v o lkg ememsch aft
kjeiLelberger
drrlag und HerauSgeber: Merlag Vollsgemeinschaft G. m. b. H., Heidelberg, Hauptsir. 126/123
E-mmelnummer S2SS. kchristleitung: Lutherftr. SS. Fernruf S740. Dte .VollSgemeinschaft'
krfchetnt 7 mal wSchentlich und lostet monatlich 1,70 RM.; bei Träggrzustellung zuzügl. M Ps.,
Veobachter
vet Postzustellung zu-ügl. 42 Pf. Jst die Zeitung am Erscheinett (auch durch hvher« «ewaly
verhindert, besteht kein Anspruch auf Entschädigung. Abbestellungen müssen bis spätestenS 28ch.M.
für den folgendenMonat direkt beim Verlag eingereicht werden. AuSschl.Gerichtsstand: Heidelderg
Lvnnerstag, Len ?. Mai W8
ümt!icLk8 Ver!rijnl!i8llng8blsll liir 8lssl8- nnl! 6enieinl!e-8e!iösl!en
ftewertnuk ill jlfg., 8. Mrg. / Nr. 128
kom will den Lrieden bestimmen
Vottm Louverneur von Kddis Kbeba — Verzicht ouf pariser Vermittlung
Scharfe klngrifse gegen kden und Valdwin
Rom, 8. Mai.
Marschall Badoglio hat de« Gouver«e«r
l>o» Rom, Bottai, der den abessinische« Felb-
als Freimilligex mitgemacht hat u«d
Dienstag an der Spitze des italienischen Hee-
j« Addis Abeba einzog, zum Zivilgouver-
?e«r vo» Addis Abeba eruannt. Mit dieser
Matznahme mird die vermaltungsmäbige Neu-
ordnung dcs abesstnische» Kaiserreiches eiu-
keleitet.
Marschall Vadoglio hat am Dienstagaben>d
von AÄbis Abeba aus folgenden Aufruf an
"ie abesstnische Bevölkernng gerichtet:
„Abesfinier!
Heute sind die Truppen 'dcs mächtigen Kö-
nigs von Jtalien in Aödis Abeba eingezo-
Sen. Jn Stadt und Dorf nimmt öas Leben
wieöer seinen gewohnten Gang. Nichts wivd
Segen diejenigen unternomm-en weröen, öie
E>ie Waffen nioderlegen und die Arbeit wie-
deranfnehmen. Jm Schatten der siegreichen
italienischen Trikolore weröen öie Bölkerschaf-
ien Abessiniens Frieden, Gerechtigkeit und
Gedeihen finden."
Dieser' Anfrnf -des Marschalls ist vom
Ghibi aus in italienischer und amharischer
Sprache unter öie Bevölkerung vertetlt wor-
den.
Siegesjubel ln Äalien
Der Jnbel, der ganz Jtalien Wer öie Be-
setzung Addis Abebas und öie stegreiche Be-
endigung des Krieges erfüllt, finö-et in öer
römifchen Presse seinen Widerhall in begei'st-er-
ten SchilL-ernngen Wer den Einzng der italie-
nischen Trnppen in Addis Mb-eba und üb-er die
Kestes'fr-end-e ö-es ganz'en italienischen Volk-es.
L-evhafte Beachtn-ng wird d-em Aus'landsecho
gesch-enkt, wobei der sympathische Ton öer
deutsch-en Presse beson'd-ers hervorgehoben
wirö. Lo-ndon-er und Pariser Berichterstatter
d-er hi-esi'gen Blätter kommentieren d-en Ein-
öruck in d-en „Hochburgen des SanktioniAmns"
mit unverh-üllter Schadenfrende.
VernMung LankenL abgeleiint
Das Mittagsblatt des halbamtlichen „G i or -
kale d'Jtalia" geht sogar soweit, als Rück-
wirkung öes italtenischen Sieges neben dem
Enöe der Sanktionen auch die Ausschal-
tung Eöens unö Baldwins aus dem
englischen Kabinett voranszusagen. Eöen be-
finöe sich in öer unangenehmen Lage, daß für
öie Gemäßtgten seines Landes öie Niederlage
des Negus gleichbeöeutend mit seiner eigenen
Niederlage empfunden rverde, währenö die
Sanktionsföröerer ihm heute vorwürfen, öatz
er nicht öen Sieg Jtaliens zu verhindern ver-
mochte.
Nach Ansicht des „Popolo di Roma"
liegt es heute bei England, das so viel Ver-
antwortung für die in Europa entstandenen
Gpannnngen trage, wenn auch nicht freund-
sihaftliche, so doch normale Beziehungen zu
Ktalien wiederherzustellen unö das anzuer-
kennen, was es bis heute niemals habe zu-
geben wollen, nämlich öaß Jtalien ein un-
erläßlicher Faktor für die Aufrechterhaltung
öes europäischen Frieöens sei. Jn Londoner
polittschen Kreisen glaube man, wie öas Blatt
weiter behauptet, öaß derliZnsammenbruch
Abessiniens auch den Zusammenbruch
des Völkerbunds bedeuten werde. Vor
allem sei man überzeugt, öaß nach dem Schei-
tern des Sanktionsexperiments niemals mehr
Sanktionen vom Völkerbunö angewcndet wer-
den würden.
Die Pariser Bemühungen, sich für eine
Vermittlung einzusetzen und mit Halbheiten
und Kompromissen öen abessinisch-italienischen
Streitfall nun -ruch öiplomatisch balöigst unter
Dach und Fach zu bringen, stoßen in der ita-
lienischen Presse auf sehr wenig Gegenliebe.
Das Kopfzerbrechen der französischen Presse,
ob Jtalien ein Protektorat Wer Abeflinien
zugestanöen werden könne oder ob es sich das
eroberte Gebiet ohne Rücksicht anf die euro-
päi'schen Großmächte aneignet, hält man hier
für sehr unangebracht. Der Pariser Bericht-
erstatter der „Stampa" unö öes „Popolo di
Roma" ist daher sofort ats Erwiöerung auf
öie Ausftthrungen von „Temps" und „Oeuvre"
mit einer scharfen polemischen Erwiderung bei
der Hand.
Die Forderung des „Oeuvre", datz Jtalien
keine vorteilhaftere Regelung für Abessinien
zugestanden werden öürfe als Frankreich im
Falle Marokkos, beantwortet das Vlatt mit
dem Hinweis, öaß Frankreich Marokko auf
dtplomatischem Weg erhalten habe, wäh-
renö Jtalien diplomatrsch jede Konzession, die
auch nur entfernt einem Protektorat gleichen
konnte, verweigert worden sei. Nach Ansicht
des „Oeuvre" scheine Jtalien nunmehr, wie
der Berichterstatter ironisch hinzufügt, kaum
daß es Abessinien erobert habe, aus die Aus-
nutzung des Sieges verzichten und sich
lediglich darauf beschränken zu sollen, die Ord-
nung im Land wieöerherzustellen, um dann
den Kapitalisten und Abenteurern
Nalien delsält Lie
Der Negus und serne Generäle
HStten, so fährt di« Zeitun-g fort, durch ihre
Flucht Hre Befugnifle und Rechte verloren.
Diese Ausfassung werde auch durch di« von
Frankreich und England gewüHrt'e Freiheit
öes Durchzuges bestätig-t, da sonst beid« Re-
gierungen sich eine schwere B-erletzun-g ihrer
Neutralität hätten zuschulö-en kommen laffen.
Jrg-endein-e J-ntervention des Auslandes o'der
d-es Völ'kerbunöes scheint öem hal'ba-mtlichen
Blatt nicht m-e-hr am Platz. Es gebe nur noch
die Z u st ä n-d ig k-e i t der italienischen
Regierung, öie „ihre zuvor b-estehenöen
ancrkannren Recht-e mit öer B-esetzung Avessi-
niens erweit-ert h-at". Nach ö-em B-er'sch-winden
Abessiniens als politischem Faktor bleibe ihm
nur noch s-eine territoriale Etnh'eit, die sich mit
öer Einheit öes von Mussolini verkünöe-ten
italienischen Abessiniens d-ecke.
Fm zweiten Tetl s-einer Ausführungen
Friedrichshasen, 6. Mai.
Das Lustschiff „Hindeuburg" ist am
Mittwoch nm 21.80 Uhr z« seiner ersten Nord-
amerikafahrt gestartet.
Seit den Abendstunden lie-gt das Luftschisf
„Hindenburg" startbereit in s-einer Halle. Ei-ne
nach Tausenden zählende Zuschauevmen-ge
sammelt sich um den Flngplatz. Um 19 Uhr
öffnet sich das westliche Hallentor. Eine Vier-
telstunde spät-er s-etzen die Motoren zu kurzem
Probelauf ein. Frachtgüter, öie von Sond-er-
flngzeugen der L'Nfthansa noch eing-etroffen
stnd, werden an Borö genommen. Es sind ins-
gesamt 1S99 kg Rheinwein, bayrisches
Bier und Filme. An Po-st befördert Luft-
schiff „Hindenbuvg" Wer 299 900 Vrief«,
die mehr als eine Tonne wiegen.
An öer Ueberfahrt nach Lakehurst nehmen
61 Fahrgäste teil. Es ist internationales
Publikum: Forsch-er, Wiflenschaftler, Journa-
listen, Vergnügungsreisende, Luftsahrer i'sw.
Um 19.89 trifft das letzte Post- und Fracht-
fkugzeug ein. B-ewegtes Leben zcigt sich um
29 UHr in der Halle, als -öie Paffagiere ein-
treffen.
29 Minuten später ertönt das Kommando
„Passagiere unö Mannschaften einsteigen!"
Sandsäcke werden abgenommen, die Veran'ke-
rung gelöst, öie Stahltroffen an öen Lauf-
der Welt Gelegenheit zu geben, bort ihr«
Geschäfte zu machen. Hierauf würöe stch Jta-
lien bestimmt nicht einlassen. Das abessinische
Problem sei durch die Tatsachen gelöst.
Ver römische LrieLen
Unter der U-eberschrist „Bom Krieg zum
Frieden" macht das habbamtliche „Giornale
d' Jtalia" am Mittwoch in seinem Leit-aufs-atz
einige Angabe-n Wer den von Muffolini ver-
kündet-en „römi'schen Frieden", der — wie das
Blatt hervorhebt — einen totalitären italient-
schen Besitz Ab-essiniens bedeutet. Die weiteren
mi'litLrsschen Bewegungen w-erd-en — so er-
klärt das B-latt — nur noch d-en Eharakter
großer Polizer- und Säuberungs-
aktionen haben. Harrar und Dschtschtga unö
andere leb-enswichti-ge Zentren werden rasch
besetzt werd-en können. Die totalitär« Besttz-
crgrei'fung wevde rasch u,nd klar und tn «nd-
gülti-gen Formen erfol-gen, auAgeh-end von der
Datsachenlage in Mbeffinien und unter Berück-
stchti-guug der gewichtigen Eiustimmigkett, mit
der öie Eiugeborenen flch sür öie italieuische
Trikolore ausgesprochen hätteu.
„gektolilene veute"
weudet stch öas ha'kbamtliche Blatt besonders
gegen -die Versuche, noch einmal die Rechte
unö Form-eln des V-ölkerbundes geltend M
machen, sowie gegen Vorbe'halte und Rechts-
ansprüche, öie in letzt-er Stund-e von dieseim
oder jenem Staat bereits vorg-ebracht wurden.
Dte bisher in der abeffintschen Frage vom
Bölkerbunö begangenen Fehler, so meint das
Blatt, seien gerad-e g-enng. Der VMkerbund
wevde doch j-etzt nicht auch noch -den Frieden
verhindern wollen. Bon -den nati-onalen
unb territorialen Ansprüchen sei tm Pariser
„Oeuvre" bereits eine Probeltste von will-
kürlichen Foröerungen v-eröffentlicht worden.
Spöttisch meint dazn ö-as römische B'l-att, die
Staaten, öte bish-er öas Koll'ektiomterefle der
Welt-Kerechtigkeit vorg-escho'ben hätt-en, könnten
doch jetzt nicht etwa einen Tetl ö-essen bean-
spruch-en, was in ihren Augen die „von
Jtalien gestohl-ene Veute" wuAmache.
katzen gelockert. Dann wird das Luftschiff aus-
gewogen. Um 29.88 Uhr gibt Kapitän Preuß
das Kommando: „Fallreep hoch, Zuschauer die
Halle räumen!" Nach Abgabe von Wafferbal-
last verläßt das Luftschiff „Hindenburg" um
21.13 Uhr mit Heck voraus durch das west-
liche Tor seine heimatliche Halle.
Nach'd-em stch das Lustschisf ebwa 209 Meter
vor 'd-er Halle befindet, wird es aus seiner Ver-
awkerung gelöst, in d-ie Windrichtung gsdreht,
unid nach zweimalig-er Wasserballastabgabe hebt
stch d-as Luftlschiff „Hindenburg" um 21.39 Uhr
unter den Klängen des Deutschlandlieb-es, das
d-ie Meng-e angestimmt hat, zum nächtlichen Him-
mel empor. Die Motoren se-tzen ein, d-as Lnft-
schiff nimmt nordöstltchen Kurs.
Lisklmkrllöliung Ler Snnh vnn frandreich
Paris, 8. Mai.
Die Bauk vou Fraukreich hat, wie allge-
mei« erwartet» am Mittwochmittag die Erhö-
hwug des Diskoutsatzes von S v. H. auf 6
v. H. beschloffen.
Der Zinssatz für Vorschüsse auf Goldkäufe
ist von 7 v. H. auf 9 v. H. heraufgesetzt wor-
öen, d-er Zinssatz für Vorschüsse auf 39 Tage
für Staatspapiere bis zu zweijähriger Laus-
zeit von 5 v. H. auf 6 v. H.
„ljindenburg" nach Nordameriba geslartet
51 flltirgäste, 1500 kg fracht und 200 ooo vriefe an NorL
Und nun die Mplornaten...!
8.-K. — Jn der Nacht vom 8. zum 4. Mai
verlietz ein Sonderzug öie abeflinische Me-
trvstole Aödis Abeba in Richtung Dschi-
buti, der Hafenstadt Französtsch-SomalilandS.
Er führte die Familie öxs Negus unö seinen
engeren Hofstaat aus der bedrohlichen Nähe
der anrückenöen italienischen Truppen an stche-
ren Bord des „zufällig" in Dschibuti an-
kernden englischen Kreuzers „E n t e r p r i s e".
Während öer Negus, öer auf Anraten öeS
britischen Gesandten Sir Sidney Barton
weder abgedankt, noch auf seinen Herrschasts-
anspruch verzichtet hat, öurch das Rote Meer
und öen Suez-Kanal nach Palästina fuhr, zo--
gen öie italienischen Truppen mit Marschall
Badoglio an öer Spitze in Addis Abeba
ein. Damit hat der erste Akt der abessini-
schen Tragikomödie sein Enöe gefunöen. Am
2. Oktober 1988 Werschritten öie ersten
italienischen Korps die abessini'sche Nordgrenze:
am 4-/8. Mai 1936 fiel die HauptstadtHaile
Selaffies, vorher durch Plünderungen und
Branöstiftnngen zerstört. Der lctzte unabhän-
gige afrikanische Staat hat zu besteheu
aufgehört. Nach 7 Monaten Kolonialkrieg
verkündete Mussolini, datz Abessinien nun-
mehr e!n Teil des römischen Staates gewor«
den sei.
Der Juvel und öie Begeisterung des ita-
lienischen Volkes sinö angesichts der Tatsache,
daß Ab essin i en etwa der Vodenfläche
Deutschlands und Frankreichs zusammen-
genommen gleichkommt, verständlich. Gleich-
gültig, wie groß die Vodenschätze dieses ge-
waltigen Gebietes sein werden, gleichgül-
t i g wieviel Ouadratkilometer sich für die Be-
stedlung durch Europäer als geeignet erwei-
sen: Sicher ist, daß durch die Annexion Mes-
stniens Jtalien zu einer kolonialen Großmacht
wurde, wobei wir eventuelle territoriale Zu-
geständniffe an England im Tanasee-Gebiet
und längs der Grenze von Englisch-Somali-
land sowie ähnliche, wahrscheinlich schon längst
zu Papier gebrachte Vereinbarungen hinsicht-
lich Französisch-Somalilands schon
eingerechnet haben.
*
Für uns stnd die Abmachungen, die nun
auf diplomatischem Wege zwischen öen an
Abestinien interessierten Mächten getroffen
werden, zunächst wenig beöeutsam, soweit ste
stch auf die Regelung jener Ansprüche
beziehen, nach öeren Vefrieöung Jtalien keine
kolonialen Foröerungen mehr stellen will.
Wir geben nur der Erwartung Ausdruck,
datz man öes Reiches Foröerung nach ko-
lonialer Gleichberechtigung das ent-
sprechenöe Verstänönis angedeihen und bie
notwendigen Taten folgen lassen wird.
Der Konflikt zwischen Genf und Rom, der
ja eigentlich ein Gegensatz London—Rom ist,
wird unzweifelhaft auf dem Wege diplomatt-
scher Verhandlungen wenigstens vorläufig
aus der Welt geschafft weröen. London hat
in kolonialen Fragen — siehe Faschoda —
einen sehr langen Atem. Wenn bisher noch
keine Neuauflage Faschodas erfolgte, so wahr-
scheinlich deshalb, weil einerseits die mi-
litärischen Voraussetzungen dazn noch nicht
vorhanden sinö, weil andererseits die
europäische Lage, von England aus gesehen,
öringend einer Klärung bedars.
*
Und damit kommen wir zur Frage 8er
Neuorönung Europas. Das Frie-
densangebot Aöolf Hitlers ist bis-
her immer noch unbeantwortet geblieben. Be-
sonders das französische Außenamt zeigt
ein keineswegs unegoisti-sches Jnteresse, die
B l amage desVölkerbunöesim Falle
Abessinien zu vertuschen, um danach die Ver-
sailler Einrichtung umso schärfer gegen Deutsch-
land ausspielen zu können. Da schreibt die
Pariser Zeitung „Temps" u. a.: „Europa
mntz man sich zuwenöen, jencm Europa, das
der italienisch-abeffinische Krieg so tief erschüt-
tert und dessen Schwäche Deutschlanö in fo ge-,
fährlicher Weise ermutigt hat!" — Als autzer-
hälb des Völkerbnndes stehenöe Macht, als
im italienisch-abeffinischen Konflikt strcng neu-
traler Staat, müssen wir uns schärsstens
gegen jeden Versuch wehren, den Bruch un-
zulänglicher Völkerbunössatzu n-
gen im Falle Abessinien gegen das Reich
auszuwerten, öas nichts anöeres tat, als die
kjeiLelberger
drrlag und HerauSgeber: Merlag Vollsgemeinschaft G. m. b. H., Heidelberg, Hauptsir. 126/123
E-mmelnummer S2SS. kchristleitung: Lutherftr. SS. Fernruf S740. Dte .VollSgemeinschaft'
krfchetnt 7 mal wSchentlich und lostet monatlich 1,70 RM.; bei Träggrzustellung zuzügl. M Ps.,
Veobachter
vet Postzustellung zu-ügl. 42 Pf. Jst die Zeitung am Erscheinett (auch durch hvher« «ewaly
verhindert, besteht kein Anspruch auf Entschädigung. Abbestellungen müssen bis spätestenS 28ch.M.
für den folgendenMonat direkt beim Verlag eingereicht werden. AuSschl.Gerichtsstand: Heidelderg
Lvnnerstag, Len ?. Mai W8
ümt!icLk8 Ver!rijnl!i8llng8blsll liir 8lssl8- nnl! 6enieinl!e-8e!iösl!en
ftewertnuk ill jlfg., 8. Mrg. / Nr. 128
kom will den Lrieden bestimmen
Vottm Louverneur von Kddis Kbeba — Verzicht ouf pariser Vermittlung
Scharfe klngrifse gegen kden und Valdwin
Rom, 8. Mai.
Marschall Badoglio hat de« Gouver«e«r
l>o» Rom, Bottai, der den abessinische« Felb-
als Freimilligex mitgemacht hat u«d
Dienstag an der Spitze des italienischen Hee-
j« Addis Abeba einzog, zum Zivilgouver-
?e«r vo» Addis Abeba eruannt. Mit dieser
Matznahme mird die vermaltungsmäbige Neu-
ordnung dcs abesstnische» Kaiserreiches eiu-
keleitet.
Marschall Vadoglio hat am Dienstagaben>d
von AÄbis Abeba aus folgenden Aufruf an
"ie abesstnische Bevölkernng gerichtet:
„Abesfinier!
Heute sind die Truppen 'dcs mächtigen Kö-
nigs von Jtalien in Aödis Abeba eingezo-
Sen. Jn Stadt und Dorf nimmt öas Leben
wieöer seinen gewohnten Gang. Nichts wivd
Segen diejenigen unternomm-en weröen, öie
E>ie Waffen nioderlegen und die Arbeit wie-
deranfnehmen. Jm Schatten der siegreichen
italienischen Trikolore weröen öie Bölkerschaf-
ien Abessiniens Frieden, Gerechtigkeit und
Gedeihen finden."
Dieser' Anfrnf -des Marschalls ist vom
Ghibi aus in italienischer und amharischer
Sprache unter öie Bevölkerung vertetlt wor-
den.
Siegesjubel ln Äalien
Der Jnbel, der ganz Jtalien Wer öie Be-
setzung Addis Abebas und öie stegreiche Be-
endigung des Krieges erfüllt, finö-et in öer
römifchen Presse seinen Widerhall in begei'st-er-
ten SchilL-ernngen Wer den Einzng der italie-
nischen Trnppen in Addis Mb-eba und üb-er die
Kestes'fr-end-e ö-es ganz'en italienischen Volk-es.
L-evhafte Beachtn-ng wird d-em Aus'landsecho
gesch-enkt, wobei der sympathische Ton öer
deutsch-en Presse beson'd-ers hervorgehoben
wirö. Lo-ndon-er und Pariser Berichterstatter
d-er hi-esi'gen Blätter kommentieren d-en Ein-
öruck in d-en „Hochburgen des SanktioniAmns"
mit unverh-üllter Schadenfrende.
VernMung LankenL abgeleiint
Das Mittagsblatt des halbamtlichen „G i or -
kale d'Jtalia" geht sogar soweit, als Rück-
wirkung öes italtenischen Sieges neben dem
Enöe der Sanktionen auch die Ausschal-
tung Eöens unö Baldwins aus dem
englischen Kabinett voranszusagen. Eöen be-
finöe sich in öer unangenehmen Lage, daß für
öie Gemäßtgten seines Landes öie Niederlage
des Negus gleichbeöeutend mit seiner eigenen
Niederlage empfunden rverde, währenö die
Sanktionsföröerer ihm heute vorwürfen, öatz
er nicht öen Sieg Jtaliens zu verhindern ver-
mochte.
Nach Ansicht des „Popolo di Roma"
liegt es heute bei England, das so viel Ver-
antwortung für die in Europa entstandenen
Gpannnngen trage, wenn auch nicht freund-
sihaftliche, so doch normale Beziehungen zu
Ktalien wiederherzustellen unö das anzuer-
kennen, was es bis heute niemals habe zu-
geben wollen, nämlich öaß Jtalien ein un-
erläßlicher Faktor für die Aufrechterhaltung
öes europäischen Frieöens sei. Jn Londoner
polittschen Kreisen glaube man, wie öas Blatt
weiter behauptet, öaß derliZnsammenbruch
Abessiniens auch den Zusammenbruch
des Völkerbunds bedeuten werde. Vor
allem sei man überzeugt, öaß nach dem Schei-
tern des Sanktionsexperiments niemals mehr
Sanktionen vom Völkerbunö angewcndet wer-
den würden.
Die Pariser Bemühungen, sich für eine
Vermittlung einzusetzen und mit Halbheiten
und Kompromissen öen abessinisch-italienischen
Streitfall nun -ruch öiplomatisch balöigst unter
Dach und Fach zu bringen, stoßen in der ita-
lienischen Presse auf sehr wenig Gegenliebe.
Das Kopfzerbrechen der französischen Presse,
ob Jtalien ein Protektorat Wer Abeflinien
zugestanöen werden könne oder ob es sich das
eroberte Gebiet ohne Rücksicht anf die euro-
päi'schen Großmächte aneignet, hält man hier
für sehr unangebracht. Der Pariser Bericht-
erstatter der „Stampa" unö öes „Popolo di
Roma" ist daher sofort ats Erwiöerung auf
öie Ausftthrungen von „Temps" und „Oeuvre"
mit einer scharfen polemischen Erwiderung bei
der Hand.
Die Forderung des „Oeuvre", datz Jtalien
keine vorteilhaftere Regelung für Abessinien
zugestanden werden öürfe als Frankreich im
Falle Marokkos, beantwortet das Vlatt mit
dem Hinweis, öaß Frankreich Marokko auf
dtplomatischem Weg erhalten habe, wäh-
renö Jtalien diplomatrsch jede Konzession, die
auch nur entfernt einem Protektorat gleichen
konnte, verweigert worden sei. Nach Ansicht
des „Oeuvre" scheine Jtalien nunmehr, wie
der Berichterstatter ironisch hinzufügt, kaum
daß es Abessinien erobert habe, aus die Aus-
nutzung des Sieges verzichten und sich
lediglich darauf beschränken zu sollen, die Ord-
nung im Land wieöerherzustellen, um dann
den Kapitalisten und Abenteurern
Nalien delsält Lie
Der Negus und serne Generäle
HStten, so fährt di« Zeitun-g fort, durch ihre
Flucht Hre Befugnifle und Rechte verloren.
Diese Ausfassung werde auch durch di« von
Frankreich und England gewüHrt'e Freiheit
öes Durchzuges bestätig-t, da sonst beid« Re-
gierungen sich eine schwere B-erletzun-g ihrer
Neutralität hätten zuschulö-en kommen laffen.
Jrg-endein-e J-ntervention des Auslandes o'der
d-es Völ'kerbunöes scheint öem hal'ba-mtlichen
Blatt nicht m-e-hr am Platz. Es gebe nur noch
die Z u st ä n-d ig k-e i t der italienischen
Regierung, öie „ihre zuvor b-estehenöen
ancrkannren Recht-e mit öer B-esetzung Avessi-
niens erweit-ert h-at". Nach ö-em B-er'sch-winden
Abessiniens als politischem Faktor bleibe ihm
nur noch s-eine territoriale Etnh'eit, die sich mit
öer Einheit öes von Mussolini verkünöe-ten
italienischen Abessiniens d-ecke.
Fm zweiten Tetl s-einer Ausführungen
Friedrichshasen, 6. Mai.
Das Lustschiff „Hindeuburg" ist am
Mittwoch nm 21.80 Uhr z« seiner ersten Nord-
amerikafahrt gestartet.
Seit den Abendstunden lie-gt das Luftschisf
„Hindenburg" startbereit in s-einer Halle. Ei-ne
nach Tausenden zählende Zuschauevmen-ge
sammelt sich um den Flngplatz. Um 19 Uhr
öffnet sich das westliche Hallentor. Eine Vier-
telstunde spät-er s-etzen die Motoren zu kurzem
Probelauf ein. Frachtgüter, öie von Sond-er-
flngzeugen der L'Nfthansa noch eing-etroffen
stnd, werden an Borö genommen. Es sind ins-
gesamt 1S99 kg Rheinwein, bayrisches
Bier und Filme. An Po-st befördert Luft-
schiff „Hindenbuvg" Wer 299 900 Vrief«,
die mehr als eine Tonne wiegen.
An öer Ueberfahrt nach Lakehurst nehmen
61 Fahrgäste teil. Es ist internationales
Publikum: Forsch-er, Wiflenschaftler, Journa-
listen, Vergnügungsreisende, Luftsahrer i'sw.
Um 19.89 trifft das letzte Post- und Fracht-
fkugzeug ein. B-ewegtes Leben zcigt sich um
29 UHr in der Halle, als -öie Paffagiere ein-
treffen.
29 Minuten später ertönt das Kommando
„Passagiere unö Mannschaften einsteigen!"
Sandsäcke werden abgenommen, die Veran'ke-
rung gelöst, öie Stahltroffen an öen Lauf-
der Welt Gelegenheit zu geben, bort ihr«
Geschäfte zu machen. Hierauf würöe stch Jta-
lien bestimmt nicht einlassen. Das abessinische
Problem sei durch die Tatsachen gelöst.
Ver römische LrieLen
Unter der U-eberschrist „Bom Krieg zum
Frieden" macht das habbamtliche „Giornale
d' Jtalia" am Mittwoch in seinem Leit-aufs-atz
einige Angabe-n Wer den von Muffolini ver-
kündet-en „römi'schen Frieden", der — wie das
Blatt hervorhebt — einen totalitären italient-
schen Besitz Ab-essiniens bedeutet. Die weiteren
mi'litLrsschen Bewegungen w-erd-en — so er-
klärt das B-latt — nur noch d-en Eharakter
großer Polizer- und Säuberungs-
aktionen haben. Harrar und Dschtschtga unö
andere leb-enswichti-ge Zentren werden rasch
besetzt werd-en können. Die totalitär« Besttz-
crgrei'fung wevde rasch u,nd klar und tn «nd-
gülti-gen Formen erfol-gen, auAgeh-end von der
Datsachenlage in Mbeffinien und unter Berück-
stchti-guug der gewichtigen Eiustimmigkett, mit
der öie Eiugeborenen flch sür öie italieuische
Trikolore ausgesprochen hätteu.
„gektolilene veute"
weudet stch öas ha'kbamtliche Blatt besonders
gegen -die Versuche, noch einmal die Rechte
unö Form-eln des V-ölkerbundes geltend M
machen, sowie gegen Vorbe'halte und Rechts-
ansprüche, öie in letzt-er Stund-e von dieseim
oder jenem Staat bereits vorg-ebracht wurden.
Dte bisher in der abeffintschen Frage vom
Bölkerbunö begangenen Fehler, so meint das
Blatt, seien gerad-e g-enng. Der VMkerbund
wevde doch j-etzt nicht auch noch -den Frieden
verhindern wollen. Bon -den nati-onalen
unb territorialen Ansprüchen sei tm Pariser
„Oeuvre" bereits eine Probeltste von will-
kürlichen Foröerungen v-eröffentlicht worden.
Spöttisch meint dazn ö-as römische B'l-att, die
Staaten, öte bish-er öas Koll'ektiomterefle der
Welt-Kerechtigkeit vorg-escho'ben hätt-en, könnten
doch jetzt nicht etwa einen Tetl ö-essen bean-
spruch-en, was in ihren Augen die „von
Jtalien gestohl-ene Veute" wuAmache.
katzen gelockert. Dann wird das Luftschiff aus-
gewogen. Um 29.88 Uhr gibt Kapitän Preuß
das Kommando: „Fallreep hoch, Zuschauer die
Halle räumen!" Nach Abgabe von Wafferbal-
last verläßt das Luftschiff „Hindenburg" um
21.13 Uhr mit Heck voraus durch das west-
liche Tor seine heimatliche Halle.
Nach'd-em stch das Lustschisf ebwa 209 Meter
vor 'd-er Halle befindet, wird es aus seiner Ver-
awkerung gelöst, in d-ie Windrichtung gsdreht,
unid nach zweimalig-er Wasserballastabgabe hebt
stch d-as Luftlschiff „Hindenburg" um 21.39 Uhr
unter den Klängen des Deutschlandlieb-es, das
d-ie Meng-e angestimmt hat, zum nächtlichen Him-
mel empor. Die Motoren se-tzen ein, d-as Lnft-
schiff nimmt nordöstltchen Kurs.
Lisklmkrllöliung Ler Snnh vnn frandreich
Paris, 8. Mai.
Die Bauk vou Fraukreich hat, wie allge-
mei« erwartet» am Mittwochmittag die Erhö-
hwug des Diskoutsatzes von S v. H. auf 6
v. H. beschloffen.
Der Zinssatz für Vorschüsse auf Goldkäufe
ist von 7 v. H. auf 9 v. H. heraufgesetzt wor-
öen, d-er Zinssatz für Vorschüsse auf 39 Tage
für Staatspapiere bis zu zweijähriger Laus-
zeit von 5 v. H. auf 6 v. H.
„ljindenburg" nach Nordameriba geslartet
51 flltirgäste, 1500 kg fracht und 200 ooo vriefe an NorL
Und nun die Mplornaten...!
8.-K. — Jn der Nacht vom 8. zum 4. Mai
verlietz ein Sonderzug öie abeflinische Me-
trvstole Aödis Abeba in Richtung Dschi-
buti, der Hafenstadt Französtsch-SomalilandS.
Er führte die Familie öxs Negus unö seinen
engeren Hofstaat aus der bedrohlichen Nähe
der anrückenöen italienischen Truppen an stche-
ren Bord des „zufällig" in Dschibuti an-
kernden englischen Kreuzers „E n t e r p r i s e".
Während öer Negus, öer auf Anraten öeS
britischen Gesandten Sir Sidney Barton
weder abgedankt, noch auf seinen Herrschasts-
anspruch verzichtet hat, öurch das Rote Meer
und öen Suez-Kanal nach Palästina fuhr, zo--
gen öie italienischen Truppen mit Marschall
Badoglio an öer Spitze in Addis Abeba
ein. Damit hat der erste Akt der abessini-
schen Tragikomödie sein Enöe gefunöen. Am
2. Oktober 1988 Werschritten öie ersten
italienischen Korps die abessini'sche Nordgrenze:
am 4-/8. Mai 1936 fiel die HauptstadtHaile
Selaffies, vorher durch Plünderungen und
Branöstiftnngen zerstört. Der lctzte unabhän-
gige afrikanische Staat hat zu besteheu
aufgehört. Nach 7 Monaten Kolonialkrieg
verkündete Mussolini, datz Abessinien nun-
mehr e!n Teil des römischen Staates gewor«
den sei.
Der Juvel und öie Begeisterung des ita-
lienischen Volkes sinö angesichts der Tatsache,
daß Ab essin i en etwa der Vodenfläche
Deutschlands und Frankreichs zusammen-
genommen gleichkommt, verständlich. Gleich-
gültig, wie groß die Vodenschätze dieses ge-
waltigen Gebietes sein werden, gleichgül-
t i g wieviel Ouadratkilometer sich für die Be-
stedlung durch Europäer als geeignet erwei-
sen: Sicher ist, daß durch die Annexion Mes-
stniens Jtalien zu einer kolonialen Großmacht
wurde, wobei wir eventuelle territoriale Zu-
geständniffe an England im Tanasee-Gebiet
und längs der Grenze von Englisch-Somali-
land sowie ähnliche, wahrscheinlich schon längst
zu Papier gebrachte Vereinbarungen hinsicht-
lich Französisch-Somalilands schon
eingerechnet haben.
*
Für uns stnd die Abmachungen, die nun
auf diplomatischem Wege zwischen öen an
Abestinien interessierten Mächten getroffen
werden, zunächst wenig beöeutsam, soweit ste
stch auf die Regelung jener Ansprüche
beziehen, nach öeren Vefrieöung Jtalien keine
kolonialen Foröerungen mehr stellen will.
Wir geben nur der Erwartung Ausdruck,
datz man öes Reiches Foröerung nach ko-
lonialer Gleichberechtigung das ent-
sprechenöe Verstänönis angedeihen und bie
notwendigen Taten folgen lassen wird.
Der Konflikt zwischen Genf und Rom, der
ja eigentlich ein Gegensatz London—Rom ist,
wird unzweifelhaft auf dem Wege diplomatt-
scher Verhandlungen wenigstens vorläufig
aus der Welt geschafft weröen. London hat
in kolonialen Fragen — siehe Faschoda —
einen sehr langen Atem. Wenn bisher noch
keine Neuauflage Faschodas erfolgte, so wahr-
scheinlich deshalb, weil einerseits die mi-
litärischen Voraussetzungen dazn noch nicht
vorhanden sinö, weil andererseits die
europäische Lage, von England aus gesehen,
öringend einer Klärung bedars.
*
Und damit kommen wir zur Frage 8er
Neuorönung Europas. Das Frie-
densangebot Aöolf Hitlers ist bis-
her immer noch unbeantwortet geblieben. Be-
sonders das französische Außenamt zeigt
ein keineswegs unegoisti-sches Jnteresse, die
B l amage desVölkerbunöesim Falle
Abessinien zu vertuschen, um danach die Ver-
sailler Einrichtung umso schärfer gegen Deutsch-
land ausspielen zu können. Da schreibt die
Pariser Zeitung „Temps" u. a.: „Europa
mntz man sich zuwenöen, jencm Europa, das
der italienisch-abeffinische Krieg so tief erschüt-
tert und dessen Schwäche Deutschlanö in fo ge-,
fährlicher Weise ermutigt hat!" — Als autzer-
hälb des Völkerbnndes stehenöe Macht, als
im italienisch-abeffinischen Konflikt strcng neu-
traler Staat, müssen wir uns schärsstens
gegen jeden Versuch wehren, den Bruch un-
zulänglicher Völkerbunössatzu n-
gen im Falle Abessinien gegen das Reich
auszuwerten, öas nichts anöeres tat, als die