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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Januar bis Juni)

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8sit6 13

UnterkaltunS

„viiktsgemeinschllst"'
Souatlig, den 1. März 19ZI


Ünser „Oeutsches Monsalvat^

Don Zohannes Heinrich Braach





Wir Deutlsche gtaMt>en J-khrhnnlöerte hin-
burch, -aß ->as VorLitö von Monsalvat, jener
bei Wolfram von Eschenbach geschiMerten
Gralsburg, >in Spanten ober Fran-kretch zu
ftnöen sei. Uns-er größter mitt-elal-tevlicher Dich-
ter schu-f s-e-in Werk na-ch frawzö-sis-chen Vor-
lag-em Mußte infol-g-ööess-en uicht öi-e B-urg ües
Amsortas in West-euro-pa lieg-eu'? — Heute
wiss-en wir, daß ö-as Monsalvat, ö-as Wo-l-fram
von Eschenbach boi d-er Ni-e-ö-ers-chrif-t s-eincr
Dichtun-g vovge-schw-ebt hat unö zur glück-lichen
Fata morg-an-a vi-el-er M-ens-chen wurde, mitten
in unf-eren Ga-u-en li-eg-t.
Keine anö-ere Feste kann näm-li-ch b-e-m
Minnefä-nger als Vorbil-ö für seine Grals-
burg g-e-öient H-ab-en, als öie, deven Ruine -he-ure
nnter -öem Namen Wil-denberg oö-er Wil -
benburg sMons fil-vativus — Mon-sa-lva-t —
m-ont s-a-uv-age — Muns-al-vaesche — Wil-den-
bevg) be-kannt ist. Si-e befin-öet sich ungefähr
sechs Kilometer von Amorbach entfern-t i-m
növölichen bayerifchen Oöenwalö.
Schriftsteller uyö Dicht-er stnd Mens-Hen, öie
stch mit ihrer Fantasi-e in alles einfü-h-len kön-
nen. Dennoch ist fast je-ö-er D-icht-er Sis zu
einem gewissen Graöe an sein-e Erlebuisse uu-ö
Beobachtun-g-en, au Herkommen unö Gepflo-
geuheiten, vor allen Dingen aber an sei-ne
Hei mat ge-bunöen.
Hei-mat jeöo-ch war für Wolfram v. Eschen-
bach — w-enn man bet ein-sm Minwesäng-er,
öer zu Fuß unö zu Pferö fast g-anz Deutf-ch-
lanö bereist h-a-t unö von Hof zu Hof zo-g, von
Heimat reöen öarf, jene Ge-genö, öie sich un-
wett vo-n Amor-bach nach Osten h-inzie-h-t. Hei-
Mnt war ihm hawptsächl-ich für viel« So-m-mer
unö Winter öie Wil-denburg, das Schloß der
Eöelherren von Durne, ö-essen ge-walti-g-er Bau
wahrsHeinli-ch En-d-e ö-es 12. Fahrhund-erts auf
öem Prennschener Berg, unw-eit von dem jetzi-
gem Ort-e Bu-ch errichtet wovöen ift.
Di-e Feuer i-hrer rieflg-en, noch heute vor-
ha-nöenen K-amine ivaren es, öie Wolfram in
feine-m „Parsival" mit öenen öer Gralsburg
vergleicht, i-hre öicken Mau-ern schwe-bten ihm
vor, wen-n er von der Uneinne-hmb-ark-e-it öer
ge-he-i-ligten Stätte berichtetL, un-d thre e-infame
Lage i-nmi-tten wilö-er Wälöer m-ußte öen Sän-
ger bei ö-er Befchreiüung von Amfortas Wo-Hn-
sitz bee-infl-uss-en, Wolfram öachte nich-t a-n jenes
Monf-alvat, öas öer Prov-en^al-e Kiot oö-er öer
Franzose Christian von Troyes lChrestienj,
öte als öte «rsten Bearbe-iter öer Parfival-
Sage zu ge-lten h-aben, be-schrie-ben, seine G-e-
öanken suchten ein ö-eutsches Vorbi-lö, von öem
«r um so lte-ber v-erkünöete, al-s ih-m öaducch
Gel-egenheit ge-geben war, ein-sm seiu-er eösl-
sten unb weif-esten Schutz-Herren Da-nk abzu-
statten.
Selbstverstänöl-tch öarf nicht allei-n öte Ü-ber-
etn-sttmmung tn d-er B-eschreibu-n-g ö-er öicken
Mau-ern u-n- öer großen Kamin-e als V-ewe>s
öafür ge-ltend gemacht w-evöen, d-aß man ö-i-e
Wil'denburg in s-o eng-en Zus-ammenhang m:t
Wolframs Dtchtung bring-en kan-n. Buvgen
anf steilen Bevg-en, dick-e Mauer-n unö groß-e
Feueißätten h-a-t es vtelerorts gegeben.
Feft steht aber, öaß Wolfr-am in sein-em
„Parsival" «tne Wilöenburg erwähn-te, unö
zwar tn öer Weis-e, ö-aß er -öi« Feuer öer
Gralsb-urg mit öenen ,chi-e zc Wil-ben-be rc"
vergleicht. Dr. Albert Schreiber, öer frü-

h-ere Di-rektor öer fürstlich L-einingische-n Ber-
waltun-g <öte Wilöenburg-Ru-ine gehört zum
Befitz öer Fürsten von Leini-n-gen>, der vor
einiger Zeit etn Bu-ch, betitelt „Neue Va-u-
stein-e zu einer L-ebe-nsgefchtchte Wo-lfram von
Eschenb-achs" herausbrachte, hat dtefe Aeuße-
rung mit R-c-cht s-ehr wi-chttg geno-mmen u-nö
sich große Mü-He g-e-g-eben, öie Oertlichkei-t ö-er
genannt-en Wtlöewbuvg zu bestimmen. Drs
war k-eine Kleinigke-it, g-ibt es öo-ch allei-n in
Deu-tschland eine g-anze Anzahl von Burgen
und Mauerresten, die jene Bezeichnung f-üh-
ren. Lieg-en die einen aber außevhalb öer Ge-
bi-ete, öie Wolfra-m je betretc-n h-at, sv sind

Altes Kapitäl

auder« wi-e-der ni-cht we-hrhaft un-d mächtig ge-
nug, u-m sie mi-t ö-e-m von öe-m Dicht-er über-
l-ieferten Bil-ö iu Einklang zu bring-en. Wie-
d-er an-dere w-urden erst i-n s-päterer Zei-t er-
baut. Bei all-em Suchen bl-ieb allein di-e Wil-
denburg bei Amorbach übrtg, be-i öeren B-e-
trachten und b-ei d-eren Stu-öium sich viel-e Nät«
sel wi-e von selber lösen. Allevöing-s mit öem
Er-gebnis, daß weitere Fvag-e-n aus ö-em Eh-ans
ö-er Quaöern, Erker unö Jnschriften auftau-
Hen.
Welchen Sinn h-at es beif-pi-e'lswetse m-it öen
iu Stein geh-aueu-en Worte-n
öte jed-em au-ffallen müssen, der nach eini-ge-m
K-lettern d-i-e Stätte des fr-ü-H-ere« Pallas be-
treten hat? Wir wissen es nicht. Noch nicht.
Aber wir wiss-en etmas an-öeres, un-d öas ist,
daß eine ö-er schönsten unö feierlichsteu Stel-
len in Wolframs Parsival, öte Frage öes jun-
gen He-ld-cn nach Gott, mit den gleichen beiöen
Worte-n eiwge-l-eitet wivd. „öwe mo-oter, waz is
got?"
Um öie Zus-ammenh'änge weiter zu veran-
scha-ulichen, sei einiges über ö-eu Evbauer öer
Burg, öen Edelh-errn Rupert von Durne,
gefagt. Ru-pert von Durne war, nach alle-m,
was ö-i-e Gefchichtsfchr-eiber über i-hn zusam-
mentrugen, mit se-ltenen Fähi-gk-e-iten beg-abt.
Als R-eichsöienstmanne der Staufen-
kaif-er Frie-dvich I. u-nd Heinrich VI. war er
außeröem vie-l herumg-ekommen, befand sich
auch unter öen w-enigeu AuAerlef-enen, öie
Frie-drich II. zur Kröunng in das Avelat
sVurgundi begl-eiteten, Es steh-t feft, daß Ru-
pert von Durne öen Gönn-er d-es einen fran-
zösischen Parsival-Bearbeiters, Chresti-ens von
Troyes, ben Grafeu Philipp vo-n Fla-nöern
gu-t kan-nte nNd mi-t i-hm im J-ahve 11W in der
Gef-olgschaft König Heinrich IV. nach Jtalien

zog. J-st vi-elleicht damals öer Wunsch im ihm
erwacht, öie Parsival-Sage ins De-utf-che über-
trag-en zu wissen? Albert Dchreiber nim-mt je-
denfalls mit Sicherh-eit an, öaß kein andever
a-ls Rupert von Durn-e öen Minne-sänger
Wolfra-m — ein-ig-e J-ahre später — mit dem
Sag-enstoff v-ertvaut gemacht h-at. Wolfram
scl-bst ist ni-e in Frankveich gewesen, sei-ne
Kenntniss-e von ö-er französtsche-n Sprache wa-
ren nicht groß. Außevdem dürfen wir ein«
feststehe-nöe Tatsache nicht außer Acht laffe«:
Wolfvam soll — alleu Uebevl-ie-ferungen n-ach
und so nnglaNblich es uns auch vorkomme«
mag — sowo-hl des Lesens alS auch

des Schreibens unkunöig gewesen
sein. Se-ine Parfival-Dichtung s-etzt jeöoch ein
so grünöl-iche-s Wissen über ö-i-e fvanzöstfchen
Bearbeitungen voraus, daß er ein-en Mens-Hcu
gekannt hab-en muß, dom d-er St-of-f voll un-d
ganz vertraut gewefen ist. Eine« Menfchen,
öer fo mel Anfehen wnö Vertvanen gen-oß,
ö-aß man i-hm möglicherwe-ife «ine öer wert-
vollen Abschriften von Chrestiens „l-i vontes
öu gra-al" leihweise überlassen h-atte. Weiter
ei-nen Men-schen, mi-t öem er längere Zcrt zu-
sammengelebt h-aben muß, läßt sich öoch efn
Werk wie öas des Franzosen mit s-einen mehr
als zehntausend Strophen we-öer -in ein-ig-en
Wochen evzählen, noch bis ins Kleiufte im
G-eöächtnis beh-alten. Daß sich Wolfram aus

Der Eingang znr Wildenbnrg
ei-geneu Mitteln einen Schveib-er o-der Ueber-
setzer ha-lten ko-nn-te, ist so gut w-ie aus-geschl-os-
sen, betont er öo-ch des öf-teven, d-atz ihm ir-
öische Güter nichj g-e-geben waren.
Ein Umstand, der Wolframs Aufenthalt
auf öer Willö-enbuvg noch begr-ünö-et, ist öie
Nwchbars-chaft ö-er Grafen von Wertheim
mtt öerjenig-e« ö-er Herven von Durne. Eschen-
bach — Wolframs Geburtstätde — war im Be-
sitz ö-er Herve« von Wertheim, folg-lich war öer
Dichter ihr „Di-enstm-ann u-nö Schütz-ling^. Die
beiöen Ge-schlechter: Wertü-e-im un-ö Duvn-e wa-
ren aber n-i-cht nur miteinanöe-r be-kan-nt und
befreundet, sondern a-uch durch v-evw'andtschaft-
liche B-anöe vevknüpft .
Um noch ein-mal auf die Tats-ache zurück
zu komm-e-n, d-aß sich Wolfram i:n feinem
„Parsival" nur an öas Bild je-ner G-egend ge-
halten hab-en kann, möchte ich — nach S-chrei-
ber — noch das Fol-genö-e erwähnen: Auch für
öie Klaus-e der Sigune, von der d-ie Evzäh-
lung L-erichtet, d-aß dort Si-gune mit ihrem
Gattc« Tschiona-tul-ander in e-iner kle-ine« Be-
ha-ufung, öie über e-iner schnellfließ-enöen
Qu-elle erbaut war, getebt h-at, fi-nden wir
eine Stätte, die je-öen Ve-rg-leich aushält. Das
ist Amvrsbrunn, eine Qnelle. öer-eu Wasser
schon in heidn-if-cher Z-eit erwähn-t wivd, ei-n
Platz, an öe-m -im achten I-ahvhun-d-ert öie er-
sten Christen im Oösnwald getau-ft w-uvöen,
ein B-orn, über öom auch j-etzt e-ine Kapell-e
errichtst i-st.
Zu all den bereits angeführtsn Gründ-en
tritt «och ein anöerer hinzu: Die Minne-sän-
ger waren ohne Aus-nahme von d-er Hu-l-d jener
Fürsten und Ritter abh-ängig, die ih-nen Ob-
dach gewährten, Kleid u-nd Nahvung speNde-
ten. War es da verwnnd-erl-ich, daß st-e ihve
Kjsd-er, uyH, ,Werke öen Gönuer« w-idmeten?
Nn-d wenn wir von Wo-lfvams später-em Werk,
ösm „Wilh-elm" wissen, w-em er es znzuetgne«
gvdachte, d-änn dürfen wir beim „P-arsival",
bet d-em sede nä-heve An-gabe über etne Wi-d-
mn-ng fehlt, m-it Sichevh-eit annehmen, d-aß er
mi-t öem Hinweis auf öie Wildenburg fetnen
Brotgeber unö weis-en Ratgeber ehvcn
wollte. Einen b-ess-eren und schöwer-en Dank
konnte ein so arme-r Dichter kaum evbringen.
Hent« w-allen Wanöerer, fahven Anto-mobi-
listen und Raöfahver, öie öie Stvaß-e von Bu-ch
nach Mud-au beuutzen, ah-nungslo-s an öer
Ruine öer Wild-enbnvg v-orbci. Sie wiffen
ni-chts von öer Bedentu-ng, die öiesem Fleck-
che-n Evöe znkommt. Hente no-ch. Morgen wtrd
öas anders s-cin. Schon ha-t sich ein Ansfchnß
be-öeutender Persön-l-ichkeiten — Politi-ker, Wis-
sens-cha-ftler nnd Künstl-er — gebildet, öer öie
Absicht hsgt, ans der jetzt vevlassenen Ruine
ein« Stätte der Andacht für öas öeutsche Volk
zu machen. E-inige d-er riesigen Tan-nen, öte
innerhälb der R-uine standen, stnd beveitS ge»
fallen, bald w-ird auch außerhalb der Manern
Ovönnng gef-chaffen se-im Was öie Baue-rn-
kriege zerstörten, kann in seinem alt-en Gl-anz
fre-ili-ch nich-t aufg-ebant wevd-en. Es wär« wbe-r
ein« Schanöe, follten d-er Steän mit öer In°
schrift „OIVü ölVlllll" oder die große Kamin-
wange oder d-as Mauerwevk m-tt den h-errl-ichen
Steinmetzzeichen verwittern, sollten dte jetzt
noch immer stolzcn uud prächtigen Refte e-ineS
„Dents-chen Monsalv-at" -dem w-eiteren Berfall
preisgsge-ben wevben?


Die Juschrist „OlVll ViVTllll"
 
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