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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0378

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~ 378 –

in einer kirchl. Sache unrichtig sei, ganz naiv antwortete, er habe
das ja ſchon wiederholt in der ziemlich unparteiiſchen
Karlsruher. Zeitung geleſen, er hoffe nicht, j,„düpirt“ zu
werden, sonſt bedaure er, ſichſo „theuer“ abonnirt zu
h aben, die Landeszeitung lese er nicht“ 2c.

Cs bedarf keines Wortes weiter darüber, daß der Journalis-
mus auf diesem Wege gerade in Deutſchland eine große Macht wer-
den mußte, und wie zerſtörend derſelbe im Süden unter dem Ein-
fluſſe nordiſchen Geldes seit Jahr und Tag gewirkt hat, gewirkt in
politiſcher und sittlich-religiöſer Beziehung. Dieſer Macht der ver-
derblichen Preſſe entgegenzutreten, iſt allerdings eine höchſt ſchwierige
Sache, auch ſchon deßhalb, weil sie, abgeſehen von den ihr meistens

in großer Maſſe zufließenden Geldmitteln aus „unbekannten Fonds“,
auch das verführeriſche Mittel der Lüge in allen ihren verſchiedenen

Gestalten nicht ſchent, und wenn auch hundertmal widerlegt, doch
unermüdlich immer von Neuem und zulett doch mit einigem Erfolg
davon Gebrauch macht, gleich einem Schacherjuden, der, zu einer
Thüre hinausgejagt, durch eine andere wieder hereinkommt, um doch
ein kleines „Händelchen“ zu machen.

Dessen ungeachtet dürfen diejenigen, welchen es um die Sache
der Wahrheit und Ordnung zu thun iſt, nicht die Häude in den
Schooß legen und entmuthiget von dem Kampfe abſtehen. Man un-
terſtüte mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ein gut redigirtes
Blatt, man sorge namentlich für große Verbreitung, wodurch auch
die Wahrheit verbreitet und das ſchändliche Treiben der Lügenblät-
ter wenigstens einigermaßen unſchädlich gemacht wird. Watrlich,
hätie Dante, als er seinen Interno ſang, die heutige liberale Zei-
tungsliteratur gekannt, wir dankten ihm gewiß noch einen Canto
mehr, in welchem er uns dieſe Klaſſe von Journaliſten beſchriebe. –
Wenn es wahr iſt, was die ,„N. Bd. Ldsztg.“ von einem ihr zuge-
kommenen Briefe eines Beamten ſchrieb, wornach derſelbe dieſes Blalt
nicht mehr halien könne, ohne auf die Liſte der „G eächtete n“ zu
kommen, so iſt das insofern arg, weil genanntes Blatt kein schwar-
zes iſt, um wie viel mehr aber wäre für eine Klaſſe von anderen
Beamten cine ſolche Cenſur zu wünſchen, die zur wahren Jronie
ihres Standes und Elaubens fuch srothe Blätter auf ihren Tiſchen
liegen haben. Das heißt man, für Verbreitung guter Blätter sor-
gen, daß Gott erbarml!

+ Aus dem Urnuterlaude, 14. Aug. Einen neuen Beitrag
zur Friedensſtiftung nach dem Krieg liefert „das Gedenkbuch für
das bad. Volk und ſeine Krieger, Karlsruhe bei Bielefeld, welches
den Gemeindebehörden zur Anſchaffung für Lehrer und Schule zu-
geſendet wird. In dieſem Gedenkbuche iſt Seite 2 zu lesen:

„Es hatte den Anſchein, als solle das Jahr 1870 sich zu seinen
Vorgängern verſammeln ohne der Geschichte eine wichtigere Kunde
zu hinterlaſſen, als daß die Väter des ökumenischen Concils in Rom
beſchloſſen haben, der Papſt könne eben so wenig irren wie der
liebe Gott und man habe ihm daher den gleichen Gehorſam zu er-
weiſen wie di eſ em.“

Greller können wohl Dummheit und Bosheit zugleich nicht aus-
gesprochen werden als in diesen Zeilen, und solch’ eine confeſsionelle
Hetzerei wagt man den Gemeindebehörden für den Gebrauch der
Schulen zu empfehlen!

X Bruchſal, 15. Aug. Heut wurde ein zehn Jahre alter
israelitiſcher Knabe beerdigt, der auf eine höchſt traurige Weiſe ſein
frühes Lebensende fand. Unglückseliger Weiſe geſchah nämlich in der
Stadtapotheke eine Arzneiverwechslung. Der kranke Knabe erhielt
das unrechte Medicament mit so unheilvoller Nachwirkung, daß alle
ärztliche Hilfe keinen Erfolg mehr hattte und der Tod raſch eintrat.
Es ist für die Angehörigen ungemein ſchmerzlich, auf solche Weise
ein Kind zu verlieren, was auch eine allſeitige Theilnahme hervor-
rief, wovon die große Grabbegleitung hinlänglich Zeugniß gab.

* Karlsruhe, 15. Aug. In der hiesigen Freimaurerloge tagte
vorgestern der Landesausſchuß der nationalliberalen Partei Badens
zur Beſprechung der Landtagswahlen. La mey führte den Vorsit
und Kiefer und Eckh ard waren die Hauptrevner. Daß es in den
Reden dieſer Männer wieder hoch herging über die „Ultramontanen“,
versteht sich von ſselbſt, da dies das Kapital iſt, von welchem die
nationalliberalen Poliliker zehren. Herr Kiefer hob beſonders her-
vor, daß man mit anderen Meinungen als den ſtrikt nationallibera-
len glimpflich nmgehen solle, aber nur nicht mit den „ultramon-
tanen“, die auf's Eniſchiedenſte bekämpft werden müßten. Mit den
„Nationalconservativen“ (Partei der „Warte‘’) könne man ſsich allen-
falls verständigen, da den politischen Bestrebungen derſelben von dem
Redner große Anerkennung gezollt wurde. Was wird aber Herr
Kiefer zu der heutigen Auslaſsſung der „Warte“ sagen, die ſich
komiſch genug zu seinem begeiſterten Lobgeſang auf die Vertreter des
orthodoxen Proleſtantismus ausnimmt : „Die Gegnerſchaft gegen den
YUltramontanismus“, sagt die „Warte“, „iſt das Einzige, was den
äußerſt verſchiedenartigen Elementen, die ſich hei uns noch in dem
Gedanken sonnen, im Besih der Herrſchaft zu sein, eine gemeinsame
Farbe gibt. Diese Gegnerschaft tritt aber faſt in allen liberalen

Organen in einer Weiſe hervor, die eine politiſche gar nicht ge-

nannt werden kann. Nicht die Selbständigkeit des Staates und

deſſen gutes Recht kommt dabei in erſter Linie in Betracht, sondern | Z

die platte Aufklärungsphraſe, die gemeine Hehe gegen Alles was



kirchlich ist. Ja wollte man die Beſtrebungen der liberalen Partei
nach den Aeußerungen der afterliberalen Preſſe beurtheilen, so wäre
nichts evidenter, als daß ihr der Staat blos Mittel schiene, um
einem seichten Radikalismus zu unbedingter Herrſchaft auf allen
Gebieten unſeres Culturlebens zu verhelfen. Die Mittel des Staates
zu benüzen, um dem Staat ſelbſt und in seinem Gefolge natürlich
auch die Kirche zu Grunde zu richten, das ist die eigentliche Weis-
heit dieser Politik des siechen Menſchenverſtandes, wie sie in den
Zeitungen und Verſammlungen des Modeliberalismus graſſirt.
Mag Herr Kiefer, der Lobredner der „Wartepartei“, in seiner Bad.
Correſpondenz zu dem Compliment des ,siechen Menſchenverſtandes“
in der Preſſe und in dea Verſammlungen seiner Partei, wo. er für
die „Warle" plaidirt, sich ſelbſt den Commentar ſchreiben oder ſchrei-
ben laſſene,, — wir. haben keinen. Beruf. dazu,„da wir. uns nicht
wieder dem Vorwurf der Gehäſsſigkeit ausſegen wollen. Uebrigens
möchten wir doch Herrn Kiefer freundlichſt daran erinnern, daß das
dirigirende Organ seiner Partei, die Badiſche Correſpondenz, uns
vor den Reichstagswahlen ein großes Verbrechen daraus zu mckchen
ſuchte, daß die katholiſche Volkspartei ein Bündniß mit der in der
„Warte“ vertretenen Richtung anſtrebe, daß sie alſo im Reichstage
mit den preußiſch-pommeriſchen Landjunkern zuſammengehen wolle,
gegen deren. reactionäre Tendenzen nachdrücklichſt gewarnt wurde.
Jetzt empfiehlt Herr Kiefer seinen Nationalli=eralen dieſes Bünd-
niß, ~ wie wäre es, wenn wir jetzt bei den Wahlen den Spieß
umkehren und dieſelbe Waffe gegen ihn gebrauchen wollten?

* Karlsruhe, 18. Aug. Der pensionirte Präsident des Oberstif-
tungsrathes, Herr Ziegler, iſt heute geſtorben. –~ Die Pfälzer Ztg.
will wiſſen, daß Miniſter Jolly eine Dotation von 150,000 Tha-
lern erhalten werde. |

München, 14. Aug. Graf Hegnenberg-Dux wurde geſtern vom
Könige auf Schloß Berg in zweistündiger Audienz empfangen.

München, 15. Aug., 2 Uhr 20 Min. Nachm. Fürſt Bismarck
iſt nebſt Gemahlin und Tochter soeben hier eingetroffen und in dem
Hotel „Hu den vier Jahreszeiten“ abgestiegen.

* Aus Bayern bringen die Blätter die Rede des Reichstags-
abgeordneten H erz vor ſeinen Wählern in Weißenburg, in welcher
er den Nationalliberalen in aller Form den Laufpaß gibt, zu denen
er früher gezählt hatte. Derselbe ſagte u. A. : G;;

„Wenn ich überzeugt geweſen wäre, meine Wähler ſeien ſammt
und sonders mit der Bewilligung von Dotationen an hochverdiente
Heerſührer einverſtanden, wenn ich ein telegraphiſches Mißtrauens-
Votum gefürchtet hätte, ich würde iroßdem gegen das Dotations-
Geſetß geſtimmt haben; denn ich verleugne meine Ueberzeugung nicht.
Laſſen Sie mich davon absehen, daß dieses wichtige Finanz-Geſetz
rückſichtslos in lezter Stunde dem ermüdeten Hauſe vorgelegt wurde.
Aber einen Einwand der Dotations-Luſtigen will ich ſofort widerlegen.
„Der Kaiſer hat es gewünſcht,“ sagen diese Herren. Ich reſpectire
gern die Herzenswünſche des Kaiſers; in erſter Linie aber folge ich
dem Zuge meines eigenen Herzens, und wenn mich der Jammer und
das unverſchuldete Elend, wie es dieſer Krieg gesſchaffen, hohläugig
und verzweifelnd angrinst, wenn ich bei jedem Schritt und Tritt
auf Krüppelhafte stoße, denen die kärgliche Penſion nie erſett, was
sie verloren, wenn ich die herzzereißende Noth und Armuth ſo vieler
durch den Krieg ruinirter Familien sehe, dann widerſtreht es meinem
Gemüth, Millionen für Männer zu bewilligen, deren Verdienste groß
und bewundernswerth , die aber dieſer Schenkungen nicht bedürftig,
zum großen Theil hochbetagt und im Grunde genommen dadurch
weniger persönlich belohnt sind, als ihre verdienſtloſen Erben. Auf
dieſe Weiſe wird eine neue Serie adeliger Geſchlechter geſchaffen,
unberechtigt, aber keineswegs unbedenklich und gewiß höchſt unnöthig,
denn es iſt kein Mangel an Aristokraten im Reiche. Die deuiſchen
Heerführer haben Großartiges im Kriege geleiſte. Aber hat nicht
Jeder seine Schuldigkeit gethan, und verdanken wir die herrlichen
Erfolge mehr dem Genie und der Leiſtungskraft der leitenden Personen,
als der seltenen Einmüthigkeit der gesammten Nation, dem deuiſchen
Volke iu Waffen, das in heiligem Zorn den frechen Eindringling
zu Boden warf?“ i

Vortrefflich, müſſen wir ausrufen ~ ganz nach unserem Sinn!
Wie werden die Sonnenanbeter und Bauchkriecher in der national-
liberalen Presſe sich ärgern über diese sie tief beſchämenden Worte !

Und was Herz über die Dotationen sagt, trifſt in noch höherem

Grade zu über die Standbilder, die man verdienten Generalen zu
ihren Lebzeiten segen will. Das Standbild gehört dem Todtten,
die Dotation meinetwegen dem Lebenden, wenn man's doch einmal
nicht anders wollte. Aber gar Dotation und Standbild, das geht
unſeres Crachtens über alles Maß hinaus und iſt zugleich unlogiſch.
Wer ,dotirt“ worden ist, dem sind seine Dienste bez a hlt worden
und er hat daher keine weiterreichende Ansprüche zu machen, ~
die beiden Dinge zusammen laſſea sich nicht vereinigen. Ueber-
haupt meinen wir , man ſollte nicht in Götendienerei verfallen.

Man dbilicke doch auf die großen Männer des klasſiſchen Alterthums

und lerne und lehre an den Beiſpielen der Befreier Griechenlands
Beſcheidenheit und Maßhalten. Wie einfach iſt Ariſtid es, ~ und
wahrlich dem Mann, der lediglich seine Pflicht erfüllt, haben die
Zeitgenoſſen kein Standblild geseßt, und er wäre der Lette gewesen,

der ſich auf's Poſtament hätte stellen laſen. w
 
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