Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0393

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext


erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienſtag, Donnerſtag

für Ftadt

und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Erägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. g.





inladung zum Abonnement.
Wir laden zu zahlreichem Abonnement für den Monat Sep-
tember eigebinſt ein; monallicher Preis des Pfälzer Boten
[s ! Da die Erndte jetzt vorüber iſt, wird es den Landleuten wieder
mehr gestattet sein, als dies im Sommer der Fall zu sein pflegt,
ihre Aufmerkſamkeit auf die politischen Ereigniſſe und deren Beur-
theilung zu wenden. Insbesondere aber möchten wir darauf auf-
merkſam machen , daß im Monat September die Wahlen für die
badiſche Kammer stattfinden, wo unser Blatt überall unter der katho-
liſchen Bevölkerung des Unterlandes die weiteste Verbreitung haben
ft. .ivelbeca, 24. Auguſt 1871n.
Die Redaction des Pfälzer Boteen

Ein HKaiſerwort über die katholiſche Nationalkirche.

Es ist gegenwärtig Mode, für eine katholiſche Nationaltkirche
zu ſchwärmen. Publiciſten, die noch im ABC der Politik, des Staats-

rechts und der Geschichte stecken, proteſtantiſche Fanatiker, welche dem
Papſtthum „den Guadenſtoß“ wünſchen, die Aufgeklärten, welche für
i hre Perſon die Unfehlbarkeit beanſpruchen, Leute von allerlei
Confessionen, die von den Kirchen nichts als die Außenwände kennen
und sich um die Religion nicht kümmern, Politiker, welche nicht ahnen,
daß es Steine gibt, an denen auch die gewandteſte und glücklichſte
Politik zum Stolpern kommt = alle dieſe Leute träumen von einer
Nationalkirche. Und wer soll das Haupt derſelben sein? Es
liegt nahe, daß man sich den deutſchen Kaiſer als solches denkt, wie
in England der König das „Supremum caput eecclesiae“ iſt.
(Gladſtone, der Staat in seinen Verhältnissen zur Kirche, S. 295).
Diesen Leuten zu Nutz und Frommen wollens wir hier die Worte
wiederholen, welche Kaiſer Napoleon I. ausſprach, als ihm der Vor-
ſchlag gemacht wurde, sich an die Spitze einer französiſchen Natio-
naltirche zu stellen. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen,
daß Kaiſer Wilhelm sich ganz ebenso für die ihm zugedachte Rolle
bedanken wird. Die Worte sind folgende :

Edle Rache.
(Alte und Neue Welct.)

(Schluß.)

Bleich, unbeweglich stand das Mädchen auf der Scholle, die eiſernen
Schuhe hatten fich in das Cis eingegraben. Starr, unverwandt hing ihr ent-
ſetzter Ulick auf dem verſtörten Antlitz ihres Vaters. Zuweilen bewegte sie me-
c<haniſch die Arme, als wolte sie an ſeiner Bruſt sich retten. Jede Minute wurde
zu einer Ewigkeit. Langſam folgte die schweigende Menge der treibenden
Scholle. Kaum wagte man zu athmen, und die theilnehmenden Blicke wan-
derten ängstlich vom Vater auf die Tochter und folgten der ſchaukelnden Scholle.

nDort treibt eine mächtige Scholle heran," flüſterte man, „wenn die ſich
zwiſchen den Saum und die Dame drängt , iſt ſie verloren.

_ nPlat l“ commandirte plötlich eine tiefe, ſchwere Stimme, und die Menge
wich erwartungsvoll zurück. Es war der Inspector , der ſich lanſam auf seinen
Schlittſchuhen in Bewegung ſetzte, einen Kreis auf dem Eiſe beſchrieb , ſchneller
und immer ſchneller, und dann auf den Rand des Saumes losſchießend mit
einem gewaltigen Satze dieſen und die Kluft überſprang und im nächſten Au-
genblicke neben Suſanna ſtand, indem er sich seſt in das Eis einbohrte. Die
Scholle ſchwankte und zitterte unter der Wucht der dopelten Laſt und das Waſ-
ſer ſpielte über die Fläche hin.

„Onkel !“ rief das Mädchen, „Siestürzensich meinetwegen in Todesgefahr !,,

_ HyhStill Kind, faſſe Muth, verzage nicht !!

Und der Mann, aus deſſen Augen das Feuer der Begesiſterung und fester
Entſchloſſenheit blizte, dem die Größe und Schwere des Wagniſſes ungewöhn-
liche Kräſte verliehen, kniete auf der Scholle nieder und arbeitete sich mit den
Händen an den Rand derſelben ; dann verſuchte er, indem er andere Eismassen
zurückſtieß und mit den Händen ruderte, die Scholle nach dem Saume zu ſteuern,
was ihm nach unſäglichen Mühen auch gelang. Mochten auch die Hände blu-
ten, er achtete es nicht — wurde doch die Entfernung immer kleiner und die
Hoffnung auf Gelingen immer größer. Dann erhob er ſich, und Suſanna bei
der Hand nehmend, ſsagte er: „Jeyt Muth! Che jene Scholle sich zwiſchen-
vst s es geſchehen sein; greife feſt aus, ein kühner Sprung ret-

. GCEs war ein Moment der höchſten Spannung. Jeder Zuschauer fühlte
ein eiſiges Fröſteln ſeine Glieder ſchütten. Wenn das Wagniß nicht gelang ?
Und der Vater, wer ſchreibt was er fühlte! Den Mann, vor dessen verglaſtem
Blick ſich das wundervolle Schauſpiel aufthat, tödtete beinahe die Angst, die
große bittere Angst der Feituuug ~ eine Hoffnung, deren Scheitern sein Tod
ſein würde. Seine Blicke flogen von seinem Kinde auf den Retter und von
dieſem auch wieder auf ſein Kind. Das Herz klopfte stürmiſch, als wollte es
zerſpringen und dann stand es wieder in ängstlicher Erwartung |till.

„Schnell IE flüſterten die Zuſchauer athemlos. „Barmherziger Gott !“
bebte es leiſe von den Lippen des Vaters.





Samstag den 26. August







Inſeraten-Inhalt der Annoncen-Expedi-
und Cand.icr zu resctrs
“ : z . VÖ zer Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.







„Vie, ich, ein Mann des Krieges, mit Degen und Sporn, in
Schlachten groß, sollte mich zum Haupt der Kirche machen, wie
Robespierre, der den Cultus des ,höchſten Wesens“ erfand, oder
ſo lächerlich wie Lareveillere, der Erfiuder der Theophilanthropie ?
Wer würde mir folgen? Sicher nicht die wahrhaft gläubigen
Chriſten, nicht die Mehrzahl der Katholiten, welche nicht einmal
den geweihten Prieſtern folgen wollten, die sich hatten zu Schulden
kommen lassen, einen vom Staatsgeſet vorgeſchriebenen Eid zu
ſchwören. Cs würde mir folgen eine Anzahl ſchlechter Geistlichen,
eine Anzahl entlaufener Mönche, Anhänger der Clubs, die von
dem Haupte der neuen Kirche die Erlaubniß zur Heirath der Prie-
ster erwarten. Und einer solchen Kirche will man den Sieger
von Marengo zum Haupte geben? ihn ſo tief erniedrigen?
Und geſett, es gelänge das Unmögliche, ſo würde ich zum uner-
träglichſten der Tyrannen, zum Herrn über Leib und Seele, dem
türkiſchen Sultan ähnlich, welcher zugleich Haupt des Staates,
der Armee und der Religion iſte Meine Tyrannei würde zum
Gegenstand des Spottes werden, statt einer Kirche wäre nur eine
neue Glaubensſpaltung, und die dümmſte von allen,
die Frucht ſolcher Bemühung en.*)“
Würde Kaiſer Wilhelm anders sprechen ? Wird Jürſt Bis-
marck anders denken ? Bismarck sollte den deutschen Kaiser ,so tief
erniedrigen“ wollen? Wir glauben dies nicht. (Beob. a. M.)



Deutſcl and.

* Heidelberg, 24. Aug. Die größeren Organe der Presse
aller Länder bezeichnen die Conferenz in Gaſtein als geſcheitert. Als
Beweis dafür wird angegeben, daß Kaiſer Franz Joſeph Iſchl plötz-

lich verlaſſen hat und nach Wien zurückgekehrt iſt, ohne Beuſts An-

kunst in ersterem Orte nur abzuwarten. Man glaubt jett mit Sicher-
heit auf den Fall des Reichskanzlers Beuſt in nächster Zeit rechnen
zu können, da sein Allianzprojekt mit Preußen die Billigung Franz
Josephs nicht gefunden habe und Hohenwarts Sieg im öſterreichiſchen
Cabinet entschieden sei. Engliſche Blätter hatten unlängst die Nach-

*) Thiers hist. du cons. III. s. 165).

Abermals durchzitterte ein gellender Schrei die Lüfte . . . . Der Sprung
war geſchehen. Glücklich hatte der Inspector festes Eis erreicht , allein das
Mädchen ~ ſei es, daß ihr Fuß nicht weit genug gefaßt, ſei es, daß ſie eine
schwache Stelle betreten ~ brach in die Cisdecke und riß, da ihre Hand fest
die ihres Retters umklammert hielt, auch dieſen in die Tiefe. Die Wogen ſchiu-
gen über Beide zuſammen.

Endlich nach bangen , langen Augenblicken ward ein Kopf, ein Arm ſicht-
bar. Es war der Inſpektor , der mit kräftigem Arme das Wasser theilte ~
mit der Rechten hielt er die bewußtloſe Suſanna. Jetzt faßte er mit der Linken
den Saum , und sich an das Eis anklammernd , arbeitete er ſich weiter, dem
Steinkopfe zu, der einen festen Halt sicherte. Die Hand blutete, die ſcharfzackigen
Gisſchollen zerriſſen den Arm, doch wer achtete darauf !



Hätte man nur ihm
behülflich ſein können, aber der schwache Eisrand wollte die Laſt der Menſchen
nicht tragen. Endlich war der vorgemauerte Steinkopf erreicht; die Menge
war vorausgeeilt, und hundert Arme ſtreckten ſich aus, dem muthigen Retter
die theuere Bürde abzunehmen und ihn selbſt emporzuziehen. Und es war
Heit, denn ſeine Kräfte waren erſchöpft.
Boden. .-

Und wie ein. Donnerſchlag aus gespannter Gewitterwolke brach der Sturm
der jubelnden Me nge los. Alles drängte sich herzu, den Edeln zu beglückwün-
ſchen. Stürmiſch ſchloß ver überglückliche Vater sein gerettetes ihm von Neuem
geborenes Kind an jein Herz und dann näherte er sich dem Retter und drückte
[tt leu Lippen auf die blutende Hand, und eine große Thräne zitterte
in ſeinem Auge.

Faſt besinnungslos siürzte er zu

# > #

Am ſelben Abend begehrte der Kaufmann Sturm den Inspektor in ſeiner
Wohnung zu ſprechen.

nVetter", sagte er auf ihn zueilend, „ich komme, um Ihnen meinen hei-
ßesten §“M. ſuzzuſrechen; vergeben Sie mir + lassen Sie alles Geſchehene
ü. Stimme zitterte, als er die Worte ſprach.

UU gts cr que U U UU 1 Sie sit
het ru tut oe Nc. “ut tte ge eG sg: Urctsctes.

Der Kaufmann erbleichte; das Wort erſtarb ihm auf der Zunge.

„Ich weiß Ales“, nahm der Inſpector ernſt, doch freundlich das Wort ;
„erkennen Sie dieſe Müyte, die Sie in dem Tunnel verloren?"

Sc FU UU er euztich.

„Seien wir nun Freunde," sagte der Inſpector herzlich ; „das war meine
Rache, die Rache eines Chriſten !“
true Cees zog den Verirrten an sein Herz: – es war der ſchönſte Tag


 
Annotationen