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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0411

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von preußiſcher Seite dem Petersburger Cabinet über die Auffaſſung
und Stimmung der leitenden öſterreichiſchen Kreise Mittheilungen zu
machen, die für eine versöhnliche directe Auseinanderjetzung die geeig-
nete Brücke bilden könnten. i

Berlin, 1. Sept. Den Morgenblättery zufolge wird die drei-
wöchentliche Nachkur des Kaisers in Gastein am 3. Sept. beendigt.
Am 6. d. M. trifsft der Kaiſer in Salzburg ein, wo das Nachtlager
genommen wird. Am 7. erfolgt die Fortſezung der Rückreiſe über

Munchen. i

O est erre i .
| Wien , 29. Anguſt. Wie die „N. Fr. Pr.“ erfahren haben
will, iſt in Gastein eine Art Friedensliga, die gegen jeglichen Störer
des europäischen Friedens ſich wenden ſoll, zu Stande gekommen.
Dieser Liga gehörten einstweilen nicht allein Deſterreich und Deutſch-
land, ſondern auch Jtalien und vielleicht ſogar Rußland an. Die
„Vresse“ erfährt aus Gaſtein, von Seiten Deutſchlands sei ein gro-
Her Eifer an den Tag gelegt worden, um gleich von vornherein ſchon
Verhandlungen zum Zweck der Aufstellung bestimmter Principien
zu pflegen. Dieſe Bemühungen hätten denn auch vollſtändig zum
Ziele geführt.
h gte 2. September. Der König von Griechenland empfing
den Beſuch des deutſchen Kaiſers und machte alsbald seinen Gegen-
beſuch. Nachmitlags trat der König die Weiterreiſe an. Kaiſer
Wilhelm reiſt, sicherem Vernehmen nach, in Begleitung des Fürſten
Bismarck Mittwoch nach Salzburg ab, wo derſelde Donnerſtag mit
dem Kaiſer von Deſterreich zuſammentrifft.

A u s l a n d.

London, 30. Anguſt. Die Zuſammenkunft in Gaſtein zugleich
mit der zweifelhaften Situation in Frankreich erfüllt „Daily News“
mit der lebhafteſten Sorge. Wenn man hört, sagt dieſes Blatt, daß
weder Frankreich noch Preußen, die Kämpfer in dem letzten Kriege,
noch auch Rußland, das eine von den übrigen Neutralen ganz ver-
schiedene Rolle in demſelben gespielt, mit der neuen Lage der Dinge
zufrieden iſt, da ſcheint es nicht eben zu verioundern, daß Europa
in Unruhe .geräth. Frankreich bietet übrigens im gegenwärtigen
Augenblick das Haupträthſel, und die Ruhe von ganz Europa hängt
vielleicht davon ab, ob daſſelbe richtig gelöſt wird. Möglich, daß Anar-
chie das große Land in eine Lage verſezt, in welcher es nur den
unbetheiligten Zuſchauer bei den Ereigniſſen Europa's abgeben kann.
Möglich auch, daß es unter einem kühnen, weitausblickenden Führer
im Begriff steht, die Welt in Erſtaunen zu ſeßen durch die Schnel-
ligkeit, mit welcher es seine Macht wieder einbringt. Wie ſich
„Daily News“ den hier angedeuteten plötlicheu Umſchwung der
Dinge möglich denkt, erfahren wir im Weiteren, wo die Annahme
aufgestellt wird, daß ein wichtiges europäiſches Ereigniß [der Tod
des Kaiſers Alexander] es Deutſchland unmöglich machen würde, seine
Occupationsarmee auf der heutigen Stärke zu halten, indem z. BV.
eine ernſtliche militärische Demonſtration an der Oſtgrenze des
Reiches Deutſchland nöthigen würde, Truppen aus Frankreich zu
ziehen oder die Corps der Occupationsarmee unter die Normalſtärke
ſinken zu laſſen. Es iſt unmöglich abzuſehen, wie groß die Wirkung
einer solchen Wendung auf die Gemüther des Volkes ſein würde,
das nach einer Gelegenheit zur Rache glüht. Die Möglichkeit einer
solchen Combination, die allerdings im jetzigen Augenblick nur eine
entfernte ist, verurſacht ſchon Unruhe. Fürſt Bismarck iſt kein Mann
von nervös-ängſtlicher Gemüthsart, und doch hat er es für der Mühe
werth gehalten, sich beträchtlich der öſterreichiſchen Regierung zu nähern,
um gerade einer solchen Möglichkeit zuvorzukommen, undes kann kein
Zweifel darüber herrschen, daß dieſelben Beweggründe, welche ihn
veranlaßten, die jüngste Zuſammenkunft der beiden Kaiſer zu fördern,
auch die Verhandlung mit Frankreich befördern und die Verein-
barungen verzögern, welche Herr Thiers so gern erzielen möchte.
Das Ergebniß ist steigende Erbitterung in Frankreich und zunehmende
Schwierigkeit bei der Regierung des Landes; allein keinerlei Rück-
ſichten erhalten in Berlin das Uebergewicht über das Gefühl der
Nothwendigkeit, die pflichtmäßige Ausführung der Vertragsbestimmungen
zu sichern. Das Gerücht bezüglich eines factiſchen Bündnisses zwischen
Deutſchland und Österreich, dem Jtalien beigetreten ſein ſoll, mag
vielleicht nicht mehr als eben ein Gerücht sein, obſchon man es in
Berlin mit einem gewissen Anſchein von Bedeutung auffliegen ließ.
Daß man es aber in der preußiſchen Hauptiſtadt für nöthig hält,
an derartige Bündnisſe zu denken, noch ehe Frankreich ſeine Kriegs-
entschädigung zur Hälfie abgetragen hat, und zu einer Zeit, wo
deutſche Truppen noch vor den Thoren von Paris stehen, zeigt, wie wenig
die glänzendsten Siege Sicherheit zu verleihen im Stande sind, wo
es an den Grundbedingungen der Ruhe fehlt und in Ermangelung
derselben keine auf beiderseitigen Rücfsichten ruhende Vereinbarung
zu erwarten iſt. Die durchgreifende und unbedingte Politik des
Fürsten Bismarck, welche die äußersten Zugeständnisse von Frantreich
erpreßte, mögen sich in der Folge als gerechtfertigt erweiſen oder
nicht, einstweilen aber macht sie alle Staaten Europas weniger ſicher,
als sie unter einem milderen Vertrage geweſen wären. Die Ver-
handlungen zwiſchen dem deutſchen und dem österreichiſchen Hofe sind
noch nicht zu Ende, Es ſcheint ziemlich sicher, daß dieſelben nicht
alle Zwecke erfüllen werden, die man im Auge hatte, als sie begon-
nen wurden. Sie mögen immerhin Desſterreich und Deutschland zu



m U

thätiger Cooperation in den rumänischen Angelegenheiten vereinigen
vielleicht aber auch nicht. Möglich iſt es, daß ſie Rußland in ein,

Bündniß mit Frankreich hineinſtürzen. Das Beste, was man hoffen ;

kann, iſt, daß sie zu einem Einverständniß führen mögen, welches
eine Zeitlang den Frieden Europa’'s ſchüten wird, bis die Leiden-
schaften sich abgekühlt haben und die wirklichen Intereſſen von Völ-
kern und Staaten wiederum in voller Wahrheit und Klarheit zu
Tage treten. (Frankf. Zig.)

London , 30. Auguſt. Die erxkaiſerliche Familie von
Frankreich ſtattete dem in Medway verankerten Rieſenſchiffe „Great
Eaſtern“ einen längern Beſuch ab. Es iſt vielleicht nicht uninteres-
ſant, das Gefolge aufzuzählen, welches die verbannte Kaiſerfamilie
bei dieser Gelegenheit begleitete. Es waren: Prinz Charles Bona-
parte, die Herzoginnen von Montroro und Gallſteo (Nichten der
Exkaiſerin), Fürſt und Fürstin Poniatowsky, Herzog von Huscar,
die Grafen Davillier und de Gardonne, Baron Lambert nebst Sohn,
Mr. Pietri , Graf de Labedoyere und Baron Corviſard. Auf dem
„Great Eastern“ hatte sich eine zahlreiche Geſellſchaſt eingefunden,
welche sich dieſe günstige Gelegenheit zu einer Ovation nicht entgehen
ließ. „Der Kaiſer“ ~ ſo ſchreibt die „Times" gelegentlich dieſes
Beſuches + „chien sich ziemlich wohl zu befinden; die Kaiſerin
war lebhaft und munter, und Beide schienen auf Alle, mit denen
ſie in Berührung kamen, einen angenehmen Eindruck auszuüben,
während man ihnen auf allen Seiten ganz entſchiedene Achlung und
Theilnahme erwies“.

Die Nachrichten, welche aus den vereinigten Staaten über den

|Krieg mit Kor e a kommen, enthalten folgende Mittheilung. „Zwei

Engländer und ein Deutlſcher, welche damit beschäftigt waren, Ma-
terial von dem Wrak des deutſchen Séhooners „Chuſan““ bei der
Sir James Hall’s-Jnsel zu retten, wurden von den Koreanern ge-
fangen genommen, an Händen und Füßen getnebelt, auf Bambus-
rohre festgebunden und nach dem Jnnern transportirt. Die britiſche
Flotte iſt von Japan abgesegelt, um Erkundigungen in der Sache
einzuziehen.“

; G 31. Auguſt. Zwiſchen dem französischen und dem deut-
schen Gouvernement ist nach langſchwebenden directen Verhandlungen
ein Rückverkaufsvertrag betr. erbeutete Schießwaffen in Höhe von
nahezu einer halven Million Chassepots perfect geworden. Mit dem
Gewehrtransport an die Grenzſtationen hat man deutſcherſeits be-
reits begonnen. – Der im Alter von achtundsiebzig Jahren dieſer
Tage geſtorbene Romanſchriftſteler Paul d e Kock iſt heute begra-
ben worden. [Es war einer der lüderlichſten, ſcandalösesten Roman-
ſchmierer, die in Frankreich wie anderwärts so vielen Schaden an-
gerichtet haben. D. R.]

Paris, 1. Sept. Briefe aus Versailles constatiren, daß das
geſtrige Votum der Kammer mit allgemeiner Befriedigung in den
Departements aufgenommen wurde, und daß man hofft, es werde
hierdurch ein allgemeiner Aufschwung der Geschäfte erzielt werden.
Thiers hat Beglückwünſchungs - Telegramme von allen Regierungen
erhalten. Man glaubt, die Verhandlungen mit dem Grafen Arnim
bezüglich der Räumung der Departements um Paris wrüden durch
das Votum der Verſammlung erleichtert. Die Nachricht, daß Thiers
heute eine Botſchaft an die Nationalverſammlung richten wird, in
welcher er seinen Dank ausſpricht, wird bestätigt. Das Gerücht von
Veränderungen im Ministerium wird dementirt. Larcy hat ſeine
Demission zurückgezogen. Die Ferien der Nationalverſammlung wer-
den wahrſcheinlich gegen den 15. d. beginnen.

Verſailles, 31. Aug. Die Nationalverſammlung ſetzte heute die
Debatte über den Antrag Vitet fort. Derſelbe wurde von Picard
in einer von lebhaftem Beifall begleiteten Rede befürwortet. Vitet
erließ an alle Parteien eine warme Mahnung zur Eintracht und führte
die Nothwendigkeit aus, eine Regierung der Reorganisirung an die
Seite einer Verſammlung zu ſtellen, welche die geſeßzgebende Gewalt
in vollſtem Maße ausübte. Die Paragraphen 2, 3 und 4 der Ein-
leitung wurden angenommen, und zwar der Zuſayparagraph Dufaure's
mit 523 gegen 34 Stimmen. Der erſte Artikel des Geſeßes wurde
mit 530 gegen 68 Stimmen angenommen. Artikel zwei und drei
wurden gleichfalls genehmigt, der ganze Entwurf ſchließlich mit 480
gegen 98 Stimmen angenommen und die Sitzung geschlossen.

Versailles, 1. Sept. Sitzung der Nationalverſammlung. Bei
Eröffnung der Sitzung gelangt eine Botschaft des Präsidenten der
Republik zur Verlesung. In dieser Botſchaft dankt Thiers der
Versammlung für das hohe Vertrauen zu ihm, von welchem dieſelbe
Zeugniß abgelegt, indem sie ihm das höchſte obrigkeitl:che Amt des
Landes anvertraut habe. Wenn volle Hingebung an die Interessen
des Landes genüge, dieses Vertrauen zu verdienen, ſo wage er zu
sagen, er sei deſſen würdig. Thiers dankt allen Parteien der Ver-
sammlung, sich in dem einen gemeinſamen Gedanken vereinigt zu
haben, die Regierung zu befestigen und sie fähig zu machen, ihre
Mission zu erfüllen. Die Botſchaft schließt mit den Worten: Das
Land nach innen und außen zu pacificiren, es von der fremden
Occupation zu befreien, es geehrt und geachtet zu machen, das muß

das Ziel unserer Anstrengungen sein. Wenn wir dieſes Ziel erriene..Ö

chen können, dann können wir uns mit Vertrauen dem Urtheil des
Landes unterwerfen und ihm das Mandat zurückgeben, welches es
uns anvertraut hat. Der Antrag auf Dringlichkeit betreffs des Antrags
 
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