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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0201

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~ 201 ---

kommen iſt. Das wäre nun an und für sich etwas ganz Gewöhn-
liches, weil die Protestanten, die unter den Katholiken leben, auch
sterben müssen. Der Fall sollte aber etwas Außergewöhnliches, noch
nie Dagewesenes sein, und jezt ~ Samiel hilf! hat der notirende
Schreiber seine zuflucht zu recht großen Lügen genommen. Jm
Uebrigen gebe ich zu, daß Unrecht ~ Lüge ~ seinen eigenen Herrn ſchlägt
und daß die Macht des Schreibers im Wachſen begriffen ist.
Der kath. Dekan und Pfarrer Eberhard.

X Bruchſal, 25. April. Wenn man die Badiſchen Landes-
verkündiger durchliest, so iſt jedenfalls der Trödel, den sie in kirch-
lichen und religiösen Beziehungen auf den Markt führen, der wider-
wärtigſte. Einem solchen Trödel begegnen wir abermals in einem
Leitartikel der Kraichgauer Zeitung mit der Aufschrift „Döllinger
ercommunicirt,“ datirt vom Oberrhein. Wir verweilen nur bei eini-
gen Säßen. Es heißt da: „Döllinger ercommunicirt? Das iſt
eine Frage, für welche sich jeder Denkende die Antwort sucht."
Die Schreiberſeelen der Kraichgauer Zeitung gehören sicher nicht zu
den Denkenden, sonſt hätten sie die Antwort längst ſchon gefunden
und zwar bei Döllinger ſelbſt. Bei der dritten General Veſammlung
der kathol. Vereine zu Regensburg am 7. October 1870 hielt Döl-
linger einen Vortrag und sagte wörtlich wie folgt: „Jeder gläu-
bige Chriſt iſt von dem Gefühle durchdrungen. daß es eine Ver-
lezung ſeiner eigenen kirchlichen Freiheit ſei, wenn derjenige Theil
der Kirche, die Gemeinde, der er zunächſt angehört, durch untirchliche
Lehre, durch Störung oder Auflehnuug der kirchlichen Verfaſſung
zerrüttet wird, gerade so wie der Staatsbürger ſeine eigene politiſche
Freiheit gefährdet oder beeinträchtigt sieht, wenn der Staatskörper,
welchem er angehört, durch Aufruhr und Anarchie (Zügelloſsigkeit)
aus den Fugen gesetzlicher Ordnung getrieben wird. Müßte die
Kirche ſolche Attentate (Angriffe) auf ihre Ordnung, Lehre
und Autorität (Ansehen) in ihrem eigenen Schooße dulden, dann
befände sie ſich in emer ſchlimmeren, hülfloſeren Lage als jede an-
dere menſchliche Gese.iſchaft. Für denjenigen, deſſen Ansichten mit
der Lehre und Ordnung seiner Kirche nicht mehr im Einklange ftehen,
gibt es ein einfaches Mittel der Selbſthilfe, nämlich das des Au s-
tritts aus der Kirche > ein Austritt, der in Deutſchland Niemand
mehr verwehrt wird, und mit keinem bürgerlichen Nachtheile verbun-
den iſt.“ Dies die Worte Döllingers, welche den , Denkern“ der
Kraichgauer Zeitung hinlänglich über die ansgeſprochene Ercommuni-
cation Aufschluß geben, vorausgesetzt daß den fraglichen liberalen
Denkern das Denken überhaupt nicht abhanden gekommen iſt.

Der Schluß des genannlen Artikels iſt ebenfalls sehr intereſſant
und heißt: „Möge sich die Sache zum Guten, möge sie sich dahin
wenden, daß das deutſche Volk seinen d eu t ſch en Glauben rein
und unverfälſcht erhalte.?” – Allen Respect vor solchem Schwindel.
Deut ſcher Glaube! Das iſt nun wirklich eine Frage, für welche
ein Dentender keine Antwort hat, bis es endlich der Kraichgauer
Zeitung gelingt, einen d e ut sch en Herrgott, einen d eutſch en Cyri-
ſtus und einen d eutſch en Himmel tc. ausfindig zu machen, nun
dann kann auch ein de u tſ ch e r Glaube auftommen.

Schließlich noch eine kurze Bemerkung. Wir werden uns ſchwer-
lich täuſchen, wenn wir als den Verfaſſer des Artikels vom Ober-
rhein jenen berüchtigten Ex- Cotelettpfaffen halten, der sich hierorts
auf dem Felde der Politik. der Religion und = ja nicht zu ver-
gesſſen – auch der Finanz en als Muſterſchwindler ausgezeichnet
hat und hauptiſächlich deßhalb, weil er so viele unbefriedigte G läu-
bi ger zurüuckgelaſſen, den einen und unverfäljchten d eu tſchen
Glauben Credit = total einbüßte, ſo daß es gerade fürden Artikel-
ſchreiber selbſt die ſchwerſte Aufgabe sein dürfte, sich im einen und
unverfälſchten d eutſ < e n Glauben zu erhalten.

M. Ans dem Mittelrheinkreis. Bezugnehmend auf den Arti-
kel in Nr. 45 des Boten ,die Lage der Pfarrverweser betr.“, will
Einsender auch noch eine kleine Ergänzung hinzufügen. Derselbe
kennt einen Pfarrverweſer, welcher auf sſcinem neu angetretenen Po-
ſten bereits fünf Monate ausharren mußte, bis die Intercalartkasse
im Stande war, deſſen „Tagesgebühren“ demſelben einzuhändigen.
Cine deßfallsige Bitte an kath. Oberstifturgsrath wurde nach vier-
wöchenilicher Ueberlegung und auf wiederholtes Anrufen ,verbeſcheidet“.
Aehnliche Fälle wären in großer Anzahl aufzuführen. Was ſollte
beſagter Pfarrverweser anfangen? Wie derſelbe dem Einsender er-
zählte, blieb ihm nichts Anderes übrig, als daß er gegen einen enorm-
hohen Zins ein Anlehen machen mußte. Die JIntercalarkaſſe dage-
gen zahlte für die längſt verfallenen Tagesgebühren dem Pfarrver-
weſer keinen Zins. Es brauchi's auch nicht, und wäre dem ganzen
Charakter der Jntercalarkaſſe zuwider. Ein guter Freund ſagte erſt
vor wenigen Tagen zum Enmſlender dieſes, er würde gerne den
Pfarrconcurs dieſes Jahr im Juli machen, aber er bringe das dazu
erforderhche Geld micht auf. –~ j

_ Anm traurigsten iſt arer die Lage eines Pfarrverweſers einem
liberalen Bürgermeister in der Stiftungecommiſſion gegenüber. Dies
beweiſt folgendes Factum : F j
. In einer Pfarrei war das Pfarrholz zu verſteigern. Dazu iſt
nöthig der bezirksforſteiliche Auſchlag. Der Bezirksförſter hatte er-
fahren, daß der dortige Pfarrverweser geſonnen sei, für sich das
Holz zu steigern. Er erkundigte ſich, was der Pfarrverweſser für
ein Mann ſei, um dann den Anſchlag „machen“ zu können. Als

[zer unter dem bezirksforſteilichen Anschlag ersteigerte, wurde vom
Kapitelskämmerer nur dann die Genehmigung ertheilt, „wenn ſich
al l e Mitglieder der Stiftungscommission dafür ausgeſprochen hätten“,
natürlich durfte da der Name des Bürgermeisters nicht fehlen.

Unter diesen und vielen andern Umständen iſt es nicht zu ver-
wundern, daß mancher Pfarrverweſer in trüber Stimmung ſeine
Tage verlebl. Einsender dieses iſt entschieden der Ansicht, daß, wenn
von unten ein Anstoß gegeben wird, auch die Kirchenbehörde freudig
die Hand bieten würde zur Besſſerſtellung der Pfarrverweser. Bittet,
ſo werdet ihr empfangen; klopfet an, so wird euch aufgethan!

G. Von der Tauber. Es wird wahrſcheinlich kein Amtsver-
kündiger im badiſchen Reich zu finden sein, der sich mit einer ſolchen
Vorliebe für die Sache Döllinger's hingibt, als die „Tauber“. Vom
entferntesten Winkel bringt sie Nachrichten, wie der p,.intelligenteſte
Theil der Bevölkerung“ eine Adreſſe an Dollinger erlaſſen habe
bezüglich seines Auftretens beim Unfehlbarkeitsdogma. Es wundert
uns nur, daß der „intelligente Theil der Bevölkerung“ von Tauber-
biſchofsheim noch nicht den Redacteur der „Tauber“ angegangen hat,
eine Adreſſe an Dölinger zu fertigen und sie zur Unterſchrift im
Redactionsbüreau aufzulegen; es möchte dort auch eine anſehnliche
Zahl Unterſchriften zuſammenkommen, was man daraus abnimmt,
daß die „Tauber“ fortwährend in dieſer Sache auf ihre Leser ein-
zuwirken ſucht und es in Biſchofsheim ja „Jntelligenzen“ genug hat.

Wir möchten aber hiemit auch angefragt haben, ob die Gemein-
den von Amtswegen gezwungen werden können, ſolche Blätter hal-
ten zu müssen, in denen der Glaube der bei weitaus größten An-
zahl der Einwohner des Bezirks auf die ſchmählichſte Weiſe beſudelt
wird. Und wenn uns von oben herab geantwortet wird, die Zei-
lungsartikel der Amtsblätter seien nicht amtlich, was übrigens an
ſich ſchonzwunderſam genug klingt, ſo haben wir das Recht zu for-
dern, daß Amtsverkündiger derart gedruckt werden, daß die Gemein-
den nur die Anzeigen zu halten haben und nicht mit ihrem kathol.
Gelde Zeituugsartikel bezahlen müssen, die ihren Glauben besudeln.

/\. Aus dem Gau. In voriger Woche wollte ein Schäfer
aus Grüusfeldzimmern vei ſchon geſchloſſener Barriere ſeine Schafe
über die Bahn hinübertreiben. Ein Güterzug war in der Nähe
und ließ das Nothſignal mehrmals ertönen. Da endlich ſiey: der
Schäfer (er ſoll harthörig ſein)] den Zug und treibt die hintern
Schafe hinüber; eines geht ganz zu Grund, einige andere ſind ſchwer
verletzt, den Schäfer ſselbſt erwiſcht die Locomotive und wirft ihn
über die Bahn hinaus. Es ſoll ihm weiter nichts gethan haben,
als daß er etwas hart aufzuſiten kam.

+ Aus dem Gau. Wie enorm hoch die Holzpreiſe sich in
der Taubergegend belaufen, mag daraus hervorgehen, daß in Unter-
wittighauſen für ein Klafter eichen Brennholz 24 ~28 fl. bezahlt
wurde.

Z Aus dem Taubergrunde, 26. April. Die eingehenden Be-
richte des Pfälzer Boten über die Wirkſamkeit der Centrumsfraction
im Reichstage rufen allenthalben bei uns die erhebendſten Eindrücke
hervor. Insbesondere sind es die kraftvollen Reden unſeres Abgeord-
neten, sowie deſſen neueſte Kundgebung gegen Bluntſchli, welche seine
Wähler mit ſtolzer Genugthuung erfüllen und den Beweis liefern, daß
ihre Wahl eine überaus glückliche war. Man hört daher von ver-
schiedenen Seiten den Wunſch äußern, es möchte an Frhrn. v. Kette-
ler eine Dank- und Zuſtimmungsadresse, die namentlich in den kath.
Vereinen freudigſten Anklang finden dürfte, erlaſſen werden und
wünſcht man nur, daß sich Jemand an die Spite ſtellt und den
allgemeinen Gefühlen entſprecheuden Ausdruck verleiht.

§ Aus dem Hinterlande. Am letzten Sonntag hatte auch
Dittwar ſeine Friedensfereer. Dabei wurde leider durch eigene
und der Schießenden Unvorsichtigteit ein 14jähriger Knabe ſchwer
verwundet, doch sol Hoſfnung ſein, ihn zu retten.

* München. Am 23. d. hat dahier eine großartige Katholiken-
verſammlung unter Vorsſit des Oberſt v. Berg ſtattgefunden, in
welcher die erſchienenen Tauſende gegen das Vorgehen Döollingers
ihren Abscheu ausſprachen. Selbſt die katholikenfeindlichen Blätter
geſtehen offen zu, daß sie eine ſolche maſſenhafie Verſammlung nicht
erwartet hätten.

Berlin, 26. April. Sitz ung des Reichstages.
Erste Leſlung des Antrages Schulze, betreffen d die privatrechtliche
Stellung von Vereinen. Staatsminiſter Delbrück erkläct, daß eine
Aeußerung des Bundesrathes über die Stellung deſſelben zu der
Vorlage für jetzt noch nicht erfolgen könne, worauf die Vorlage
an ein Commiſſion von 14 Mitgliedern verwieſen wird. Der
Antrag Bamberger s auf Niederſesung einer Commiſſion von 6
Reichstagsmi1gliedern, um eine auf ſtenographiſchen Berichten baſirte
ſummariſche Reproduction der Reichstagsverhandlungen ins Leben zu
rufen, wird mit allen gegen 6 Stimmen angenommen. Der An-

| trag Kardorff's, betr. die entgegen den Bestimmungen des Handels-

vectrags mit Jtalien vom 31. Dec. 1865, einigen italieniſchen
Spirtitusfabrikaten Seitens der italieniſchen Regierung gewährten
Steuerermäßigungen, wird ohne Debatte unter Zuſtimmung des
Bundescommiſssars Michaelis angenommen.



Berlin, 27. April. Sitzung des Reichstages. Berathung des

aber der Pfarrverweſser sich glücklicherweiſe das Holz um einige Kreuen
 
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