das Wild in die Nie-
derungen trieb, wo eben die Jagd ſtattgefunden hat. Für einen
Haſen wird hierorts 1 fl., für das Pfund Rehfleiſch 14 kr. bezahlt.

Verſchiedene Speculanten, welche die französiſche Hauptstadt mit
Rindvieh verſehen wollten, können vor lauter Patriotismus kaum
den Fall derſelben abwarten. Gehörnte Capitalien haben eben ihre
Naupen. Sie freſſen viel Futter, das Futter iſt qündhaft theuer
und fett sollen sie doch auch ſein. Molite beeile dir!

= Aus dei Kraichgau, 14. Jan. Unser Krauchgeier iſt seit
dem Abgang Röck's zahmer geworden, der Sturz seines Freundes
iſt ihm scheint's ſchwer in die Glieder gefahren, und er treibt nun

mehr große Politik ais kleine Unarten. Wie es aber auf dieſen.

Gebiete beschaffen, davon liefert die geſtrige Nummer eine wahrhaft
herzſtärkende Probe. Jn einem der Berliner Volkszeitung entnom-
menen Artikel wird nämlich, und zwar in sehr verſtändiger Weiſe,
nachgewieſen, daß -Deutſchlands eigener Vortheil erheiſche, daß es
Hand in Hand mit Deſterreich gehe; es heißt in dem Berliner Blatte
u. A::

„Jetzt, wo Deutschland so ſchwere Opfer an Gut und Blut
bringt, um Elſaß und Lothringen wieder dem deutſchen Reiche ein-
zuverleiben, wäre es ein Hohn gegen Deutschland, wenn man Ruß-
land freie Hand ließe, die Czechen im Herzen Deutſchlands aufzu-
wiegeln und die ſchwerbedrängten Culturſtätten Deutſchlands an der
Donau durch ein civiliſationsloſes Völkergemiſch zu vernichten. Jſt
Deutſchland das, was es sein will, so iſt ſein Bündniß mit Deſter-

mit unserer Freundschaft. Ein ſchönes Vergnügen, wenn man zu Hauſe kommt
von der Reiſe und wird mit Aechzen und Augenverdrehen empfangen.“

„Weßhalb kommſt du auch mit der Pfeife ins Zimmer, Vater ? ſagte Leon-
hard mit verhaltenem Grimm. Du weißt, daß die Mutter den Tabatsdampf
nicht vertragen kann.“

„Was ? ſchrie Heider zornroth. Du willſt mir vorſchreiben, was ich in
meinem eigenen Hauſe thun oder laſſen ſoU? Du wilſt mir die Pkeife ver-
bieten? Nicht vom Tabak, vom Stubensitzen konimt es, daß sie huſten muß.
Hustet denn Liſette, wenn ich ihr auch den Rauch géradezu ins Gesicht bldſe ?
Wenn sie vom Morgen bis zum Abend auf den Beinen wäre, wie es einer
ordentlichen Hausfrau zukommt, wenn sie von Keller auf den Boden und von
der Küche in den Viehſtal ginge, um Alles im Auge und in der Ordnung zu
halten, ſo wäre sie an Hitze und Kälte und Holzrauch und Tabaksrauch ge-
wöhnt, so würde sie keinen Huſten und keine ſchwachen Nerven haben, und ich
hätte eine Frau statt. daß ich . . . .. na, ich will mich nicht ärgern. Es
iſt [U: einmal nicht zu ändern; ich habe nun einmal den dummen Streich
gemacht.“ ;

Frau Heider zitterte bei dieſer Beleidigung, die ihr in Gegenwart der
verhaßten Liſette widerfuhr, am ganzen Körper. Sie wollte ſcharf entgegnen,
aber die Stimme verſagte ihr und sie flüſterte nur nach einer Weile, in wel-
cher sie die Hand mit einem Ausdrucke des Schmerzes in die linke Seite
drückte: „Warte nur noch kurze Zeit, dann hat es sich geändert.“

Der rohe Mann zuckte geringſchätzig die Achſeln und exwiedexte : „Es iſt
doch merkwürdig, daß du ſofort krank biſt, wenn ich ins Haus trete, und
Anna und Liſetike erzählen mir doch, daß du dieſe ganzen vierzehn Tage hin -
durch so luſtig und munter geweſsn biſt, wie ein Bauexnmädchen an der Kir-
meß. Für wen ſpielſt du disſe Köutbdie ? Ich kaun dir verfichern, mir
wäre eine friſche, gesunde Frau tauſendmal lieber als eine Jammexprinzessin.“

(Fortjeßung folgt.)



~ Vom 16. Juli bis Mitte December 1870 beförderte die norddsutſche
Feldpoſt 68,136,210 Stück Briefe , Correſpondenzkarten und Zeitungen, nobſt
tg tgteoo Thalern in baarem Gelde und 1,276,994 Paketen undeclarirten
 
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