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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0502

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i .. 602 ......4
* Karlsruhe, 25. Okt. Die Karlsr. Ztg. von heute meldet]

in ihrem amtlichen Theile: S. Maj. der Kaiſer von Deutschland
und König von Preußen haben durch Allerhöchste Kabinetsordre
vom 18. ju 19. c. Nachſtehendes allergnädigſt (u. A.) zu bestim-
men geruht:

Der Generalmajor Freiherr v. Deg enfeld, Kommandeur der
56. Infanterie-Brigade, und Keller, A 's w t der 67. Inf.-
Brigade, werden in Genehmigung ihres Abſchiedsgeſuches, unter
Verleihung des Charakters als Generallieutenant, mit der gesetzlichen
Pension zur Disposition geſtellt.

~ , So leb' denn wohl –M ~7 — *

~ Im Bezirk Tauberbiſchofsheim wurde Dr. Biſsing mit
78 gegen 48 Stimmen zum Abgeordneten gewählt. Gegenkandidat
war Seminardirektor Neumaier mit 47 Stimmen.

Baden, 26. Oct. Die Nationalliberalen wählten heute zum
Deputirten Anwalt Buſch in Karlsruhe, nachdem vorher 6 Herren
der Partei entſchieden für die Ehre gedankt hatten. (Bad. Beob.

- p Bezirk G ern s b ach wurde gewählt: Apotheker Bickel
in Rolthenfels.

* Heidelberg, 26. Okt. Heute wurde im Rathhauſe dahier die
Kreisversammlung des Kreiſes Heidelberg durch den Kreishauptmann
Hrn. Stadtdirektor Frech eröffnet. Dabei kam folgendes Schreiben
zur Mittheilung an die Mitglieder der Kreisversammlung:

Herrn Kreishauptmann Frech hier !

Ich empfange soeben die Vorlagen des Kreis-Ausschusses an
die Kreisverſammlnng nebſt den Vorschlagslisten für Ernennung der
Bezirksräthe in den 4 Amlsbezirken.

Ich habe seither in der Kreisverſammlung jedes Jahr dagegen
Verwahrung eingelegt, daß der Kreisausſchuß, in welchem der Amts-
bezirk Wiesloch nicht vertreten iſt, die Vorsſchlagsliſte für dieſen
Amtsbezirk aufstele, ohne daß die gewählten Vertreter dieſes Be-
zirks vorher über die aufzuſtelenden Personen gehört werden.

Nach dem Wortlaute der betr. Miniſterial- Verordnung ist
der Kreisausſchuß zu einem ſolchen Verfahren allerdings formell be-
rechtigt; dem Grunds at e der Selbstverwaltung widerſpricht es
aber auf's Schreiendſte, wenn die Bezirksräthe, welche doch Vertrauens-
personen des Volkes bei der Verwaltung sein sollen, mit Umgehung
des durch das Volk gewählten Abgeordneten durch unbekannte Dritte
und jedenfalls durch Minderberufene auserleſen werden. Da die
Bezirksräthe auch die Liſten der Geſchwornen aufzuſtellen und diese
leßiere jezt auch über politiſche Vergehen abzuurtheilen haben, so
wird durch das seither geübte Verfahren der Grundſatz, politiſche
Vergehen durch Vertrauensmänner aus dem Volke aburtheilen zu
laſſen, vollständig verleugnet.

Da der Kreisausſchuß auch in dieſem Jahre eine Aenderuug
dieſes groben Mißstandes herbeizuführen nicht gewillt iſt, vielmehr
es vorzieht, sich nach wie vor von den Herrn Beamten das Recept
machen zu lassen, ſo habe ich mich entſchloſſen, das Mandat meinen
Wählern zuruckzugeben.

Mein letttes Bedenken gegen diesen Schritt mußte bei der Er-
wägung ſchwinden, daß die geſetlliche Wirkſamkeit eines Kreis-Abge-
ordneten so beſchränkt iſt, daß ich meine Committenten zu täuſchen
glaubte, wenn ich sie in dem Wahne erhielte, als könne ich ihnen
nützlich Fein.

Heidelberg, den 23. Oktober 1871.

Jakob Lindau.

In Folge der Mandatsniederlegung des Hrn. Lindau war des-
ſen Ersatzmann, Hr. Dekan Schmidt in Dielheim einberufen worden.

Die Bad. Chronik der Klsr. Ztg. meldet, daß in Offenburg
ſich ein altkatholiſcher Verein gebildet habe. Nach Mittheilung des
Offenburger Anz. steht an der Spite der Gymnasiumsdirector Int-
lekofer, dem zunächst folgen: die Profeſſoren Riegler, Stephan und
Trunk. Der Off. Anz. schreibt weiter : Diese 4 Genannten haben
eine Heit lang Theologie sſtudirt und dann ,umgeſattelt“. Beim
„Millionenmichel" hat sich nach einem Vortrage des Hrn. Intle-
kofer die altkatholiſche Gemeinde constituirt und wird demnächst mit
ihren Statuten an's Tageslicht treten. Die Versicherung, sie woll-
ten die Pfarrkirche für ſich in Anſpruch nehmen, halten wir nur
für einen Spaß; denn bei ſämmtlichen Betheiligten, soweit wir sie
kennen, haben wir nie eine beſondere Liebe zur Pfarrkirche bemer-
ken können. Wenn der nene ,altkatholiſche" Verein den Kirchenbe-
ſuch in seine Statuten aufnimmt, dann wird er wohl nicht viel Zu-
lauf bekommen. Wir denken, die Spitalkirche wäre dann paſſender
für den Verein, aber immer noch viel zu groß. '

~ Die Bad. Landes.-Ztg. erhebt im Blatte vom 25. d. einen
Weck- und Werberuf für die vom Protestautentag ausgeschriebene
Jeſuitenhete, welcher mit folgendem Bedauern anfängt : „Wie viele
Leute ſchütteln unwillig den Kopf, wenn sie das Wort Jeſuiten
leſen. Laßt mich in Ruhe mit den Jeſuiten; die werden die Welt
auch nicht mehr zurückdrehen! ‘ – Dann am Schlusse des Artikels:
„Die größte Macht der Jeſuiten besteht eben darin, daß ein Theil
der Gebildeten es bisher verſchmähte, sie für eine Macht zu hal-
ten." — Und eine Leuchte der Gebildeten, Bluntſchli, hat die Je-
ſuiten mächtiger als Bismarck, mächtiger als das größte Kriegsheer
erklärt ~ das hätte doch wahrlich ziehen, und den Poſaunenſtoß
der Landeszeitung überflüſſsig machen ollen.



. „t Heivelberg, 27. Okt. Gegen die „Internationale“ zieht
ein Sturm herauf. Bekanntlich ſollen die Reichskanzler der beiden
befreundeten Großſtaaten bei den Conferenzen zu Gastein und Salz-
burg insbesondere auch Erwägungen gepflogen haben über die sociale
Bewegung ; welche man nicht auf dem Wege polizeilicher Maßnahmen
sondern durch sachlich - praktisches Eingreifen zu lösen sich vornahm;

f.- | wie uns die Officiösen nach der Hand versicherten. Das „Wie“.

haben dieſelben dabei aber noch zurückgehalten, wahrscheinlich weil
es nicht ebenſo leicht zu finden iſt, als es die Phraſen zu offiziöſen
Zeitungsartikeln sind. Nebenbei wird sodann aber auch die Polizei
in Thätigkeit geſeßt gegen die internationale Arbeiterverbindung.
Man berichtet soeben aus Brüſsel, daß Graf Beuſt eine Denkſchrift
zur Mittheilung an die anderen Kabinette in Betreff der Interna-
tionale unter der Feder habe, und von der deutschen Reichs-Regie-
rung werde ein bezüglicher Gesetzentwurf vorbereitet. Auch in den
ſpanischen Cortes wurde der Internationale der Stab gebrochen, in-

) | dem der Minister des Innern wiederholt erklärte, er erachte diese

Gesellſchaft außer dem Gesetze und werde dieſelbe unerbittlich verfol-
gen. Eiue Art Reichskommissär zu Nachſpürungen iſt im deutſchen
Reiche, wie s. Z. gemeldet worden, bereits eingesetzt.

Es iſt wirklich der vollen Anerkennung werth, daß die hohen
Regierungen sich die Fürsorge zur Abwendung der Gefahren, von
denen die herrſchenden Klassen und die beſtehende gesellſchaftliche
Ordnung in materieller Hinsicht bedroht sind, mit diesem Eifer ange-
legen sein laſſen; wir würden aber deren Umsicht und Weisheit in
noch viel vortheilhafterem Lichte erblicken, wenn dieselben mit eben
solchem Ernste die Gemeingefährlichkeit der Partei des gemeinen
Liberalismus und des Geheimbunde s der Loge auf das
Korn nehmen wollten. Wie groß könnte ihr Verdieuſt dadurch wer-
den! noch mehr aber wenn sie das arg zugerichtete heutige Europa
mit einem Minister beschenkten, der mit Muth und Kraft für das
Recht einstünde gegen die revolutionäre Zeitſtrömung und deren
feht auf einem Gebiete, das die Geburtsſtätte der socialen

efahren iſt.

Man kann die Jämmerlichkeit nicht tief genug beklagen, mit
der sich der öſterreichiſche Kultusminiſter JF ire cz ek in der Sache
wegen Preisgebung der Wiener Rathhauskapelle an den Unfug ei-
nes geiſtlichen Lumpaci und Freimaurer-Paters, des exkommuncirten
Prieſters Ant on, der Kirche gegenüber benommen hat. Mit dem
armseligen Argumente, daß es eine innere Angelegenheit der Kirche
sei, in die man sich Seitens der weltlichen Obrigkeit nicht mischen
dürfe, ſuchte der sonſt für conservativ geltende Minister Sr. k. k.
Apoſtoliſchen Majestät dieſelbe von der Hand zu ſchieben, um ja von
dem Tages-Liberalismrs nicht rauh angelasſen zu werden. Regie-
rungsrath Kraus hat im kath. Caſino der innern Stadt, das eine
Resolution faßte, wonach es Pflich1 der Regiernng ſei, die kathol.
Kirche in ihrem Rechte zu ſchüßen, die Regierung damit zu verthei-
digen geſucht, daß er angab, die Regierung müsse über den Parteien
ſtehen, und würde durch Einstelung des Gemeinderathsbeschlusses
auf Ueberlassung der Capelle an die sog. Altkatholiken die Agila-
tion nur vermehrt haben. Derſelbe wurde von Hrn. v. H ur-
te r gründlich abgefertigt, welcher ihm bemerkte, daß wenn die Re-
gierung so schwach sei, ſolche Rechtsverlezungen zuzulassen aus Furcht
vor Vermehrung der Agitation, dann hätten die Revolutionäre ge-
wonnenes Spiel. Auch müsse dagegen proteſtirt werden, daß man
die Katholiken eine Partei nenne, und sie als ſolche behandeln wolle.
Reg.-Rath Krau s verwahrte sich dagegen, die Katholiken eine Par-
tei genannt zu haben und verſuchte wiederholt eine Rechtfertigung
der miniſterlichen Schwachmattigkeit. Der Verein nahm aber die
beſagte Resolution mit allen Siimmen gegen die eine des Hrn. Reg.-
Rathes an.

Cine ſchäßbare „Enthüllung“ liefert auch der bekannte streng-
conservative preußiſche Gerichtspräsident v. Gerlach in der zweiten
vermehrten Auflage seiner Schrift: „Das neue deutſche Reich“. Hr.
v. Gerlach erinnert daran, wie nach öffentlichen, nicht widersprochenen
Nachrichten zur Zeit der erſten Miſssethaten Covours in Italien der
preußiſche Gesandte in Turin dem beſagten Miniſter Victor Eman-
nuels im Jahre 1861 eine Note vorgeleſen habe, in welcher gesagt
worden, „einer ordentlichen Regierung wäre es nur erlaubt
unter Respectirung bestehender Rechtsverhältniſſe und im Wege le-
galer Reformen die wenn auch wohlbegründeten Wünſche der Natio-
nen zu verwirklichen“. Das preußiſche Cabinet „könne die Hand-
lungen und die Prinzipien der sardiniſchen Regierung nur tief beklagen,
und meine eine ſtrenge Pflicht zu erfüllen, wenn es auf die
deutlichſte und sörmlichſte Weise die Mißbilligung dieſer Prinzipien
und deren Anwendung, welche die sardiniſche Regierung geglaubt
hat, von denselben machen zu dürfen, ausſpreche.“ Cavour habe
das Vorlesen dieſer Note ſchweigend angehört und dann ſein lebhaf-

tes Bedauern ausgedrückt, daß er in einem solchen Grade der Re.

gierung Sr. Maj. mißfallen habe. „Aber er tröſtete sich zulegt
mit der Hoffnung, daß Preußen Piemont n o ch einst Dank wiſ-
sen würde für das Erempel, welches dieſes ihm gege-
ben habe.“ j

Die Köln. V. Z. bemerkt hierzu: Man darf wohl darauf be-
gierig sein, ob von officieller oder officiöſer Seite die „Richtigkeit“
dieser von Herrn v. Gerlach mitgetheilten gewiß sehr „lehrreichen“
 
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