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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0417

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erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. – Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. B.

F¿. 105.

für Stadt





Deutschland.

* Heidelberg, 7. Sept. Wir erwarten am 15. d. M. eine große
Betheiligung der Katholiken bei den Wahlen, ~ möchte Keiner zu-
rückbleiben ! Gegenüber dem Kampfe, der jetzt den Katholiken in
Aussicht gestellt iſt, sind alle fcühere Vorgänge pure Kleinigkeiten
geweſen. Es handelt sich jest um nichts Geringeres als um Sein
oder Nichtſein, – wer könnte da noch theilnahmlos von der Wahl-
urne ferne bleiben! Haben die badiſchen Katholiken eine namhafte
Anzahl guter Wahlen zu Stande gebracht, dann wird sich das Mini-
ſterium zweimal besinnen, ehe es, wie ſchon ſo oft, die Gesetzgebung
in Differenzen zwiſchen sich und der Kirche zu Hülfe ruft. Zeigt
ſich durch die Wahl einer größeren Anzahl Abgeordneter der kathol.
Richtung, daß unsere Anschauungen einen mächtigen Rückhalt in
einem großen Theile des Volkes haben, dann wird man auch von
Dben dieser Stimmung Rechnung tragen; zeigen wir uns aber als
Partei nicht lebenskräftig, sondern schwach, dann wird man uns
auch keine Rückſichten mehr schuldig zu sein glauben und wir wer-
den den Satz des alten Testamentes auf uns angewendet ſehen :
„Jsrael, daß du verdirbſt, iſt deine eigene Schuld!“ dInsbesondere
muß aber dem verderblichen Satz entgegengetreten werden, hinter
welchem die Faulheit sich so oft verſtect: „Ah was, auf meine
Stimme kommt's doch nicht an, die Sache geht doch, wie sie gehen
ſoi, ob ich mitwähle oder nicht!“ Liebe Leute, die Jhr so sprecht
beherziget‘ doch folgende wahrhaftige Geschichte. Eine Anzahl
Leute haben einmal in einer Gemeinde –~ wir nennen keinen
Namen = ihrem Lehrer eine rechte Freude bereiten wollen; es
wurde ausgemacht, demſelben ein Faß Wein zu ſchenken, zu
welchem jeder eine Maas von seinem besten Trank beiſteuern ſollte.
Da dachte Einer: „Ha, man wird's nicht merken, wenn ich eine
Maas Waſſer ſtatt Wein in's Faß gieße, auf m ein e Maas kommt's
bei ſo vielen ja doch nicht an“ ; aber so ſchlau dieser war, waren
auch die Anderen und siehe da! als das Faß bei dem Jeſte ange-
ſtochen werden sollte, lief lauter Waſſer heraus. Jeder meinte, auf
ſ e in e Maas Waſser käm'’s nicht an, ſchließlich aber ist's doch da-
rauf angekommen, und weil Jeder meinle, seine Maas mache nichts
aus, war endlich alles zu Waſser geworden. Liebe Leute, hütet
Euch, daß Eure Wahlen nicht zu Waſſer werden, wenn Jeder mei-
nen sollte, auf ihn allein käm’s doch nicht an!

* Heidelberg, 5. Sept. Die Badiſche Landeszeitung freut uns
ob ihrer Offenheit, – ſie gesteht, wie wir in der leßten Nummer
unseres Blattes geſehen haben, unumwunden ein, daß mit dem kath.
Clerus des badiſchen Landes nichts für ihre nationalliberalen Zwecke
zu machen sei. Es iſt lauter „Schlangenbrut“, heißt's jezt bei der
Baſe, wo die von ihr ſelbſt früher Geprieſenen in vorderſter Linie
gegen sie stehen. Am meisten hat uus in ihrer heutigen Nummer
ein Artikel „von der Schutter“ amüſirt, welcher wörtlich lautet :

_ „Kürzlich iſt Herr Dompräbendar Finneiſen aus Freiburg in
hiesiger Gegend gewesen, um den Ankauf des früheren Graumann'’-
ſchen Schl ößchens in Heiligenz ell mit den jetzigen Eigen-
thümern für die Summe von 27,000 fl. abzuschließen; es soll eine
klöſterliche Anstalt daraus gemacht werden. Das wird dann ein
zweites Nest der ſchwarzen Vögel in unserem Amtsbezirk sein. Soll
das ſo fortgehen ? Uebrigens ist's rein unbegreiflich, wie der vater-
ländiſche Mitſtreiter und eifrige Feldpater für das neue deutſche Reich,
wie Hr. Finneiſen, zugleich der eifrige Streiter für's römiſche Jeſui-
tenthum und für die unfehlbare Papſstherrſchaft sein kann.“

Vir wissen nicht, was Wahres an dem Ankauf des betreffen-
den Schlößchens iſt, ~ aber die Frage: „Soll das so fort gehen“
iſt außerordentlich bezeichnend für die Kreiſe, in welchen die Landes-
zeitung ihre Leser und Mitarbeiter findet: un s Katholiken soll es
ſogar verwehrt ſein, für unser eigenes Geld einen Kauf abzuſchlie-
ßen. Das Komische in dem Artikel liegt aber darin, daß die näm-
liche Landeszeitung, die die „Ultramontanen“ fortwährend „pvater-
landsloser Gesinnung“ beschuldigt, an dem Beispiele des Hrn. Dom-
präbendar Finneiſen ihren Ausspruch elend zu Schanden werden ſieht,
da sie ſelbſt zugestehen muß, daß Herr Finneiſen ein „vaterländiſcher
Mitstreiter und eifriger Feldpater für das neue deutſche Reich“ ge-
wesen ist, für welches er die größten Strapaßen des Feldzugs und
die Gefangenſchaft in Feindeshand freudig erduldet hat, und zwar
als ein ebenso eifriger Patriot wie treuer Priester seiner Kirche.
Mag die Landeszeitung an dieſem Beispiele, das sie uns ſelbſt als
Waffe gegen ſich in die Hand geliefert hat, erschen, daß die Pflich-



Samſtag den 9. September





- Inhalt der Annoncen-Expedi-

) ; Ü and ÿfetgtetesn Mosse, Haasenstein&
HH 0 Vgglst. § G. L. Daube & Cie. in

Frankfurt u. Stuttgart 2c.

1871.







ten gegen den Staat und die Kirche ſich neben einander treu und

hingebungsvoll erfüllen laſſen; sie wird, wenn sie dieſen Fall sich

eingehend zu Gemüthe führt, künftig ähnliche Dinge nicht mehr ,rein
unbegreiflich“ finden.

* Heidelberg, 6. Sept. Die nationalliberale Partei unseres
Landes hat den Nationalconſervativen ein Bündniß angeboten, und
daß es angenommen zu werden ſcheint, geht aus dem Umſtande her-
vor, daß die „Warte“ die bezüglichen Anerbietungen mit großer Be-
reitwilligkeit der „Badiſchen Correſpondenz“ entlehnt hat. Den Na-
tionalconſervativen wird dabei besonders gerathen, alles ,„confessio-
nelle Beiwerk“ aus ihrem Programme fern zu halten, ~ es wun-
derte uns, als wir dies in der „Warte“ ſelbſt laſen, daß dieſe den
Nationalliberalen nicht einen ähnlichen Wunſch an's Herz gelegt hat,
da es doch bekannt iſt , daß keine Partei mehr das Theologisiren zu treiben
pflegt, als gerade die der Letzteren. Wären ja doch die Gegensätze
in unſerem Lande überhaupt gar nicht als solche zu bezeichnen, son-
dern lediglich Nüancirungen wenig bedeutender Art, wenn die Natio-
nalliberalen nicht durch ihre unablässigen Angriffe gegen „Ultramon-
tane und Pietiſten“ eine wahre Aussöhnung, wie sie die Neugeſtal-
tung der deutſchen Verhältnisse zu bringen ſchien, unmöglich gemacht
hätten. Würden die Nationalliberalen ihre Angriffe einſtellen, ſo

fiele auch ſelbſtverſtändlich die Abwehr auf anderer Seite hinve.

So aber ist es immer die alte Geschichte: die Nationalliberalen ver-
laſſen überall den politiſchen Weg, um ſich auf das confeſſionelle
Gebiet zu stürzen, und hintennach beſchweren sie sich, wenn die An-
gegriffenen sich auf dasſelbe Gebiet von ihnen gedrängt sehen ! Wenn
dann aber zum Schluſſe den Nationalconservativen das Zugeſtänd-
niß gemacht wird: „Es wird für das Land und seine Interessen
Nichts schaden, wenn einige Vertreter dieser Richtung sich in der
Kammer befinden“, so haben die Nationalliberalen vor Beginn des
letzten Landtages ähnliche Aeußerungen gegen die von ihnen so tief
grhaßten „Ultramontanen“ gebraucht. Wir haben die Erfahrung ge-
nacht, daß es nichts als unredliche Phraſen waren so gut wie die
versöhnlichen Worte, mit denen sie unsere dem neuen Reiche entge-
gengebrachten Gesinnungen beantworteten. Möchten die National-
conſervativen eine reifliche Prüfung den Anerbietungen ihrer angeb-
lichen neuen Freunde vorausgehen lassen !

.. Vom Neckar, 7. Sept. Nicht geringes Gelächter erregen
die literar - hiſtoriſchen Kenntniſſe der guten Wertheimer Zeitung,
welche, wie in verschiedenen Blättern zu lesen iſt, in einem Leitar-

tikel ſagte: „Besiegt und zerschlagen das große (!) Heer ~ der Kirn

ser, der Kaiſer gefangen. So sang Heine am 2. Sept. 1870“.
Daß Heinrich Heine ſchon ſeit 14 Jahren todt ist, kümmert große
Geister wie die in Wertheim freilich nicht, wohl aber wird auf „Jn-
telligenz“ auch in dem schönen Mainstädtchen kein geringes Gewicht
gelegt. Nun, die delicaten Würſte brauchen doch auch eine Enve-
loppe und sei es ſelbſt in der Umwickelung der Heineſchen Grena-
diere vom 2. Sept. 1870!

+ Aus der bad. Pfalz. „Wundern muß man ſich über die
Langruth, welche gegen das tolle Treiben dieser Schlangenbrut
[Bad. Landeszeitung] geübt wird, die man groß gezogen und die
jetzt ihre seitherigen Wärter mit ihren giftigen Biſſen ängstigt“, ſa-
gen auch wir entgegen der Bad. Landeszeitung, die sich zum Be-
weis ihrer Loyalität gegen Staat und Thron mit dem Großh. Wap-
pen schmückt und dabei täglich in Revolution macht, natürlich nicht
gv su vor ttt: Pour att. te qu
finden sich Aufreizungen an die Katholiken, dem Papſt, Biſchöfen
und den Geiſtlichen den Gehorsam zu kündigen und an ihrer Kirche
zu Revolutionären zu werden. Da hieß es schon: „den ſusspendirten
kath. Geistlichen Wacker müsſſe der Staat im Genuß seines Einkom-
mens schützen“ ; wieder ein andermal: „,die altkatholiſche Gemeinde
von Königsberg in Preußen wolle eine Klage wegen Herausgabe der
dortigen katholischen Kirche anstellen — recht so,“ ruft die Landes-
baſe; wiederum „den Katholiken muß der Lebensſaft entzogen“ d. h.
ihnen ihre Kirchen und Schulen, Pfarr - und Kirchenvermögen ge-
nommen und sie für rechtlos erklärt werden. Fühlt denn die Base
nicht, daß sie mit ſolchen Kraftausdrücken in nahe Geiſtesverwand-
schaft tritt mit den Pariſer Mordbrennern, den bekannten Communiſten,
welche gleichfalls Kirchen und Klöſter geplündert, Paläste ausgeraubt
und angezündet, Biſchöfe, Prieſter und Laien füsilirt, d. h. den Le-
bensſaft genommen und einen teufliſchen Haß gegen alle Religion
 
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