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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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Erscheint wöchent'ich73 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samstag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.

Fiê. 25.

An die Wähler des XII. Wahlkreiſes.
(Heidelberg, Eberbach, Mosbach).

Die kathol. Volkspartei, nicht befriedigt durch die von anderer
Seite aufgestellten Candidaturen, hat wie in den anderen, so auch
im zwölften Wahlkreiſe ihren eigenen Candidaten aufzuſtellen beſchlos-
ſen. In der festen Ueberzeugung, daß nur ſelbstſtändige Männer
die großen Aufgaben des Reichstages in einer die deutſche Nation
befriedigenden Weise zu lösen im Stande sein werden, verwirft sie
von vorneherein alle Bewerbungen, welche von solchen Beamten aus-
gehen, die vermöge ihrer dienſtlichen Stellung zur Großh. Regierung
keine Garantien eines ſelbſtſtändigen politiſchen Programmes bieten
können; sie verwirft aber auch diejenigen Candidaten, welche durch
eine völlige Verneinung alles Bestehenden in Kirche und Staat
alle gesunden, auf positiver Unterlage beruhenden Grundsätze im po-
litiſchen Leben des Volkes bei Seite werfen und dem kaum erſt ge-
ſchaffenen deutſchen Reiche eine lediglich negirende Haltung entgegen-
seßen. Gegenüber dieſen beiden extremen Richtungen haben wir
als unseren Candidaten Herrn Dr. Leopold Fiſcher, praktiſchen
Arzt in Heidelberg, aufgeſtellt, für deſſen Wahl bereits alle nöthigen
Schritte in den Amtsbezirken des A]]. Watlkreiſes geſchehen sind.
Herr Dr. Fiſcher iſt ein Mann von ebenſo feſten Grundsätzen wie
gemäßigter Gesinnung, er hat neben seinem ärztlichen Berufe die
politiſchen und socialen Zustände unſeres engeren und weiteren Va-
terlandes aus der Erfahrung wie durch theoretiſche Studien gründ-
lich kennen gelernt, er iſt kein Neuling im öffentlichen Leben, in
welchem er ſich seit Jahren mit freudiger Hingebung an die von
ihm als richtig erkannte Sache bewegt, er zählt vollends zu den
Gemaßregelten des Ministeriums Jolly, und wenn Andere den Muth
auf dem Schlachtfelde als einen vorzüglichen Empfehlungsgrund
eines Candidaten bezeichnen, so glauben wir nicht minder berechtigt
zu sein, den Muth dessen in hervorragender Weiſe zu ehren, der
eher die ſtaatliche Stellung preisgibt, als daß er sein innerſtes
Denken und Wollen einer äußeren Beamtung und ihren Vortheilen
opfert. Der Mann unseres Vertrauens iſt Dr. Leopold Fiſcher!
Das Walhlcomits.

für Stadt














Deutsſc<l and.

* Heidelberg, 27. Febr. Von Seiten der kathol. Volkspartei
iſt in dem 13. Wahlkreiſe (Bezirksämter Sinsheim, Eppingen, Bret-
ten, Wiesloch und Amtsgericht Philippsburg) Herr Profeſſor Dr.
Bett. ! in Heidelberg als Candidat für den deutſchen Reichstag
aufgestellt.



Dienstag den 28. Februar




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* Heidelberg, 24. Febr. 19
auf irgend ein preußiſches Blatt berufen, um auf deſſen Autorität
gestützt die Behauptnng aufzustellen, es sei zwiſchen der kath. Frac-
lion des preuß. Abgeordnetenhauſes (Centrum) an welche die kath.
Volkspartei Badens sich ja anlehnen zu wollen erklärt habe, und
den Conservativen ein enges Bündniß abgeſchloſſen worden, und
diese angebliche Thatsache wurde natürlich dazu benütt, um Angriffe
gegen das Wahlmanifeſt der Abgeordneten Lindau, Lender und Bis-
ſing zu schleudern. Wir erwidern der Bad. Correſp. mit einem
anderen Citate ; die Köln. Volkszeitung von vorgestern schreibt über
denselben Gegenstand :

„Das Manöver iſt übrigens nicht neu; es iſt von Jahr zu
Jahr wiederholt worden, so lange die „katholische Fraction“ bestan-
den hat, so lange überhaupt die „Katholiken“ am öffentlichen Leben
ſich betheiligt haben. Es erinnert lebhaft an die Zeit vor 1859,
als die ſog. Reaction am Räder war. Was that sie? Sie ſuchte
der Welt weis zu machen, das Centrum ſei radical, sei revolutio-
nair. Im Jahre 1859 gelangte der Liberalismus zur Herrſchaft.
Er hatte nichts Eiligeres zu thun, als zu proclamiren: das Centrum
ſtehe im Bunde mit der Reaction. Es galt, mit dieſen Verdäch-
tigungen die Katholiken bei den Wahlen auszuſchließen. Juſt ſo ist
es heute, wo die Reichstags - Wahlen vor der Thüre stehen. Aber
ſiehe da! An demselben Tage, wo die „Coalition“ zwischen der
äußersten Rechten und dem Centrum sich manifestirt haben soll, brin-
gen dieselben „liberalen“ Blätter in derselben Nummer den Kam-
merbericht vom 14. d. An diesem Tage stimmte, wie dort zu leſen
iſt, die Fraction des Centrums (Verfaſſungspartei) wie Ein Mann
mit der Linken gegen die Rechte für Aufhebung des Belagerungs-
zuſtandes; das Centrum stimmte dafür, obgleich doch tagtäglich in
„liberalen“ Blättern zu lesen iſt, daß der Belagerungszuſtand den
„Clericalen und den mit ihnen verbündeten Conservativen“ zu Gute
komme. Und trotßdem eine „Coalition“ der Clericalen mit dem Fort-
schritt und den National-Liberalen gegen die Conservativen, ~ auch
gegen die Frei-Conservativen, den rechten Flügel der „großen libe-
ralen Gesammtpartei“ ! Der rechte Flügel der großen liberalen Ge-
sammtpartei hat sich am 14. Febr. ſchlecht geschlagen; die Liebe zur
bürgerlichen Freiheit derer von Kardorff und Bethuſy - Huc iſt an
jenem Tage elendiglich zu Schanden geworden an der Frage der
Aufhebung des Kriegszuſtandes, an welcher doch ein gut Stück un-
ſeres Verfaſſungslebens hängt. Und wenn ſich bereits gezeigt hat,
daß die Befolgung des Beſchluſſes des Hauſes nicht zu erwarten
iſt, ſo ſoll hier daran erinnert werden, daß gerade die National-Libe-
ralen es sind, welche durch ihre auf Kosten der Volksrechte und der



Wer hat das gethan ?
(Eine YHeſchichte aus dem Leben.)
(Fortsetung.)

Ein Schlag fuhr durch alle Glieder des jungen Mädchens. Kaum ver-
mochten ihre zitternden Finger den Knoten zu lösen. Plötzlich stieß ſie einen
dumpfen Schrei aus und bückte sich haſtig zur Erde. Dicht an dem Fenster
lag ein rothſeidenes Taſchentuch.

nLeonhard, hauchte sie, faſt in die Knie sinkend, Leonhard ist hier gewe-
ſen! Er hat seine Drohung erfüllt. O, mein Gott, mein Gott !-

. Hermine raffte ſchnel das Taſchentuch auf und verbarg es in ihrem
Kleid, mit verwirrtem Blick sich umſehend, ob auch Niemand dies Zeichen, daß
ihr Geliebter ein Mörder war, bemerkt habe. AUes war still und einsam;
nur die Naeht ſchaute mit ihren ſchwarzen Augen ins Fenſter hinein.

Ein furchtbares Grauen ergriff das Mädchen; sie nahm das Licht vom
Tiſche und wollte aus dem Zimmer fliehen. Da fühlte sie sich in die Hacken
von Liſettens Kleide gehängt. Sie wandte sich verſtört um und sah in das
blaue Gesicht und die stieren Augen der Gemordeten; ſchaudernd rieß sie sich
mit einen Rucke los und floh aus dem Zimmer. Die Lichtſcheere fiel von
ihrem Leuchter klirrend zu Boden. Wie von Gespenstern verfolgt, flog sie den
Weg zurück, den sie gekommen war, über die dunklen Treppen und Gänge, wo
aus allen Winkeln Leichengeſichter und blutunterlaufene Augen sie anſstarrten.
qu ße fit Thür ihres Zimmers hinter sich geſchloſſen hatte, siel sie ohnmäch-
ig zu Boden.

Die Dienstmädchen wunderten sich am andern Morgen, daß die Haushäl-
terin gar nicht zum Vorschein kam. i

„Sie spielt die Madame, sagte das Küchenmädchen. Wie wird das wer-
et utter Heider sie erſt geheirathet hat ! Dann trinkt sie gewiß den

ee im Bette.

„Was mag mit der Mamſell paſſirt sein, ſagte einer der Knechte, der aus
dem Garten kam. Sie sitzt im Lehnſtuhl vor dem Fenster und ist ganz blau
im Gesicht. Der Doctor ist gerade bei dem Kleinknecht, der sich den Arm ver-
Nuts ich will ihm sagen, daß er auch nach ihr ſieht; richtig iſt es nicht
mit ihr.“



Als der Arzt in Liſettens Himmer trat, das bereits mit einer neugieri-
gen Menge angefüllt war, traf ſein erster Blick auf die todtenbleiche Hermine.

, Fräulein Hartwig ! sagte er verwundert ; wie ſehen Sie aus ? Was
f". qa! ‘bin ſo sehr erschrocken“, stammelte sie athemlos.

Der Arzt, der Herminens Ruhe und Faſſung am Kranken- und Todtenbette
von Frau Heider geſehen hatte, ſchien auf's Höchste erſtaunt über ihre Altera-
tion bei einem Unfall, den die Haushälterin getroffen hatte. Noch während
er zu dem Lehnstuhl am Fenster ging, blickte er sich noch einmal ſchnel nach
tu. bückte sich, um Liſette ins Gesicht zu sehen, fuhr aber in demſelben
Augenblick zurück und sah wieder, aber jezt mit wahrhaftem Ensetzen, auf die
zitternde Hermine.

„Wo iſt Herr Heider ?" fragte er.

„Er kommt, hier ist er,“ antworteten viele Stimmen und eilig drängte sich
die Dienerſchaſt auf die Seite, um ihrem Herrn Plat zu machen, der roth
und keuchend, mit allen Zeichen der Angst und Aufregung im Gesichte ins
Zimmer trat. ~ „JIſt ſie todt ?“ fragte er athemlos, als er dem verſtörten
Blicke des Arztes begegnete.

„Schon seit mehreren Stunden,“ antwortetete dieser gepreßt.

nEin Schlagfluß ?“

„Nein, ſagte der Arzt und zeigte auf einen bläulichen Flecken am Halſe
ij sc szguc
taumelnd.

„Mit dem Tuche hier;

. . Es iſt unmöglich! ſchrie Heider zuſammen-

sehen Sie, wie fest es zuſammengeſchnürt war.
Der Mörder muß an beiden Zipfeln angefaßt und gezogen haben. Cine ge-
ringe Krafanstrengung genügte . . ."

„Wo iſt mein Sohn ? Wo iſt Leonhard?“ unterbrach ihn Heider mit
furchtbarem Tone.
(Fortsetzung folgt.)


 
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