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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0461

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erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
zrägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. B.

Jô. 116.

für Stadt





Ta g e s b e r i < t.

— Ez herrſcht politiſche Windstille. Keine Nachrichten von
besonderer Erheblichkeit wiſſen der Telegraph und die Blätter zu
melden. Um in der Zeitungssprache zu reden, läßt sich sagen: der
Horizont iſt nicht ganz rein, aber er iſt auch uicht umwölkt. Keine
der Fragen, welche eine Friedensbedrohung in sich tragen könnten,
befindet sich auf der Tagesordnung.

Gleich dem Pariſer „Temps“ hat auch ein ungarisches !Blatt
Mittheilungen aus der Beuſt'ſchen Depesche über Gastein und Salz-
burg gebracht. Wenn Eines und das Andere, was dieſe Blätter
ſagen, nicht darin stehen ſollte, ſo ſteht auch keinenfalls da s in der-
selben, was man wirklich abgemacht hat. Lediglich um sich zu
umarmen, zu küſſen und mit warmen Händedrücken gegenſeitig zu
bekräftigen, wie ſehr lieb man sich habe, iſt man ſicherlich nicht
zuſammengekommen. Man ſoll keinen Bündnißvertrag abgeſchlossen,
keine Convention irgend einer Art, z. B. gegen die Ultramontanen,
was die Liberalen ſehr gerne gesehen haben würden , unterzeichnet
haben. Das glauben wir sehr gerne, denn Graf Beuſt will ja mit
aller Welt gut Freund bleiben und den europäiſchen Friedenshüter
spielen, wozu eine Allianz uit dem neuen deutſchen Reiche nicht
zum Besten paſſen würde. Niedergeschrieben aber wurde Etwas,
und wir meiuen, es betresfe das hauptſächlich den Prager Friedens-
vertrag ; aus dem Bedürfniſſe, die Seitens Desterreichs mündlich und
in Depeſchen ausgesprochene Anerkennung der Errichtung des neuen
deutſchen Reiches und des Kaiserthums Schwarz auf Weiß feſtzuſtel-
len; was Deſterreich- Ungarn wohl durch Zusicherungen vergolten
werden. wird, die auf ein einträchtiges Handeln bei gewissen in das
Auge gefaßten Fragen sich beziehen. Daß es sich bei den Confe-
renzen von Gaſtein-Salzburg in der That um den Prager Friedens-
vertrag vorzugsweiſe gehandelt haben mag, läßt sich auch aus dem
Beſuche ſchließen, den der König von Dänemark dem Kaiſer Wil-
helm in Baden-Baden abgestattet hat, und worüber man der A. Z.
berichtet, es habe derſelbe eine erfreuliche politiſche Bedeutung, die
auch im Norden jeden Zankapfel aus dem Wege ränmen wird, wie
es im Süden und Oſten bereits geſchehen iſt. Die Beſtätigung die-
ser erfreulichen Nachricht bleibt adzuwarten.

Da nach Aussage der Officiösen durch die freundſchaftliche
Verständigung zwiſchen Deutſchland und Oesterreich - Ungarn eine
eminente Friedensbürgſchaft gewonnen, gleichſam ein europäiſches
Friedenswächteramt aufgestellt worden iſt, in welches die beiden
nun so herzlich übereinſtimmenden Kanzler sich theilen, so ist es
Jedermann unbenommen, der Meinung zu huldigen, daß wir das



Donnerstag den 5. Oktober



Inseraten-Inhalt der Annoncen-Expedi-
Hionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
Vor. Gantfurtu. Erutigart ze.

1871.

und Land.



jährigen Friedensreiches





Glück haben , im Anbruche des tauſend
. letet4. dänische Reichstag ist wie die bayeriſche Ständeverſamm-
lung ohne Thronrede eröfsnet worden.

++ Die religiöse Lage Deutschlands und die
Centrumsfraktion im deutſchen Reichstage.

In der zu Brüßſel erſcheinenden „Revue générale“ veröffent-
licht der Reichstagsabgeordnete Dr. A. Reichensperger einen
längeren Aufsay in obigem Betreffe, welcher die Bestimmung hat,
das durch seine Preſſe über die deuiſchen Verhältniſſe meiſt nur
mangelhaft in Kenntniß geſette Ausland besſſer zu unterrichten.

Hr. A. Reichensperger macht zunächst Mittheilung von dem be-
kannten Programm der Centrumsfraktion, und bemerkt, dieſen Prin-
t i R qu leo oi t übt chutes Üihts

), . !

puncten und hat in keiner Weiſe eine ſyſtematisch feindliche Stellung
gegenüber der Regierung eingenommen. Aber schon der Umstand,
daß sie ſich aus Katholiken zuſammenſetzte, die ernstlich entſchloſſen
waren, gegen jeden Angriff das Recht und die Freiheit ihrer Kirche
zu vertheidigen, und daß dieſe Katholiken meist in den blühendſten
und inltelligenteſten Theilen Deutſchlands gewählt waren, wo der
Pfeudoliberalismus seine Herrichaft unerſchütterlich befestigt glaubte,
dieser Umstand allein genügte, um gegen die Fraction eine Coali-
tion von sämmtlichen der Kirche feindlichen Elementen ins Feld zu
stellen. Bei der Adreßdebatte begann der Kampf. „Obſchon das
Centrum sich durchaus in der Defensive hielt und seine Redner die
größte Mäßigung bewiesen, erhob ſich ein wahrer Sturm von An-
griffen gegen sie und ihre Kirche, sowohl im Parlament, als in der
Preſſe aller Parteien.“

Herr A. Reichensperger erwähnt
weiteren Verlaufe der Seſſion keinen Antrag mehr eingebracht habe,
der irgend einen Angriff auf dieselbe hätte veranlaſſen können. Es
seien aber dann mit um so größerer Leidenschaftlichkeit die Wahlen
zu einem wahren Kreuzfeuer gegen die „klerikale Partei“ ausgebeutet
worden. – Der Verfaſſer berührt ferner, daß die Regierung bri
all’ diesen Vorfällen sich durchaus paſſiv verhalten, und Fürſt Bis-
marck bei der Debatte wegen Elſaß-Lothringen in seinen Reden mehr
Berührungspunkte mit den Ausführungen Windthorſt's nnd Reichens-
pergers gezeigt habe, als mit denen der anderen Parteiführer. Die
Fraktion sei in keinem einzigen Falle in offene Feindseligkeit mit
dem leitenden Staatsmanne getreten, und habe sogar sich einer ttt



hierauf, wie die Fraction im



Das Blumenmädchen.
Eine amerikaniſche Geschichte.
(Fortſezung.)

Tief ergriffen richtete der Greis sein Haupt auf und ſchaute ſie lange
und ernſt an, dann sank er, von einem mächtigen Gefühle übermannt, in die
Kniee, und aus dem Innersten ſeiner gequälten Seele drang ein Gebet zu dem
Throne des Almächtigen. Er flehte um Kraft, in der Prüfung auszuhalten.
hs it Alte war neben ihm niedergesunken. Auch sie betete laut, doch ihr

ebet war :

„Brod! Brod! O Herr, gib uns unser täglich Brod.'

Der alte Walter erhob ſich gestärkt.

„Gott, ich danke Dir, daß Du mich bisher beſchütt haſt, und Du wirſt
qus) eiter Jeten ! sagte er mit einer Stimme, ſo verändert, daß sie erstaunt

anfblickte.

„Dir iſt besser, Ben ? Mir auch."

„Ja, Frau ! Mir iſt besser !"

Die Alte nickte das Haupt, und beide überließen ſich ſchweigend ihren
Gedanken. So ſchlichen die Minuten langſam dahin. Der Regen fiel in Strö-
men; der Vind erſchüttterte die loſen Fenſterſcheiben ; das Feuer im Kamin
der kleinen Stube ward immer ſchwächer und warf nur noch einen matten
Schein über die Gesichter der beiden Alten. ;

Ein schwaches Geräuſch unterbrach plötzlich die Stille. Die Gesichter des
alten Paares belebten ſich im Ausdrucke geſpannter Erwartnng. Sie mochten
wohl den leichten Schritt, welcher jeßt von der Treppe her ertönte, kennen.
Die Zimmerthür ward ſchnell geöffnet, und herein trat die kleine Frances, das
Blumenmädchen. Sie war durchnäßt und erſchöpft, doch ihr Gesicht leuchtete
von glücklicher Aufregung.

Der Alte erhob sich raſch und warf eine Hand voll Holzſstücke auf den
Herd, und bald erleuchtete eine ſchnell auflodernde Flamme das Zimmer. Und
da ſtand ſie in der Mitte desſelben, unſere brave, kleine France, triefend vom
Regen, doch ſtrahlend im Glück. Ihre Augen blickten auf die Großeltern wie
zivei freundliche Sterne, und der Ton ihrer fröhlichen Stimme erfülite die
Herzen derſelben mit unbeſtimmter Hoffnung. |



„Du glaubteſt wohl, daß ich mich verirrt, Großvater, oder daß mich der
Regeni erträngkt. Welch’ ein Regen! es gießt förmlich vom Himmel herab.
So n mm mir hoch den Korb ab, liebe Großmutter! Doch warte, ich will erſt
.! “tt tum t die Kleine ein Licht aus dem Korbe hervor und kniete

vor dem Herde nieder, um das Licht anzuzünden; aber ihre kleine Hände zit-

terten, und die Flammen tanzten ihr vor den Augen. JIhr ganzer Körper
U . kindlicher Freude ſo ſehr, daß sie nicht im Stande war, das Licht

„Komm her , Großpapa, verſuche Du es einmal! sagte sie, ihm lachend
das Licht hinhaltend. „Ich werde nie damit zu Stande kommen ; doch glaube
nur ja nicht, daß ich vor Kälte oder Erschöpfung zittere. Seid nur ganz un-
besorgt, ich werde Euch gleich Alles erzählen. – So, nun haben wir Licht ;
kommt, kommt und ſeht, was ich mitgebracht habe !"

Frances zog ihren Korb vor den Herd, die Großeltern knieten neben dem-
selben nieder. Der Eine hielt das Licht, die Andere weinte wie ein Kind.

„Sieh her , Großvater, sieh her, ein Beefsteak, ein großes, dickes Beessteak

und Gurken und Brod, und — und ei, ſo ſieh doch, Großmutter, dieß Papier
~ was mag es wohl enthalten? Hm! hm! dachte ich mir's doch, daß Dir
dasſelbe Freude machen würde ! Thee, grüner Thee und Zucker, und > doch,
Großvater, ich glaube gar, Du weint ? Wie iſt es denn möglich ~ ſiehſt Du
denn nicht, wie glücklich ich bin? So wahr ich lebe, ich weine ſelbſt mit! Und
warum denn ? Es ist doch komiſch, daß wir Alle weinen! Ich — ich glaube
daß ich noch vor lauter Glück sterbe !“
Wie sie dieſe gebrochenen Worte äußerte, entfiel den Händen des aufge-
regten Wesens das Papier mit dem Thee, und heftig weinend warf ſie ſich an
die Bruſt der alten Frau, überwältigt von der Freude, welche ihre Gaben in
der armen Wohnung verbreiteten.

Während ihre Arme den Nacken der Großmutter umſchlangen, hielt diese
ihren Blick auf den Inhalt des Korbes gerichtet, 1 ach ein

ind ihre Hand br

Stückchen von dem Brode inmitten der Liebkoſungen des Kindes

gierig verzehrte.

„ welches ſie

(Fortſezung folgt).
 
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