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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0459

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Friedrich konnten ſich in ihren Ausfällen gegen Papſt, Bischöfe und
Jesuiten ſo wenig beherrschen, daß ein ſehr großer Theil der Zu-
hörerinnen am Schluſſe unwillig den Muſehumsſaal verlassen hat.
Namentlich gab sich Dr. Reinkens viele Mühe, das Oberhaupt der
Kirche dem Gelächter fortſchrittlicher Damen preiszugeben und wurde
daher von dieſen auch in geziemender (?) Weise beklatſcht. Die
Männer des Congreſſes mögen nun auf ihren Lorbeeren aus-
ruhen und die Früchte ihrer dreitägigen Arbeit erwarten. Sie wer-
den bitter genug ſein! j j
Die Juden, Protestanten (und Auchkatholiken) haben zu jedem
Ausfalle gegen den Papſt und die Bischöfe 2c. Beifall geſchrieen.
Ein anderer Theil des Publikums verhielt ſich gegenüber den oft
ganz trivialen Ausfällen gegen die Organe der Kirche, die ein gesit-
teter Menſch als öffentliche Beschimpfung charakteriſiren könnte, ruhig
und still, wohl bei sich erwägend, daß eine Sache, die auf solche
Weiſe und durch ſolche Mittel vertheidigt wird, unmöglich vas Siegel
der Wahrheit besitten könne. Die Frivolität aber, womit faſt sämmt-
liche Redner den Beistand von oben, den Schutz des allmächten

Gottes für das Gedeihen des Werkes anriefen, mußte vollends da-

von überzeugen, doß hier mehr als Humbug getrieben wurde, daß
gerade auf protesſtkatholiſcher Seite Achtung vor Gott und allem,
was dem Menſchen bis jett heilig war, nicht mehr zu finden iſt.
Wo die Leidenſchaften der Menſchen keine Schranken mehr kennen,
wie dies im Glaspalaste der Fall war, da weht kein Fünklein gött-
lichen Geiſtes mehr. Man glaubte sich eher in eine Gesellſchaft von
Jacobinern versetzt, die auf den Trümmern geheiligter Rechte ihren
Cancan tanzten. Gewiß hat dieser ſog. altkatholiſche Congreß die
Chancen der antikirchlichen Bewegung nicht vermehrt, was die nächste
Zukunft lehren wird. j

Der Hr. Erzbi ſ hof von München hat unterm 26. Sept.

an den bayerischen Kultusminiſter auf deſſen Erlaß vom 27. Auguſt
ein Erwiederungsſchreiben gerichtet, in welchem die falſchen Behaup-
tungen bezüglich des Dogmas von der Unfehlbarkeit zurückgewiesen
werden, und der Hr. Erzbiſchof wiederholt und entschieden den schwe-
ren Vorwurf der Verfaſſungsverlegung zurückweiſt, ebenſo die Unter-
ſtellung, als beanspruchten die bayeriſchen Biſchöfe den Staatsgesetzen
gegenüber eine Art souveräner Stellung. Schließlich bemerkt der Hr.
Erzbiſchof, daß unter allen Uinständen die Staatsregierung nicht
berechtigt sei, ihrerſeits eine ganze Reihe von Paragraphen der
Staatsverfaſſung zu verlegen und den gesetzlich garantirten Schutz
der katholiſchen Kirche zu entziehen, „die auch das blödeſte Auge
von dem bunten Häuflein der Diſſidenten unterscheiden wird.“ Die
bayeriſchen Biſchöfe ſollen eine Beſchwerdeschrift gegen das Ministerium
Ut Verfaſſungsverleßzung an die beiden Kammern zu richten be-
absichtigen.

Es iſt auch bereits der Wortlaut des erzbischöflichen Erwied?-
rungsſchreibens veröffentlicht. Der Hr. Erzbiſchof erklärt von vorn-
herein, daß die breitſpurige um die ganze Weltgeſchichte herumfah-
rende kultusminiſterliche Ausführung seinen Standpunkt in der Con-
cilsfrage, den er, der Hr. Erzbiſchof, nach Ueberzeugung, Gewissen
uud Amtspflicht habe, durch eine Reihe von Hirtenbriefen, Erlaſſen
und Amtshandlungen bekundet, in keiner Weise zu erſchüttern ver-
möge. Der Cultusminiſter muß sich von dem Erzbiſchof, welcher
freilich die Sache besſer verſteht, ſagen laſsen, daß ſeine Darleg-
ungen auf ein morſches Fundament gebaut seien. Es sagt da der
Hr. Erzbiſchof dem Cultusminister Seiner Majeſtät von Bayern,
indem die Exzellenz es als ihre Ansicht und Meinung nach gewissen-
hafter Prüfung der einſchläglichen Literauur ~ (Janus — Huber
—— A. A. Z. u. ſ. w.) ausſpreche, daß des Dogma der Unfehl-
barkeit “eine weſentliche Aenderung an dem (anerkannten) Lehrbe-
griffe dcr kathol. Kirche“ enthalte, damit sſtempele sich die Exzellenz
zum Revolutionär und Verfaſſungsbrecher, da er durch seine „An-
ſichten und Meinungen“ den Rechtsbeſtand der kathol. Kirche in
Bayern (alſo die Verfaſſung) in Frage stelle. Es thut Einem faſt
leid für den Kultusminister Seiner bayer. Majeſtät, daß er von
dem Hrn. Erzbiſchof daran erinnert werden muß, wie von der Kirche
nie etwas Neues oder Anderes gelehrt werde und werden könne,
als was die ihr anvertraute Hinterlage der Offenbarungswahrheiten
enthält, und eine dogmatiſche Entſcheidung von der Kirche jeweils
nur in den Fällen gegeben werde, wenn ein Glaubenssat ange-
griffen wird. Der Hr. Erzbiſchof verweiſt den Kultusminister, der
seine „Meinungen nnd Ansichten“ aus der antikatholiſchen Literatur
geſchöpft hat, an die Wolke von großen kathol. Gelehrten aller Zeiten,
von denen S. Exzellenz anſcheinend nichts weiß, oder nichts von
ihnen zu wissen den Schein annimmt, und insbesondere an theolo-
giſche Lehrer der Münchener Hochſchule z. B. Dr. Heinrich Klee
und Profeſſor Kr eitm ay er, und sagt sodann:

Da hiemit das ganze Gebäude jener Consequenzen, die Eure
Excellenz aus Jhrer Löſung der „Vorfrage“ zogen, in sich selbst
zuſammenfällt, ſo brauche ich wohl nicht mein Erstaunen auszudrücken,
wie es Eure Ercellenz über sich gewinnen konnte, Ihre aus den
Schriften der Gegner der Kirche geſchöpfte „Meinung“, aus der
Sie zudem die wichtigſten Rechtsfolgen ſchöpften, dem vom Papste
bestätigten und feierlich verkündigten Ausspruche eines ökumeniſchen
Conciels entgegenzuſeßen, welches Coneil von der Gesammtheit des
katholiſchen Episcopats , auf deſſen Urtheil es hier ankommt, aner-



kannt und von der immenſen Mehrheit des Clerus und der Gläu-
bigen als solches verehrt wird. Dieses Verfahren Euerer Excellenz
zum Grunſate erheben, hieße nichts anderes als : fortan kann sich
die katholische Kirche in Bayern der Lehrentwicklung der Geſammi-
kirche nur dann anschließen, wenn die „Meinung“ des k. Staats-
miniſters für den Cultus nicht entgegen iſt, welcher an Stelle eines
allgemeinen Concils zu bestimmen hat, was zum Lehrbegriffe der
katholiſchen Kirche gehört und was nicht.

Nun kommt der Hr. Erzbischof auf die „Staatsgefährlichkeit“
des Dogmas von der Unfehlbarkeit zu fprechen, die Hr. v. Lutz
mit aller Entſchiedenheit erklärt habe, und überführt den Gewaltigen
mit der von ihm ſelbſt gegebenen logiſchen Blöße, daß wenn die
kathol. Kirche durch ihren Lehrbegriff bis zum 18. Juli 1870 nicht
ſtaatsgefährlich gewesen sei, sie dieſes auch nach dem 18. Juli nicht
sein könne, oder : war die Kirche und deren Lehrbegriff bis 18. Juli
1870 nicht ſtaatsgefährlich, so ist auch das neue Dogma nicht ſtaats-
efährlich.

. htUG h spricht nun der Hr. Erzbischof aus, daß wenn er die
ganze Fülle desſen im Geiſte erfaſſe, was man die „kathaliſche
Kirch e“ nenne, und dann höre, daß man dieſe Kirche oder eines
ihrer Attribute für staatsgefährlich zu behandeln sich anſchicke, wenn
diese Ertlärung von der Regierung des kathol. Bayerns in der
ſchärfsten Entgegenstellung gegen der Biſchöfe wiederholte feierlichſten
Aussprüche öffentlich und laut vor dem Volke ergehe, ſo beginne
er an einen tiefen Riß zu glauben, den man in das Verhältniß
zwiſchen Staat und Kirche in Bayern zu bringen bestrebt sei und
müsse er zittern für das theuere Bayern, mit seiner als kathol. Land
so glorreichen Vergangenheit. Der moderne Staat habe von der
Kirche nichts zu fürchten, wenn er nicht von dem Gesetze Gottes
abfalle, und sollte dieses geſchehen, dann habe ja nicht die Kirche,
sondern der Staat das Schwert. Der Cultusminiſter hat gefunden,
daß nach dem 18. Juli 1870 die kathol. Kirche nicht mehr ſie ſelbſt
ſei, weil ihr Lehrbegriff durch das Unfehlbarkeitsvogma eine Aende-
rung erfahren habe ~ er hat ferner gefunden, daß dieser Lehrſatz
ſtaatsgefährlich ſei, und drittens beſchuldigt Hr. v. Lutz die Biſchöfe,
daß sie durch Verkündigung des Dogmas und den Glauben an die
vatikaniſchen Beſchlüſſe ohne königl. Placet die Verfaſſung verletzt
haben. Auch in dieſem Puntktte wie in allen andern, wird der
Cultusminister vom Erzbischof auf das Haupt geſchlagen.

Der König von Bayern hat am 24. Sept. mit dem Prinzen
Ludwig von Heſſen dem Oberammergauer Pasſſionsſpiel bis zum Schluſſe
angewohnt. Der König ſprach ſich gegen die leitenden Persönlich-
keiten äußerſt wohlgefällig aus, und hat 1000 Gulden gespendet.

~ München, 29. Sept. Von den 154 Mitgliedern der Ab-
geordnetenkammer haben sich 149 gemeldet. Unter den 5 Fehlenden
ſind ein Urlaubsgeſuch (Schmiedel) und vier Austrittsgeſuche einge-
laufen (Loß aus Homburg , Trendel aus Kulmbach, Croiſſant aus
Frankenthal und Hutſchenreiter aus Selb). Sie wurdeu ſämmlich
im Laufe der heutigen Sißung und ohne Discuſſion genehmigt.
Laut Regierungsmittheilung an die Stände wird aus dem bayeriſchen
Antheile an der Kriegskoſtenentſchädigung die voriges Jahr gemachte
5prozentige Kriegsſchuld ganz getilgt, und können die übrigen Staats-
schulden gemindert werden. Zur Crhöhung der Schullehrersgehalte
ſind 1,103,800 sl. präliminirt, welche durch Steuerzuſchlag von 10
Procent aufgebracht werden ſollen.

— Die patriotiſche Pariei der Abgeordnetenkammer hat sich
wie bei der Präsidenten- und Sekretäre:Wahl, so auch bei der Wahl
der Ansschüsſe einig gezeigt. In die Ansſchüſſe wählte ſie je 3
Nationalliberalen, währenddem die] Nationallilleralen keinem Patrio-
ten ihre Stimme gaben. Die Hoffnung, der Zwieſpalt der Patrio-
ten werde die Bildung einer Mittelpartei herbeiführen, sagt die Frkf.
Ztg., mit deren Hilfe dann die sogenannte Neukatholiken besiegt wer-
den könnten, habe sich nicht erfüllt, ohne diese Voraussetzung laſſe
ſich der bekaunte Erlaß des Cultusminisſters kaum begreifen.

Kirchliche Nachrichten.

Aus Rom wird geſchrieben: Am 20. d. M., gerade in den
Stunden , wo die „Neurömer“ nach der Porta Pia zogen, begab
ſich eine große Anzahl treuer Anhänger des Papſtes aus der Ari-
ſtokratie,, dem Bürgerſtande und dem Volke, Männer und Frauen,
Jünglinge und Jungfrauen, zu Fuß und zu Wagen, nach dem
Vatican. Dort bildeten sich drei Gruppen, aus Männern, Frauen
und der Jugend beider Geschlechter ; jede Gruppe hatte dem Papſte
eine besondere Adreſſe zu überreichen. Als Pius IK. in ihrer Mitte
erſchien, empfing ihn ein herzliches Uvvira Pio IX. Nach der Reihe
wurden dann die Adressen verleſen, welche gegen die Beraubung des
apoſtol. Stuhles proteſtiren. Ein Manu aus dem Veolke richtete
nach Verleſung der Adresſe der Männer, welche, wie es ſchien, ihm
nicht genügte , von ſeinen Gefühlen hingerissen, einige herzliche und
ehrfurchtsvolle Worte an den Papſt, im Namen der wahren Römer,
die seit mehr als tauſend Jahren unter dem Scepter der Päpſte ge-
lebt, und nicht anderes erſehnten, als bald wieder Pius IK. in seine
Herrscher - Rechte eingeſezt zu ſehen. Tief ergriffen antwortete der
hl. Vater in Worten der Ergebung in den Willen des Höchsten, des
unerschütterlichſten Vertrauens in die Rathſchlüſſe Gottes, der Zu-
verſicht auf die Zukunft seiner Kirche, und der tiesſten Trauer über


 
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