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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9503#0639

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Srite 2

„Der KurpfSlzer*

Folge 7

-e>t öer Anlage einer Gtraße oder bok -eren Verbesserunq,
«»etl man öadurch -ie KSnigsheere herbeizog. Aber wäh-
rer»d »er Kriogszüge «m das Arhr 17S7 ging kein Dorf leer
<ms. Jm Jahre 17S6 lesen wtr bei KrtegSlasten:
18 Nauern mnssen Kriegsfrondfuhren für die k. k Armee
nnch Mainz besorgen. 1797: 80 Bürger verrichten an den
Fcstnngswerken in Mannheim Schanzfronden. Die Zim-
merlente Georg Horn, Wilhelm Kappes und Jakob Horn
gehen als Oberschänzer, d. h. als Obmänner, Lorth-in und
find 26 Tage in Arbeit.
Dann folgt Einquartierung auf Einquartie-
rung, Schanzarbcit, Rekrutenanshebnng, G-estellung von
Fuhrwerken, Lieferung von Futter für Lie Pferde, von Brot
für -ie Solbaten. Vis nach Regensburg müffen sie fran-
zöstsche Regimenter begleiten. Dort laffen die Zuzenhanier
Pfevde und Wagen im Stich, weil ste woder Futter für die
Pfevde, noch Lebensmittel für sich erhalten. Krank und zer-
lumpt kommen sie nach Hause.
Jm Jahre 1799 verlangt Marschall Ney 800 Laib Bau-
ernbrot, 20 Säcke Mehl, 1000 Rationen Hafer, das für 780
Sester, 1000 Rationen Heu, etwa 200 Zentner, dazu 14 Rin-
öer, 20 Hämmel, 2 Fuder Wein, 8 Ochsen und 180 Krüge
Branntwein. So reiht stch Liescrnng an Lieferung von 1792
ibis 1813.
Der frühere Pfarrer Glock schieb über den Reichtum
des Dorfes: Mitten durch das Herz des Ortes ranschen die
Wafler der Elsenz, deren Bett ein grotzes, schönes Wiefen-
tal rst, wie es kein lieblicheres und fruchtbarcres weit und
breit geben dürste. Das lockte auch schon frtther die Ansied-
ler. Von dem alten Zuzenhausen nordmärts öes Dorfes
findei man Bruchstein«, Backsteine, Aiegel beim Pflügen:
beim sogen. „Roten Hans" trifft man beim Graben in der
Tiese auf ganze Fundamente, wahrscheinlich Reste keltisch-
römischer Siedlungen.
Das ist alles schon sehr, sehr lange her. Leichter erzäh-
len sich die Bewohner von dem Tun und Treibcn. dem Le-
ben und der Kleidung der Altvordern. Bei der Arbeit am
Werktag sehen wir die Männer in leinenen Hoscn, in Wäm-
sen oder langen Kitteln: die grauwollenen Strümpfe sind
unterhalb öes Knies mit Schnallen sestgehalten. Der starke
Bundschuh, der in den Bauernkriegen um 1826 das Banner
der Bauern zierte, gab noch lange das Bekleidungsstück für
den Futz ab. Aus dem Kopfe tragen die Verhcirateten oine
fchwarze, die Leüigen eine weihe Zipfelmütze.
Am Sonntag aber hietz es: „Frau, hol mir mein Fe-ier-
tagsgewand." Da liegen auf dem Bett die gelben hirschle-
dernen Hofen, die schwarzsamtene Weste mit gelbcn Knöp-
fen, das Camisol genannt, das eben an der Brust offen ge-
ivagen wird, sodaß das weitze Sonntagshemd u>d das um
de-n aufrechtstehcnden Hcmdkragen geschlungene schwarzfei-
-dene od«r tüchene Halstuch mit den langen seitwärts ge-
vichteten Zipfeln gut zur Geltung kommt. Am Sonntag
zieht der Bauer weiße, gerippte Strümpfe an, und wer
das Geld dazu hat, dem näht der Schuhmacher silberne
Schnallen auf seine Sonntagsschuhe. So, und jetzt nimmt
der Mann den blauen Kirchcnrock aus gntem Tuch und bc-
trachtet ihn wohlgesällig. Bis übers Knie rcicht er ihm,
als er ihn angezogen hat. Zwei Reihen übersponnener gro-
tzer Knöpfe sind sein Schmuck, und der aufrecht steh-ende
Kvagen gibt dem also gekleideten Vauer etwas Befehlendes,
Stolzes, Freies. Nun den großcn Kirchenhut, den Drei-
fpitz, auf den Kopf, das dicke Gefangbuch in die Hand, und
fort geht's in die Kirche.
Hirschlederne Hofen sind auch den Buben und Burfchen
eigen. Deren Stolz bildet die „Brohkappe", das ist eine
Pelzkappe aus Jlkis-, Marder- oder Fischotterfell, verzierc
mit blanen oder rotcn Litzen und Knöpfen.
Die Frauen aber tragen dunkelblaue Röcke, darüber
eine einfache, schwarze Jacke und je nach der Wohlhabcnheit
ein einfaches oder seidenes Brusttuch, das au^ üem Rücken
gehefiei wird. Die Zuckhanbe, bei den MSdchen weitz,
bei den Frauen schwarz, versteht die Putzmacherin für den
Sonntag mit einem kostbaren gestickten Boden. Varhäuptig
barf keine Frau und kein Mädchcn die Kirche betreten.
Nach dcm Mittagsgottesdienst trinken die Männer ihren
Sonntagsschoppen. Zwar haben sie daheim auch Wein
im Keller liegen: doch mutz die sommerliche Sonne schvn
tüchtig brenncn, wenn der Zuzenhaufer Rotc bekömmlich

werden fokl. Nver einen guten HauStrunk gibt er doch ab.
Heut« veicht »ex selbstgekeltert« Obstwein bis in de« Som-
mer hiuein Dte ersten sechs Obstbänme an -er Landstratze
wurden 1784 gefetzt: vorher begleitete Alleen vvn Pappel-
bäumcn den Wauderer, wie wir Alten dies noch um 1886
zwischen Durlach und Karlsruhe sehen konnten. Ver-
edelte Obstsorten wce heute kannte der einfache Bauersmann
vor 150 Jahren nur sehr wenig,- die Bäume trugen dte
Holzäpfel, also -ie wilöen Früchte. Dafür aber zwang der
Befehl Ses Knrfürsten öie Zuzenhäuser, Manlbeer-
bäume zu pflanzen. Um öem in mannigfachen Kriegenund
durch die hohen Adgaben an den verschwenderifchen Theodor
auch mit der Zucht der Seidenraupen, deven Kokonseidc Gekd
brachte. Zuzenhaufen war 1778 gezwungen, 180 Maulbeer-
bäume anzupflanzen und den Leuten, die Seidenraupen zo-
gen, das Betreten der Aeckex ohn« weiteres zn gestatten,
Ueberall in der Pfalz erregt« üiefe kurfürstliche Ver-
ordnung großes Mitzfallen. Die Felder wurden zertre-
tcm, dcnn es übt« niemand di« nötig« Vorficht. Jn dcr Tafche
ballten die Bauern die Fäuste, und in ihrer Unterdrückung
kam ihnen die französische Revolution 1789 zu Hitfe. Di«
Wellen diefer Vewegung pflanzten sich auch in die rechts-
rheinifche Pfalz fort, wo durch den Uebermut dcr knrpfäl-
zischen Beamten zudem viel Zündstoff angehäuft war. Jetzt
wagte keiner mehr gegen die Bauern vorzugehen, als diefe
mit den Aexten auszogen und öie ihnen unbequemen Manl-
beerbäume uiiihieben. Karl Theodor, öer bejahrte Herrscher,
hatte lüngst das Erbe dcr bayerifchen Regierung in Mün-
chen angetreten und vergaß seine Psalz. So mögen auch dr«
Zuzenhäuser sür das Umlegen der Maulbeerbäume unge-
straft geblieben sein.
Vox 160 Jahren kanute man keine Stallfütteruug wie
heute. Bon Georgi (23. April) bis Martini trieb öer Hirte
das Vieh auf öie Weide, wofür eine große Reihe von Grund-
stücken brach lag: doch durfte er auch den Gemeindewald be-
fahren. Vor dcm ersten Ausfahren mußte der Bauer jedem
Stück Bieh die Hörner stutzcn lassen, damit dem Hirten kein
Unheil gescheh«. Der „Mittlerer" besorgte das Messen
und Verwiegen der zu verkaufenöen Früchte,- der „Salz-
kommis" bolt in Heidelberg das Salz unö verkauft es
an die Bewohiier. Dafür erhült er 22 Gulden. Für das
Richten und dic Behandluug der Rathausuhr bekommt
dcr ,.U h r r i ch t e r" an Mariä Lichtmetz 2 Malter Spclz.
Am Dorf fehlcn auch die zwei Nachtwächter nicht, die,
mit Spieß uiid Laterne uud dem Horn ausgerüstet, jede
Stunde in dcr Nacht deu Umgang halten und die bekannten
Berse absingen.
Di« Hebamme wuröe auch von der Genreinde g-ewählt.
Auf dem Rathaus befanden sich zwei der früher üblichen
Geburtsstühle, die dort abgeholt werden konnten. Da sich
mancher Familicnvater „schenierte", wurde 1789 a-us dev
Gemeiudekasse ein großes Tuch zum Verdecken dieses Ge-
rätes angeschafft.
Ein michtiges Amt bekleidetcn friiber, als man die aufs
peiulichste ausgeführterr Pläne der Zelgen, Gewanne und
Gemarkuugen noch uicht kanute, die Feldrichter. Jhncn stand
die Besichtigung der Fluren zu. Zu diesem Zwccke mußten
sie alljährlich mindestens einmal einen Umgang durch die
Gemarkuug halten und fehlende Grenzsteine durch die mit-
geführten Taglöhner neu setzeu lassen. Bei ErbtcilungcN
vollzoqen sie in ähnlicher Werse die vielleicht nötig fallende
Teilung an Gruirdstücken. Das Setzcn der Grenzstcine ge-
schah in feierlicher Hanölung, wre öie Feldrichter zu diefem
Geschäft auch in vollem Sountagsstaat mit K'rrchenrock und
Dreifpitz antraten.
Wie all« Orte ber Kurpfalz, so hatte auch Zuzenhanfen
die Schrecken der viclen verwüsteirderr Kriege auSzukosten
Jn öen langen schrccklichen Jahren des 30 jährigen Krieges
waren viele Bewohner geflohen, ganz« Häuser waren aus-
gestorben, die Pest wütete, und als der Frieöe geschlossen
ward, da waren die Dörfer entvölkert. Aus der Schiuciz,
den Mederlanden, aus England und Frankreich zogeu
fremde Ansieöler herbei, gelockt durch die gttnstigen Bedin-
gungen dcs Kurfürsten Karl Ludwig, der bestrebt war, dem
verarmten Lande mieder aufzuhelfen. Als Beifpiel, wie es
in den Dörfern ausgesehen hat, berichtet Pfarrer Glock in
der Geschichte von Zuzenhausen, daß noch 20 Fa-Hre nach
dem Friedensschluß in dem uahen Dorfe DossenHeim «in
Haus zu s«hen war, iu dem während der langen Kri«gs-
 
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