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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0409

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erſcheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. –~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

„¿. 103.

für Stadt



Einladung zum Abonnement.
Wir laden zu zahlreichem Abonnement für den Monat Sep-
tember ergebenſt ein; monatlicher Preis des Pfälzer Boten

. I4 tre.

Da die Erndte jetzt vorüber iſt, wird es den Landleuten wieder
mehr gestattet ſein, als dies im Sommer der Fall zu ſein pflegt,
ihre Aufmerksamkeit auf die politiſchen Ereigniſſe und deren Beur-
theilung zu wenden. Insbesondere aber möchten wir darauf auf-
merkſam machen, daß im Monat September die Wahlen für die
badische Kammer ſtatifinden, wo unser Blatt überall unter der katho-
liſchen Bevölkerung des Unterlandes die weiteſte Verbreitung haben
sollte.

Heidelberg, 24. August 1871.

_ Die Redaction des Pfälzer Boten.

îdDeutſhleandk. :

* Heidelberg, 2. Sept. Alle Zweifel über die Richtung des
neuen bayeriſchen Miniſteriums auf kirchlichem Gebiete sind jegt ver-
schwunden, – der Erlaß des Cultusminiſters an die Biſchöfe ſpricht
deutlich genug. Das Ministerium Hegnenberg - Lutz hat der kathol.
Kirche den offenſten Krieg erklärt, über welchem das Bischen baye-
riſcher Selbsiſtändigkeit, das die Verträge mit Preußen noch übrig
gelaſſen haben, in der Folge ſchleifen gehen wird. Wir hoffen nicht,
daß es in der katholiſchen Partei Bayerrs noch Leute gibt , die sich
nach dem letten Schlage des Hrn. v. Luß noch groß um die baye-
riſche Autonomie wehren sollten; sind wir erſt unter einem Hut
und wird das kath. Element Norddeutſchlands verſtärkt, dann nehmen
wir eine weit geachtetere Stellung im Reiche ein und können uns
viel einheitlicher wehren, als in der jetzigen traurigen Lage. In
Bayern bricht eine große Verfolgung über die Kirche herein, daran
iſt ſchon nicht mehr zu zweifeln, und um dieſelbe noch beſſer in
Scene seßen zu können, soll der Landtag aufgelöſt und ein neuer
gewählt werden, von dem man glaubt, daß er für die Regierungs-
politik eine Mehrheit ergeben werde. Möchten sich die Herren nicht
täuſchen, ~ die ungeheure Aufregung , die sich diesmal bei den
Wahlen der Gemüther in Bayern bemächtigen wird, wo die Gegen-
ſätße viel friſcher und unmittelbarer sich gegenüberstehen als bei uns
ing Baden, kann nur dazu beitragen, das bayeriſche Siaatsſchiſf auf
ſeinem ohnehin ſchwankenden Gang aus dem Gleichgewichte zu brin-
gen, und das Resultat wird keinen Zweifel übrig laſſen, daß die
Regierung für ihre Politik der Maßregelung nichts gewonnen hat.
Was aber den Erlaß des Cultusministers v. Lutz an ſich beirifst,
ſo iſt er inſofern ein merkwürdiges Atktenstück, als man nicht glau-





Dienstag den 5. September



Inſseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Cand. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.

ben sollte, in demselben die Arbeit eines praktiſchen Staatsmannes
vor sich zu haben, sondern vielmehr das Opus eines Theologiepro-
feſſors, der sich berufen glaubt, die dogmatische Festſtelung der Con-
cilsarbeiten einer diſsſentirenden Kritik unterwerfen zu müssen. Wir
hatten es früher ſchon gehört und gelesen, daß Herr v. Lutz einer
der ſchauderhafteſten Doctrinäre ſei, die von jeher für uns die ent-
ſeßlichſte Menſchengattung bildeten, nun aber kann die Lectüre seines
langen und langweiligen Aktenſtückes hierüber keinen weiteren Zwei-
fel mehr aufkommen lassen.

* Heidelberg, 1. Sept. An die Zeitungsredaktionen wird aller-
lei Schwindel aus aller Herren Ländern geſchickt mit der Bitte um
Empfehlung. Wir werfen solches Zeug grundsätzlich in den Papier-
korb, nachdem wir die ſstrengſte Cenſur geübt haben. Heute lieen.
aber eine Art Zeitschrift vor uns, die geradezu eine Unverſchämtheit
sonder Gleichen begeht, indem ihr Herausgeber es wagt, ein Blatt
wie das unsrige damit zu behelligen. Das betr. Machwerk heißt:
„Die deutſche Wacht an der Donau, Organ der deùtſch-nationalen
Partei in Oesterreich“, von einem Dr. Julius Lang herausgegeben,
der sich in einer besonderen Erklärung voll hochmüthigen Dünkels
dagegen verwahrt, als ob er „Journaliſt", „Literat“ oder etwas der-
gleichen sei, während doch die vorliegende Schrift ſselbſt, die von ihm
gezeichnet iſt, das Gegentheil darthut. Es kann nichts Arroganteres
geben als die Verächtlichkeit, mit welcher dieſer „Nicht-Literat“ sich
über die Journalisten äußert, denen er angehört, ob er will oder
uicht. Wie darf sich da ein Mann unterstehen, ganz abgeſehen von
aller Parteiſtellung, sein Machwerk an die von ihm ſchwer beleidig-
ten Redakteure zur Empfehlung zu senden! Aber nun erst der In-
halt: es gibt keine Speichelleckerei gegen Preußen und die dort an
der Spitze stehenden Größen, die nicht von der „Wacht an der
Donau“ – Gott bewahre den Kaiſer von Deſterreich vor ſolchen
Schildwachen! – dem Lesepublicum geboten würde; ferner aber
wird in Ausdrücken und Darſtellungen, die alles Maß weit überbie-
ten, alles Katholische in den Staub gezogen, in einer ſolch’ rücksichts-
loſen Sprache, daß die Angriffe unserer ſüddeutſchen katholikenfeind-
lichen Blätter ~ die norddeutſchen ſind ohnehin der Form nach ge-
messener und gemäßigter ~ dagegen weit in den Hintergrund treten.
Eine liebenswürdige Lesefrucht, das muß man ſagen!

* Heidelberg, 2. Sept. Allen unſeren Freunden empfehlen wir
dringend, die von uns in der letzten Nummer des Boten bereits
angezeigte Schriſt des Herrn Asseſſors Ed el mann gründlich zu le-
ſen, – sie bietet in Betreff der dem Verfasſſer gewordenen Behand-
lung sowie insbesondere über die Rechtsfrage das intereſſanteſte Ma-
terial. Mit Ruhe darf Herr Edelmann am Schlusse seiner Schrift



Vermiſchtes.

Im nas auiſchen Amte Jdſtein wurde, wie der „Rh. Courrier" erzählt,
am 23. Auguſt, Vormittags zwiſchen 10 und 11 Uhyx, die seltene Naturerschei-
nung eines Luftwaſsserwirbels, auch Land- oder Sandhose genannt, beobachtet.
Der Virbel bewegte sich die von Jdſtein nach Oberſelbach führende Staße ent-
lang, unfern des Pfahlgrabens und der Nähe der Waſsserſcheide zwiſchen Main
und Lahn, auf einer Höhe von 1142 Par. Fuß. Derselbe zog von Westen
nach Osten und bildete sich über dem /e Stunde abgelegenen sog. Frauen-
walde. Aus dem untern Theile einer dunklen Wolke ſenkte sich ein ſpitzer
Zipfel zur Erde nieder, begann zu dampfen und erschien wie ein rauchender
Ofen. Der Zipfel der Wolke ſenkte sich immer tiefer herab; diese überstieg
das Thal, in dem die Wörsbach ihren Urſprung hat und erreichte auf dem an-
gegebenen Höhepunkte die Erde. Die dort gelegenen Halmfrüchte erzeugten ein
buſchähnliches Luftſpiel; denn dieselben sind auf Aeckern und Wegen zerstreut
und auf Bäumen hängend wiedergefunden worden; an den aufgebundenen
und aufgehäuften Früchten waren die Seile zerriſſen und die so gelösten Ge-
binde in den Wirbel gezogen. Das Phänomen bewegte sich auf einer Breite

von ca. 100 Schritten. Von 5 berührten Bäumen wurden 4 ausgerissen. Der
erste und dritte lagen bei ihren Standorten, der vierte blieb stehen ; ſeine Rinde
war ſtellenweiſe wie mit einem ſcharfen Instrumente geritzt; der zweite und
fünfte waren vom Winde auf eine Strecke von 110, reſp. 52 Schritten ſüd-
öſtlich fortgetrieben und lagen übereinander in einem Waizenacker. Ein anderer
Baum war wie eine Winde verdreht. Die Erscheinung rotirte wie ein Kreis
um ihre eigene Achſe und ging dabei langſam vorwärts. Dieselbe hatte ſich
in Folge eines Blitßes gebildet, und war ein eigenthümlich raſchelndes Geräuſch
bei ihrer Entladung vernehmbar. Erſt in der angrenzenden Feldgemarkung
tobte ſich dieſe Naturmerkwürdigkeit recht aus, indem sie die daſelbſt aufgehäuf-
ten Halmfrüchte gänzlich zerstörte, in alle Winde verjagte und in dem unmit-
telbar daran grenzenden Walddisſtrikte ihr Ende erreichte.



_.. Paris ist noch immer kein Paradies für Ausländer. Ein Mr.
Henry Jairman klagt in der „Times" sein Leid über die Behandlung, welche
ihm und ſeinem Sohne in Paris zu Theil geworden: „HZwiſchen mir und



dem Kellner (ſo schreibt der beleidigte Engländer) entſpann sich in einem der
erſten Cafe's Chantant in den Champs Elyſees ein kleiner Disput, als man
uns „Prussiens" nannte. Darauf wurden wir ſofort umzingelt, und von dem
anweſenden Publikum auf das gewaltthätigſte mißhandelt. Schließlich wur-
den wir nach dem Wachthauſe abgeführt, und die Menſchenmenge zuſammen
mit den Poliziſten, die uns führten, ſchimpften uns den ganzen Weg elende
Preußen“. Trotzdem es sich auf dem Wachthauſe herausstellte, daß wir Eng-
länder seien, dauerte das Schimpfen fort, nur daß man uns ,coquins d’Ang-
lais‘s nannte und uns mit Mißhandlungen der Poliziſten beschuldigte. Auf
diese Anschuldigung hin wurden wir zu zwei äußerſt ſchmutzigen Individuen
in eine Zelle geſperrt, um nach einigen Stunden in Einzelhaft gebracht zu
werden. Erst nach zwei Tagen gelang es der engliſchen Gesandtſchaft unſer
Verhör zu erwirken, und dasſelbe endigte damit, daß mein Sohn freigeſprochen
wurde, während ich auf den falſchen Eidſchwur eines Poliziſten hin wegen
Mißhandlung und Beschimpfung zu 25 Francs Geldbuße verurtheilt wurde."



Aus Nassau, im Auguſt. Im Orte Hundsangen, Amt Wallmerod, ist
am 19. Auguſt ein Greis durch Bienenstiche getödtet worden. Dem „Rh. K."
schreibt man hierüber aus dem genannten Orte : Der älteſte Mann der hie-
sigen Gemeinde, er war 84 Jahre alt, kam auf eine höchſt tragiſche Weiſe
um sein Leben. Gestern Morgen war er bis vor 10 Uhr im Garten mit Häckeln
beſchäftigt, als er plötzlich von Bienen belästigt wurde. Der Bienenſchwarm wurde
immer größer; aus den naheſtehenden vier Bienenstöcken kamen bald ſämmt-
liche Bienen herzugeflogen, bis der Mann auf dem zufällig entblößten kahlen
Haupte, an Gesicht, Hals und Hände wahrhaft pelzartig mit Bienen bedeckt
war. Der von den fürchterlichen Bienenſtichen ganz entſeßlich gequälte Greis
schrie laut um Hilfe. Die Nachbarn eilten herzu, ſchürten mit bedeckten Händen
und verhülltem Gesichte die Bienen haufenweiſe herunter, während sich immer
wieder neue Schwärme herandrängten. Man wuſch und übergoß den Wehr-
loſen dann mit Wasser, bis man unter den größten Bemühungen endlich den
armen Gequälten den wahrhaft wüthenden Insekten entreißen konnte. Er
blutete ganz fürchterlich und starb heute Morgen gegen 6 Uhr unter den ent-
ſetlichſten Schmerzen. Der Leichnam ist namentlich an den unbedeckt gewese-
nen Stellen aufgeſchwollen und ganz ſchwarz. Die Bienen waren in dieſem
Ausbruche ihrer Wuth keineswegs gereizt worden.
 
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