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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0171

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fälzer

für Stadt



Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienftag, Donnersſtag
und Samstag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.





Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von sts Haasenstein&
und Land 2o Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.





Ji2. 43.





* Vom Reichstag.
10. Plenarsitzung am 3. April.
(Fortſezung und Schluß.)

Zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betr. die Ver-
faſſung des Deutſchen Reiches. Nach Biſchof v. Ketteler, dessen
Rede wir in ausführlichem Referate in der letzten Nummer unseres
Blattes wiedergegeben haben, führt Graf Ren a rd aus, der ange-
regte Gegenstand bedürfe einer erſchöpfenden Behandlung. Es sei
jetzt nicht der richtige Augenblick für eine gewissenhafte Prüfung die-
ser Sache. Es handele sich nur um die eben geſchloſſenen Verträge,
die man nicht jetzt ſchon zerfezen dürfe ; vielmehr müsse man abwar-
ten, bis die Vertreter der Regierungen mit Ordnung dieser Dinge
vorgiengen. Abg. Greil ſieht keinen Grund ein, warum der Reichs-
tag sich in einer so wichtigen Sache nicht für zuständig erklären ſollte.
Er habe hiegegen kein Bedenken, da in die Verträge das Recht auf-
genommen worden sei, über Vereinsweſen hier im Reichstage Gesetze
zu geben und nachdem dieſes Recht so aufgefaßt worden ſei, daß
alle kirchlichen Dinge auf diesem Wege erledigt werden
könnten. Gegenüber den Aeußerungen, daß er und seine Gesinnungs-
genoſſen aus Bayern dem neuen Reiche feindlich seien und an einem
gedeihlichen Arbeiten für daſſelbe nicht theilnehmen wollten, bemerke
er, er habe zwar gegen die Verträge in München gestimmt, die das
deutſche Reich begründet hätten; dann aber, als das Reich begründet
war, habe er es als seine Aufgabe betrachtet, zum Wohle deſsel-
ben redlich mitzuarbeiten. „Wenn es aber möglich sein ſoll, ein
einiges Reich zu ſchaffen, ſo muß die Achtung g eg en die
verſchied enen Confessionen festgestellt werden.“ (Bravo).
Er habe seinen Wählern gesagt, er werde hier entschieden für die
Rechte der kathol. Kirche eintreten, aber auch mit gleicher Entſchie-
denheit jedes Unrecht gegen andere Confesſionen abwehren. Von
anderer Seite dagegen habe man den Ausdruck „Kampf des Ger-
manenthums gegen römiſche Herrſchaft“ fallen laſſen und verstehe
darunter die Unt erdrü < un g d es Kath olicis mu s. (Wider-
ſpruch von der Linken). Um den Gegensatz zwiſchen Staat und Kirche,
deſſen Exiſtenz man von anderer Seite behaupte, ganz zu vermeiden,
müßten die Religionsgeſs ellſchaflen frei geſtellt werden.
„Frei müſſen die Confeſſionen, frei die Religionen sein gegenüber
einer Staais - Allmacht, welche, mag sie von einem Fürsten oder
einem Reichstage ausgeübt werden, unerträglich iſt und die heiligsten
Rechte beeinträchtigt.“ (Bravo im Centrum).

Abg. Löwe iſt für den von Schulze Namens der Fortſchritts-
partei gestellten Antrag auf mo tivirt e Tagesordnung. Er ſsei
mit Biſchof v. Ketteler einverſtanden, daß er nur durch die Freiheit

Donnerstag den 13. April





das Reich der Gerechtigkeit gründen wolle; hiefür aber sei der An-
trag Reichenſpergers lange nicht weit genug gehend. Wenn man
Grundrechte aufnehmen wolle, warum habe man dann nicht die
Frankfurter Grundrechte aufgestellt ? Allein lettere gefielen eben den
Herren vom Centrum nicht, weil darin Dinge über Wissenschaft,
Ehegeset gebung u. s. w. vorkämen, die die Freiheit des Individuums
gegen Eingriffe der Kirchengewalt schütten.

Abg. Windthorst. Was die Entgegnung des Abg. Löwe be-
trifft, daß wir unsern Antrag zu sehr eingeengt hätten, so hebe
ich vor allem hervor, daß die Anträge in Beziehung auf die frei-
heitliche Entwickelung genau abgegrenzt werden mußten auf den Rah-
men, der in der Bundesverfaſſung gegeben iſt. Dadurch erledigt
sich auch der Einwand des Hrn. v. Treitſchke, wir hätten in unſerm
Antrage nichts von dem Satze, daß die Wissenschaft und ihre Lehre
frei sein solle. Ich werde meinestheils , wenn die Competenz des
Bundes dies erheiſcht, nichts dagegen haben , vielmehr d a für ſein ;
ich bin für die Freiheit der Lehre, für die Freiheit der Schule,
wie denn alle Gegenſäte nur auf dem Gebiete der Freiheit erledigt
werden können. Geben Sie, m. H., uns daher nur die Frein
heit. Sie aber wollen Macht und Recht für sich und für
And ere die Knechtſchaft.

Präsident Simson (den Redner unterbrechend). Wenn der Hr.
Redner die Mitglieder des Hauſes meint, so geht er sicher über die
Grenzen der parlamentariſchen Freiheit hinaus.

Abg. Windtho r (fortfahrend). Es iſt uns auch vom Abg.
Löwe vorgeworfen, wir hätten in Preußen ein Regiment unterstütt,
welches die Verhältnisse für die evangeliſche Kirche nicht habe ordnen
wollen, wie er glaubt, daß sie geordnet werden müßten. M. H., wir
haben in Preußen überhaupt kein Regiment unterstützt, wir haben
uns einfach immer gefragt, was im einzelnen Falle recht und zweck-
mäßig war und danach gestimmt. Wir haben bei dec hesſiſchen
Kirchenfrage gegen die Vorlage der Regierung gestimmt, weil wir
erreichen wollten, daß man es sich in der parlamentariſchen Versamm-
lung nicht beikommen lasse, die evangelische Kirche zu maßregeln.
Ob der Abg. Miquel mir dies dankt, weiß ich nicht; aber Andere
haben es mir gedankt. Meine Herren, das Deutſche Reich iſt
äuß erlich wohl feſt gegrün det, doch auch eine innere feſte
Begründung iſt nöthig, und diese wird nicht eher da sein, als bis
das erreicht iſt, daß alle Con f ess i on e n, besonders auch die
katholiſche Kirche, ihre befriedigende Situation in diesem Reiche haben.
Hat die kathol. Kirche dies nicht, dann iſt innerlich das Deutſche
Reich nicht von der Kraft, die man wünſchen muß. Was iſt aber
natürlicher, als daß man Ihnen vorſchlägt , auf dieselbe Weise zu





Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortsetzung.)

„Und was that Fräulein Hartwig, als du sie aufgeweckt hattest ?!

„Sie nahm mich in die Arme und küßte und drückte mich und weinte
immer zu. Und dann ſagte sie: „Ach, du armes Kind! Wenn das deine
Mutter erlebt hätte ! Ach, was soll daraus werden !“ Ich bat sie nicht mehr
zu weinen und zu Bette zu gehen, aber sie hörte nicht auf mich; sie legte
mich wieder ins Bett; aber sie kleidete sich nicht aus, sie ging immer in der
Stube auf und ab und rang die Hände und weinte. Zuletzt bin ich einge-
ſchlafen; aber einmal wachte ich auf und da fing es an helle zu werden.
Aber Hermine war immer noch auf und weinte noch immer und ich hörte,
daß sie ſagte: „O Leonhard, wie soll das enden ! O wir unglücklichen Menſchen !“

Hermine hatte bis jeßt mit vorgebeugtem Oberkörper gesesſen und dem
Kinde zugehört; bei den letten Worten desselben zuckte sie wie von einem
Blitftrahl berührt und fie! todtenbleich auf die Bank zurück. Jetzt war Ales
verloren und das unſchuldige Kind war es, das den Tod und die Schande
auf das Haupt des Bruders herabrief! ~ %

nBeruhigen Sie sich! flüſterte Hilmer theilnehmend. Es ist ja nur die
unbeeidigte Aussage eines Kindes.

Sie antwortete nicht, sie rang nur in ſtummer Verzweiflung die Hände,
die gefaltet auf ihrem Schooße lagen. Jede Rettung war ja unmöglich ; denn
wenn Heinrichs Ausſage nun noch hinzukam, so mußte doch gewiß auch dem
blö deſten Auge Leonhards Schuld klar werden.

Und jetzt kam Heinrich.

Die Vernehmung des Dienstmädchens und des Knechtes, die zuerſt den
Mord entdeckten, hatte nur kurze Zeit weggenommen und förderte nichts Be-
ſonderes zu Tage. Jetzt war nur noch Heinrich zu vernehmen. Dann kam
der lezte Zeuge – Leonhard.

Trotz ihrer Angst und Verzweiflung, oder vielleicht gerade deßwegen konnte
Hermine kein Auge von dem Bedienten wegwenden. Sie bemerkte, daß er roth

und aufgeregt ausſah und daß ſein Auge ſcheu und unſstät von Einem

zum Andern ging. Auch seine Stimme war unſicher und von Befangenheit
Als gedrückt. er die Finger zum Eide emporsſtrecte, begegnete sein Blick dem



angstvollen, flehenden Blicke Herminens. Er erblaßte und seine Hand zitterte
sichtlich. Der Präsident mußte seine erſte Frage nach der Beeidigung : „Was
wissen Sievon der Sache ?“ zweimal wiederholen, ehe er Antwort erhielt.

„Ich bin nicht dabei gewesen, sagte Heinrich mit sichtlicher Anstrengung,
seine Befangenheit niederzukämpfen ; aber das weiß ich: unſer Fräulein Her-
mine hat es nicht gethan; das iſt ganz unmöglich. Wer die nur einmal ge-
ſehen hat, kann ihr so was nicht zutrauen und wer sie ſo kennt, wie wir in
Menzingen, noch viel weniger. Das ist auch ausgemacht, daß sie es bloß aus
Gutherzigkeit auf sich siten läßt; das weiß Jeder, wie gutherzig sie iſt. An
der seligen Frau Heider hat sie allein ſchon einen Gotteslohn verdient; sie hat
sie ja Tag und Nacht gewartet, hat ihr die Augen zugedrückt und iſt nicht
von ihr gegangen, bis sie aus dem Hauſe getragen wurde, viel mehr, tauſend-
mal mehr hat sie für sie gethan, als derjenige, der der seligen Frau am
nächsten gestanden hätte. Und ein solches gutherziges Mädchen unglücklich zu
machen, das möchte ich nicht auf meinem Gewissen haben."

Es war ungewiß, ob sein ſcheuer Blick die Geſchwornen oder Herrn Hei-
der streifte bei den lezten Worten.

; §t da 5 Alles was Sie wissen ?’ fragte der Präsident etwas un-
geduldig.

„Bestimmt weiß ich nichts, fuhr Heinrich fort, aber wenn's sich um Feind-
ſchaſt gegen Lisette handelt, so weiß jedes Kind, daß Fräulein Hermine nicht
die Einzige war, der die falſche Person was in die Seele gethan hatte. Unſer
junger Herr zum Beispiel, Herr Leonhard, hatte Liſette auch auf dem Korn;
er hat sie zuweilen angeſehn und hat sie angeſchnauzt, als wenn sie, ich weiß
nicht was, wäre. Er hatte doch wohl eben so viel Ursache, wie Fräulein
Hermine, zu wünſchen, daß sie aus dem Wege wäre ; denn so eine faſche Per-
ſon als Stiefmutter zu haben, war doch kein besonderes Vergnügen. Daß ſie
die ſelige Frau ins Grab geärgert hat, daß weiß Jedermann in Menzingen."

„Erklären Sie sich deutlicher. Haben Sie bestimmte Gründe, zu vermu-
then, daß ein Anderer als die Angeklagte den Mord begangen hat ?"

(Fortsetzung folgt.)


 
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