erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
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2rägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z. für § tadt
Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-
§ ÿ V | ) tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
qu an e Vogler & G. L. Danube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart ec.
es. 1.17
WS. E L \ S R E EE LEO EEA
Die badische Politik.
Lächeln unsere Leſer nicht, wenn ihnen obige Aufschrift ins
Auge fällt! Die letzten sichtbaren Zeichen, daß es mit unserer Welt-
ſtelung zu Ende geht, erkannten wir dieſer Tage in der Nachricht,
daß unſere Geſandten vou. den hohen Höfen abgerufen, daß sie der
diplomatischen Weihe verluſtig und in die eine oder andere Kanzlei
der Reſidenz eingeſchoben worden ſind. Die Tage von Florenz sind
vorüber, wo wir ſo thatkräftig die ſchlimmen Einflüsse des franzö-
ſiſchen Kaiserreichs paralyſirten. Wenn jetzt ein Noihſchrei eines
Landsmannes aus der Schweiz, aus Welſchland, oder gar aus dem
Drient uuſer Ohr triſsft, dann leuchtet nur noch an der Spree ein
Stern der Hoffnung; nur von dort kann noch Hülfe geſchafft werden.
Unsere Nationalen finden in dieser Wendung der Dinge, dem
Aufgeben ſcheinbarer Selbständigkeit, einen gewaltigen Fortſchritt,
und wir – würden dieſe Anſicht theilen, wenn nicht von jeher die
haupiſächliche Kraft der Vertreter des kleinen Landes Baden darin
beſtanden wäre, daß sie sich durch die Unterſtützung der öſterreichiſchen
oder preußiſchen Diplomatie stärken konnten. Im Völkerverktehr
zählen die Kleinen einmal nicht: da gilt nur der Starke, und das
müſſen wir beſcheiden geſtehen: eine materiell wiegende Macht sind
wir nie geweſen. Dagegen blähten sich die Helden unſeres Stände-
ſaales mit einem andern Stolze, den sie heute noch für berechtigt
halten: mit dem Stolze, das Schwert des Geiſtes in Deutſchland
zu führen und der ganzen Nation gezeigt zn haben, mit welchen
Winden man ſegeln muß, um voran zu kommen, um groß zu werden.
Das eifrigſte, um nicht zu sagen das verbiſſenſte Streben der Mehr-
heit unserer Kammer ging, wie wir Alle wissen, dahin, die Bande
zu löſen, mit welchen der selig entſchlafene Bundestag 50 Jahre lang
unſer Vaterland umſchlang.
Der ſchwächliche Trog, welchen man den allgemeinen Anord-
nungen bezüglich der Preſſe, der Militäreinrichtungen 2c. entgegen-
ſeßte, wäre nicht möglich geweſen, wenn nicht eine verderbliche
Zwietracht zwiſchen den beiden leitenden Mächten immer die Aussicht
geboten hätte, bei der einen oder der anderen Unterſtützung zu fin-
den. Die nordiſchen Staatsmänner führten immer einen ſrtillen
Krieg gegen das Oberhaupt des Bundes, bis im Jahre 1866 die
hellen Flammen aufloderten und der vielbejubelten neuen Aera Ge-
ſtalt gaben. Unverhofft haiten wir eine unumſchränkte Souveräne-
tät erlangt von Konstanz bis nach Wertheim, von Bühl bis an den
Rhein, und sehr bald machte die Partei sich ans Werk, davon Nuten
zu ziehen. Die parlamentäriſche AUmacht, welche man so lange
angeſtrebt hatte, kannte kein Hinderniß mehr. Schon hatte unsere
Samstag den 7. Oktober
1871.
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Geſetgebung, insbesondere das Schulgeſeß, den Einfluß der Kirche
gebrochen , jetzt galt es deren Autorität gänzlich zu vernichten; und
Alles aufboten, das Stiftungsge-
wohlbewußt, damit
Sie wähnten ſich
wenn die leitenden Parteihäupter
sſez zur Geltung zu bringen, so waren ſie sich
einen entſcheidenden Schachzug zu thun.
allmächtig: Sie hatten keine Erinnerung an unſere staatliche Nie-
derlage vom Jahre 1866, und an die ſchwer erſchwungenen 6 Mil-
lionen Gulden, die wir damals neben andern ſchweren Opfern dem
strammen Sieger zu Füßen legen mußten. Aber jetzt kam der deulſche
Krieg, und mit ihm das Deutsche Reich; der Schwerpunkt wurde
von Karlsruhe nach Berlin verrückt; unſer lustiges Sonderleben ging
zu Ende. Unſere anmaßlichen Baumeister sind Lehrlinge geworden.
Wir hatten geglaubt, an der Spitze der Civiliſation einherzuſchreiten,
aber in Berlin weiß man Alles beſſer, und dort k ann man, was
man will. Die Flügel des Jkarus sind abgefallen; Gehorſam iſt
unsere Ehre. ~
Der Protesſtantentag.
% Heidelberg, 5. Ott. Abermals ſpielt der Telegraph. Er
trägt hinaus in die Lande die Kunde, daß der Proteſtantentag am
3. d. in Darmſtadt zuſammengetreten iſt, unter dem Vorsitze des
Stuhlmeiſters Bl unt s < li. Wir waren ſehr begierig, von dieſer
Tagung zu vernehmen, was es unter den deutſchen Protestanten
Neues gibt; ob der Schenkelianismus Fortschritte macht, welche Re-
gierungen und Kirchensſtellen sich zu demſelben bekehrt haben, wie
sich der Proteſtantenverein zu der Proteſtantenverſammlung, welche
demnächſt unter Betheiligung Moltke's rc. in Bairlin abgehalten wer-
den ſoll, stellen wird u. s. w. ~ Nun gatber zeigt dieſer Proteſtan-
tag sich von vornherein ganz „altkatholiſch“, er iſt der Sache nach
eine Furtſezung des Münchener Congreſſes der „Altkatholiken“, zu-
benannt Neuprotesſtanten, denn man höre: die erſten Reſolutionen
betrafen das kath. Dogma von der Unfehlbarkeit und den Jeſuiten-
orden. Nun aber, ¿was geht denn die Protestanten der katholiſche
Glaubensſatz von der Unfehlbarkeit der päpſtlichen Lehrautorität an,
der nur für jene Geltung hat, die in der kath. Kirche sind ? Man
will ein staatliches Verbannungsdekret gegen den Jejſuitenorden, der
in Deutschland verboten werden soll. Da haben wir wieder das
Anrufen der Polizeigewalt gegen die Macht des Geiſtes, die auf
ihrem eigensſten Gebiete mit gleichen Waffen zu bekämpfen man ſich
zu ſchwach fühlt. Lächerlicher Weise verbirgt man dieſen allein
wahren Grund hinter der Vorſchüzung: die Sicherheit der Rechts-
ordnung und der Staatsgewalt, die Wohlfahrt der bürgerlichen Ge-
ſellſchaft, die Wahrung des konfessionellen Friedens und der Schutz
Das Blumenmädchen.
Eine amerikaniſche Geschichte.
(Fortsetzung.)
rief fru hatte sich bald wieder erholt, und sich von d er Alten losmachend
î HhCi, liebe Großmama, so laß doch jett das Brod liegen, Du verdirbſt
Dir das Abendessen, welches bald fertig sein wird. Ich hole ſchnell für 3 Cents
Holzkohlen, die Frau oben leiht mir wohl einen Roſt, und ~ und — nun,
laß doch das Brod liegen, bis ich zurückkomme — bitte, bitte !“
Nit den leßten Worten war die Kleine ſchon zur Thür hinaus. Als sie
zurückkehrte, war der größte Theil eines der Brode verſchwunden, nnd die beiden
Alten lagen sich weinend in den Armen. Es war ein rührendes Bild des
Glückes und der Liebe.
_ Hrances eilte geſchäftig im Himmer umher. Sie war viel zu glücklich,
ihre Tagesarbeit zu empfinden. Sie zog den kleinen Tiſch vor den Herd, ſtrich
mit der leinenen Serviette den Staub von Tellern und Tassen, welche auf
dem Sims gestanden, und fuhr sogar damit über den eiſernen Leuchter, der
ſeit langer Zeit wieder einmal mit einem Lichte versehen war. Zu dieſer Be-
ſchäftigung ſummte das Wasser im Kessel, und bald erfüllte der für die Hung-
rigen liebliche Geruch des bratenden FJleiſches das Himmer. Das Gemäüithliche
diefer Scene ward noch erhöht durch das Plätſchern des Regens und das
Klirren der vom Wind erſchütterten Fenſterſcheiben.
„Nun wohlan l' rief Frances, das jett fertige Beefsteak auf den Tisch
stellend. „Nun iſt alles in Ordnung; ich will den Thee einſchenken, Großvater
erlegt das Fleiſch, und Großmutter —~ nun, ſie iſt heute anſer Gaſt. Jett
greift zu, ehe das Eſſen wieder kalt wird l“
Das alte Paar ſette ſich an den Tiſch. Ihre greiſen Hänpter beugten
sich einen Augenblick über den Teller; doch Frances war zu glücklich, und ſie
vergaß in ihrer Aufregung zum ersten Male das Tiſchgebet. Ihre Hände waren
eiſrig mit der Theetaſſe beſchäftigt, und mit wichtigen Mienen ließ ſie die
Stückchen Zucker einzeln in die Taſsſe fallen. Viet zu glücklich, um an ihren
eigenen Hunger zu denken, hielt sie jeden Augenblick im Eſſen inne, um ſich an
dem Appetit der Alten zu weiden, um dem Großvater das Brod zuzuſchieben,
oder der Großmutter friſch einzuſchenken.
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u ein + ungewönhnliches Fest, daß ſie u n h st ür
bis in's Endloſe verlängert werden.
„Ja ! sagte endlich der Alte, mit einem Seufzer der Befriedigung seinen
Teller von ſich ſchiebend; „ia, Frances , ich bin ſatt, allein ich möchte auch
“z re hſev Ut tec satt Lt ui aht gh eu qe s:
qthon verdient zu haben. Ah! wie hat "uns vas Eſſon k!: ft w zu
vu wißt niht wie uns hungert.
ft „Ac ! Du denkſt wohl daran, woher wir das Frühstück nehmen Jollen ?
hahe trich wohl für recht thöricht, Alles für ein einziges Abendessen ans-
tt [Thörist tz Nein, nein, konnte wohl tn | gutes mitleidiges Kind
ec z{aen zu tf die alie grau HhaU t Augen. „Dich tadeln ?
. och f n gte. einer Rührung, welche ihr freundliches Auge
Trockenes Brod wäre uns ein Feſt-
mit Thränen füllte, „doch ſollte man nicht Alles auf einmal ausgeben, wBmnn
man so arm iſt wie wir; nicht wahr, Großvater ?“
uN ein, nein,“ unterbrach ſie die Großmutter beruhigend; „er denkt nicht
daran, Dich zu tadeln, Nicht. im Geringsten." j
nal S rt tust tet vu ur Melt
den blanken halben Dollar für ein solches Fest zu vorausgaben. Doch ſchauet
her, uns iſt doch noch etwas geblieben! . . . .'
.. Nit triumphirendem Lächeln zog sie bei diesen Worten ein Goldstück aus
ihrem Buſen hervor und hielt es gegen das Licht.
„Gold !“ rief der Alte, vor Erstaunen bleich werdend.
(Schluß folgt.)