Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9503#2455

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

olksgememschast

XkIokk«ck«
"^8 und HerauSgeber: Nerlag DoUSgemerMchast G.m.b.H.,Heidelberg. Hauptstr. 126/123
ry^^El.Nr. Schristleitung Brunnengafse 20/24, Fernruf 3740. Die.VoNSgemeinfchaft^
"ieint 7 mai wöckentlicb und tostei monatlicb 1.70 RM.. bei Trägerszustellung 30 Pf.

kpkllgg. 68ll 1S. Wl 183k


»kvskciitkii
bei Postzustellirng 42 Ps. mehr. Jst di- Zeitung am Erschetnen lauch durch höher« Sewalt»
derhindert. besteht kei» «nsprilch ans Entschädignng. «bbistellunge» müssen biS spät.25.d.M.
siir den solg-»rden Monat direkt b. Verlag eingereichtwerden. AuLschl.GerichtZsrand: tzeidelberg

W»!l!»W «SW»»!Wg»»>Sll l»l> »18- »»» Söl»»«»-»»»»!'»»»

kl'ölöM»»! lü?lg>S.»S»s»W-»I'. lö»

Cngland verzichtet auf Ganktionen
Cden gibt den Bankeroit des Völkerbunds zu

London, 18. Juni.
.3m Berlanf der mit grotzer Spannung erwarte-
^ Uuterhausrede des britischen Auhenministers
v^eu, gab letzterer unter Mitzsallensäutzerungen
^ Dpposition zu, dah man sich hinsichtlich der Wir-
7^8 der Völkerbundspolitik gegen Jtalien „schwer
--^krechnet" habe. Rom habe militärisch ge-
> °8t. und eine Fortfiihrung der Sanktionen ver-
^eche nicht den geringsten Ersolg, wenn man nicht
>>en europäischen Kricg riskieren wolle, zu dem
europäischer Staat bereit sei.
n-^den fuhr daim fort: „Das ist eine Lage, aie
^''dt anders als durch eine militärische Aktion von
Ktzen möglicherweise geändert werden kan'

§!d.t es irgend ein Land, das bereit ist, eine solche
d/x färischg Aktion zu ergreifen? Oder ist ein Te'l

»> öffentlichen Meinnng dieses Landes bereit.
solche militärische Handlung zu ergreifen?
^'acEovern (linker Flügel der Arbeiterpartei) rief
ri.r^^- »Die Arbeiterpartei!" — Konservative Zu-
„Antworten!", worauf stch jedoch uiemand
"N deg Bänken der Opposition erhob.
> Eden fortfahrend: Jch bin der Ansicht, datz diese
T^tsachen, obwohl sie unwillkommen stnd,
zu einer endgültigen Schlutzfolgerung zwingen.
in. Is ist klar, datz der Völkcrbund, wenn er d>e
7">ncht hat, in Abessinien einen Frieden zu erzwin-
den er von Rechtswegen billigen kann, zu
, "cr Handlung schreiten mutz, die unvermeidlkch
Kriege im Mittelmeer führt.
Ich glaube kaum, datz der Völkerbund eine solche
.Utwicklung oder eine solche Handlung begünstigt.
^ glaube nicht, datz dieses Land, das bei einem
cnihen Krieg die grötzte Last zu tragen hätte, ihn
^"erseits wünscht." (Veifall)
Die Völkerbundsversammlung werde bei ihrem
^uchsten Zusammentritt die gesamte Lage zu Lber-
a?ufe„ haben, bei der die Sanktionsfrage nur einen
darstelle.
Die britische Regierung sei auf seinen Rat-
den er in seiner Eigenschaft als Autzenmi-
i,gegeben habe, nach reislicher lleberlegung
r öein Schlutz gekommen, datz sie keine Macht
„^b e, noch länger diese Mahnahmen fortzusetzen,
^ einen Druck auf Jtalien auszuüben. (Zurufe:
D^chande!" bei der Opposition und Beifall der Re-
- erungsanhänger). Die Erllnde für diese Entschei-
E-."g beftänden darin, datz nicht erwartet werden
datz die Fortführung der bestehenden Sank-
^?Uen die Lage Abesstniens wiederherstellen werde,
^ ^crstört worden sei.
Die Aufrechterhaltung der Sanktionen würde
ai/ Ergebnis haben, datz die Sanktionsfront
s ^cihlich zusammenbrechen würde, so datz der Völ-
cbund innerhalb weniger Wochen sich einer Lage
> .^»Lbersehen würde, die nochabträglicher
' "ls die, der er heute gegenüberstehe.
st» .» Völkerbund solle zugeben, dah die Sanktio-
»hren Zweck nicht erreicht hätten und dieser
ifache ins Auge sehen.
^"glands Mittelmeermacht wird verstärkt
. Cden erklärte dann, datz er im Namen der Re-
^»"8 eine Erklärung abzugeben habe, die sich auf
iin ^'ttelmeer beziehe. Er erinnertc daran, datz
. czember vorigen Jahres ein Meinungsaustausch
^,'^en der britischen Regierung und gewissen Mit-
^.'»cermächten stattgefunden habe. Das Ergebnis
» ^ unter anderem gewisie gegenseitige Zusicherun-
.. gemätz Absatz 3 des Artikels 16 gewesen. Nach
siK dei britischen Regierung dürsten diese Zu.
x^^ungen mit der Aufhebung der Sanktionen nicht
^ sondern mützten bestehen bleiben. Angesichts
», ^rfahrungen ver letzten Monate habe die Re-
dj.^ug weiter beschlossen, dauernd im Mittelmeer
tzcj/, ^crteidigungsstreitmacht zu unterhalten, die


^cr sei, als die vor Beginn des Streites.

3ukunft des Völkerbundes

^--^>crauf behandelte Eden die Zukunft des Döl-
si^^udes. Er oersuchte, klarzustellen, datz nach An.
öef, ^cr Regierung der Völkerbund forlgeführl wer-
Effc. Die Regierung nehme an, datz die an-
cn Bölker auf der Vollversammlung Ende dieses
bereit seien, das wichtige Problem der Zu.
tzi^. öes Völkerbundes zu behandeln. Sie sei der
es klüger sein wllrde, wenn die Be-

l»?^ung dieser Frage bis zur normalen Vollvcr-
"^Utlung im September zurückgestellt würde.

Deutschlands Mitarbeit erwünscht
Eden wandte sich hierauf Deutschland zu und
sagte: „Jch wünsche mich mit den Verhandlungen
zu beschäftigen, die die Regierung versucht, hat,
ständig in Eang zu bringen, seitdem Deutschland
das Rheinland im März wiederbesetzt hat. Die Re-
gierung dieses Landes hat sich seit langsm für eine
Politik eingesetzt, die auf dem Wunsche bcruht, gute
Veziehungen zwischen Deutschland und den Ländern
herzustellen, die seine Eegner im Kriege gewesen
sind.
Die Mitarbeit Deutschland ist für den Frieden
Europas nicht zu entbehren, und wir wünschen
nichts Vesseres, als mit Deutschland zu diesem
Zweck zusammenzuarbeiten. Das ist der Zweck, der
dem Vertrag von Locarno zu Erunde lag.
»Die Lage wurde kompliziert"
Jch möchte nur auf einen Punkt hinweisen: Jm
Februar letzten Jahres hat die gemeiniame br>-
tisch-französische Erklärung, die hier in London e:-
zielt wurde, den Versuch gemacht. eine allgemeine
Regelung zum Zwecke der Vefriedung Europas zu
erzielen. Es handelte sich um ein umfangreiches
Uebereinkommen für eine Anzahl europäisch'r
Staaten, einen Luftpakt, ein Uebereinkommen über
die Rüstungen, das die RLstungsklausel des Vec-

trages von Versailles ersetzen sollte. Sehr bald
hiernach führte Deutschland die allgemeine Wehr-
pflicht ein, und „die Lage wurde kompliziert", ab-r
wir haben während des ganzen letzten Jahres in
unseren Anstrengungen nicht nachgelasien, einm
Luftpakt in Westeuropa zu fichern sowie ein Ab-
kommen über die Vegrenzung bestimmter Formen
der Rüstung. Aus bestimmten Grllnden hielten es
die Deutschen für richtig, ihre Antwort aufzuschie-
ben. (Leider „vergatz" Eden diese Erllnde näher za
kennzeichnen, offenbar weil er froh war, das pe'n-
liche Kapitel des Abessinienkonfliktes nnd die da-
durch erzeugte italienisch-englische Spannung ein-
gangs seiner Rede „erledigt" zu haben. Die Schrift-
leitung).
Die nächste Entwicklung ging am 7. März vor
sich, als der deutsche Botschafter in das Auswärtige
Amt kam, um mich davon zu unterrichten, datz
deutsche Truppen an diesem Morgen in die demili-
tarisierte Zone hineingegangen waren. Die Plötz-
lichkeit der Handlung der deutschen Regierung er-
regte die grötzte Vesorgnis in Belgien und Frank-
reich sowie in vielen anderen Ländern rnd ia einem
grotzen Teil Europas. Unter diesen Umständen be-
stand die Politik der Regierung darin, die Besorg-
nisse zu beschwichtigen, um so eine Lage zu schasfen.
in der wohlerwogene Ueberlegungen und sorgfäl-
tige Verhandlungen möglich sein sollten.
Fortsetzung Seite S.

Llnwetterkatastrophe Lm Elztal
Orei Brücken weggeriffen — Llnermeßlicher Schaden

Oberdielbach (Elztal), 18. Juni.
Vor wenigen Stunden ging über unsere Eemeinde
ein Hagelwetter mit nachfolgendem Wollenbruch
nicder, wie er seit Menschengedenken nicht mehr zu
verzeichnen war. Es wälzte sich mit nnheimlicher
Schnelligkeit aus das Hühnersedel-Massiv zu, an dem
es zerschelltc und dcrartige Verheerungcn anrichtete,
dah sich der Schaden auch noch nicht annähernd über-
sehen läht. Die taubeneiergrotzen Körner hagelten
mit einer Wucht auf die Fluren niedcr, datz die
Bernichtung der Kulturen von vornherein mit gro-
her Sicherheit anzunehmen war.
Nachdem die erste Welle des Unwetters, das fast
zwei Stunden andauerte, vorübergezogen war, konnte
man schon die Folgen einigermatzen übersehen. Die
Kornfelder liegen vollkommen zerschmettert darnie-
der. Das Heugras ist dnrch die gewaltigen Erdmas.

sen völlig verschlammt. Was schon abgemäht war,
ist durch Sturzfluten fortgeschwemmt worden. Die
Kartoffelkulturen an den Seen sind zerstört. Ueberall
haben Erdrutsche von grützerem Ausmatz stattgefun.
den. Vaumstämme, Holz, landwirtschaftliche Ee.
brauchsgegenstände, kurz was in der betreffenden
Zone vorhanden war, wurde mitgerissen. Drei Brük-
ken, welche die Zufahrt zur Hauptstraße bilden, sind
verschwunden. Eine Vrücke wurde in einer Vreite
von 7 Metern und einer Tiese von 3 Metern voll-
kommen wegrasiert. Grotzen Schaden erlitt der
Gastwirt von der „Krone", im Volksmund „Finster-
mühle" genannt.
Nachdem schon einige Stunden seit der Kata-
strophe vorübergezogen sind, hat die Wasserwehr
n.och alle Hände voll zu tun. Auch in den Bergen
hat das Hochwasser grotze Verwüstungen angerichtct.


0ns /trdeltscklsnstlogei' l.»nbe bel vsrnau un«slt Serlln «urcks Im vslssln ckes odersruppenküd-
rors v. ck»8o« unck overstnrdeitsckiensttüdrsrs vormnnn »ut cksn ktLMsn «ttorst Wesssl" um-
v«n»nnt. Echerl Bilderdtenkt.

Oie an-ere propaganda
Wo Lärm ist, hört man nicht stillere Eeräusche,
und Staubwolken sind eine gnte Deckung für Be-
wegungen, die nicht alle sehen sollen.
Die Pariser Streiks und Tumulte bliden eine
prachtvoll turbulente Kulisse, um die Aufmerksam-
keit der Welt von den wahren Zielen der Mos-
kowiter abzulenken und kein Mensch weitz, wer
hinter dem „Paravent" Leon Blum die Eeschicke
Frankreichs eigentlich lenkt.
Es wäre sehr beqnem anzunehmen, datz dis
Linke allein Eegenstand der sowjetischen Werbung
ist und die ganzen Jahre über war. — Man
würde wohl die Sowjetpolitiker sehr unterschat-
zen, wollte man glauben, die Organe vom Genre
der „Humantsq" wären ihre einzigen Angeln, unt»
ihre Tätigkeit beschränke sich darauf, sozusagen mit
blanken Haken etliche nach Demagogie gefrätzige
„Dorsche" aus den Wassern der Seine zu ziehen.
Diese offenkundige und laute Popaaanda ist
nur ein Teil der politischen Arbeit, die Mos-
kau im letzten Jahrzehnt in Frankreich geleistet
hat und die immerhin den Erfolg in Anspruch
nehmen kann, die gesamte öffentliche Meinung, die
bislang als klassiscki für ihre feindliche Haltung
den Bolschewiken gegenüber galt, soweit umge-
kehrt zu haben, vatz ein Pakt mit diesem verachte-
ten Sowjetreich abgeschlossen werden konnte, zu
dem die Allianz der 2. und 3. Jnternationale das
ideologische Fundament hergeben mutzte.
Welche Wandlung! Vor knapp 10 Jahren konn»
ten noch ullnächtlich blutigrote Ausichriften: „Assa.
sin, Asiasin"! an den Mauern der Pariser Sowjet»
botschaft erscheinen und die Fran des Volkskom-
missars Krassin mutzte es erleben, datz ein
Modeatelier in der Nähe der Vendome die Liefe-
rung einfach ablehnte. Und heute? Man macht
kaum mehr einen Unterschied zwischen dem alten
und dem neuen Rutzland, wenn man ergiebig auf
dem Angstkomplex des Franzosen spielt und ihm
begreiflich macht, dah nur die Russen den Sieg an
der Marne ermöglicht hätten und wiederum nur
die Russen heute Frankreich vor den kommenden
Angriffen des neuen Deutschland schützen könne.
Solche Schlagworte kann man in allen Kreisen
zirkulieren qören, ihr Charakter verleugnet auch
nicht die Stanze in der ste geprägt wurden.
Wie virtuos haben aber die Bolschewiken es
verstanden, den früher immerhin beachtlichen Ein-
flutz der ganzen russischen Emigranten zu brechen,
ja ihn zum Teil direkt ihren eigenen Jntentio-
nen gefügig zu machen. — Wie plump und ooch
raffiniert in ihrer psychologischen Wirkung und
Anlage stnd häufig ihre Mittel. —
Einen ehemalige Erafen kann man zwar schwer
vom Kommunismus überzeugen, aber umso zu-
gänglicher stnd seine Vorstellungen dem „Deut-
schenhatz", der ibm aus den Spalten dcr Nowoje
Wremja noch geläufig ist. Die Sowjetarmee be-
schützt uns vor der Jnvasion der Deutschen, ist d^e
beliebte Argumentation in solchen Kreisen, üie
immer noch auf dankbaren Boden fällt. Noch
heute, — oder richtiger gerade heute wieder, —
gibt es Suworische Kreise in Paris, die ihre Hatz-
gesänge aus dem Weltkrieg erneut ertönen lassen.
Ja, sind es nicht die Sowjets und ihre Armee, -
sagt man dann — die wenigstens die Erenzen des
russischen Reiches und die Gesamtheit des Terri-
toriums noch wahren? Wobei man mit Eeschick die
dem Rusien eigene Liehe für die unermetzliche
Grötze und „llnteilbarkeit" seines Vaterlandes^
dem allerdings sebr viele Fremdstämmige gehören,
heranzieht.
Eine fromme Fürstin aus dem Kaukasus wird
man kaum von den religiösen Segnungen der Bol-
schewiki überzeugen können, aber sie glaubt leicht
an die bevorstehende „Welt-Turbulenz" (sprich
Weltrevolution aus der dann sich das neue und
geläuterte Christentum erheben wird — Die
Deutschen und ihre Führer sind nalürlich die
fleischgewordenen Teusel, die diese wilden Ereig-
nisse auslösen werden... —
Ueberhaupt scheinen alle jene Vaptisten, Adven-
tisten und Sektierer, mit den dazu gehörenden
Predigern ein vorzüglicher Tummelplatz getarntsr
sowjetischer Propaganda zu sein. Diese ehrgeizigcn
Priester verschiedenster Dogmen rekrutieren kich
meist aus den früher so getretenen Fremdstäm-
migen, — schon ein psychologisch geeignetes Me r-
schenmaterial, um sie nun auf ihre Unterörücker
von ehedem loszulassen. Letten, Türken und Ar-
menier bemühen sich mit mebr oder weniger Er-
folg um die rechtgläubigen Seelen der wirklichen
Russen, denen sie nun, in scheutzlichem Russisch die
Vorteile einer etwa andere Religion begreiflich
machen. Tausende von Versammlungen werden ge-
halten, Tausende von Worten, die beileibe nichts
mit Politik zu tun haben, — und doch langsa.n
aber sicher träufelt Moskau seine Propaganda mit
Eottesworten überzuckert in bie Herzen auch die-
ser Menjchen. Ohne datz ste es merken, werden üe
präpariert.
Besonders einfach war es, unmittelba, nach der
Machtübernahme die wahren Quellen der rühri-
gen Propaganda zu ahnen, als alle diese Predigex
 
Annotationen