Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0056
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Neurath, Otto: Das Sachbild
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Soziologische Grafik
Holzschnitt von Arntz
Pläne im Raum, statt Modell
Die durchsichtigen Pläne mehrerer Etagen übereinander
angeordnet. Glasmodell des Gesellschafts- und Wirt-
schaftsmuseums in Wien
beurteilen lernen. Nur ein verhältnismäßig klei-
ner Teil der üblichen pädagogischen Darstellun-
gen kann einer ernsthaften Kritik standhalten.
Die Versuche, zu vereinfachten Normen vorzu-
dringen, können sich nur auf wenig Grafiker
stützen. Die Meister der Reklame sind nicht
immer bereit, diesen Formungen ihr Augenmerk
zuzuwenden, die weniger auffallend sind und vor
allem letzten Endes nur durch Kollektivarbeit ent-
stehen können. Die Leistung eines einzelnen
läßt sich nicht deutlich abheben. Am meisten ist
noch von den Grafikern zu erwarten, die von
vornherein zu solcher Vereinfachung neigen. Die
„Soziologische Grafik" liefert Anregungen in die-
ser Richtung. Es ist übrigens bemerkenswert,
daß die bildhafte Pädagogik in allen Ländern im
argen liegt. Auch in der Sowjetunion, wo man
doch grundsätzlich am meisten bereit war, mit
Traditionen zu brechen, sind Lehrbilder aller Art,
Aufklärungsbilder, Unfallverhütungsbilder im all-
gemeinen durchaus traditionell. Einzelne rus-
sische Grafiker, die zu vereinfachten Formen
übergegangen sind, haben dort ebenso wenig
Einfluß gewonnen wie bei uns. Darüber, ob sol-
che Bilder mit vereinfachten Figuren als Kunst-
gebilde anzuerkennen sind, mag eine Einigung
unmöglich sein, darüber aber, daß für pädago-
gische Zwecke solche Vereinfachungen selbst-
verständliche Forderung sind, ist wohl rasch Eini-
gung erzielbar.
Das Gesamtgebiet des Sachbildes im weite-
sten Umfang, unter Berücksichtigung aller Arten
von Modellen, Trickfilmen usw., kann man viel-
leicht aus dem Verzeichnis der Abteilungen des
Archivs für bildhafte Pädagogik erkennen:
1. Kartografie und Weltbild. 2. Technik und Ar-
chitektur. 3. Biologie und Hygiene. 4. Psychologie
und Psychotechnik. 5. Soziologie und National-
ökonomie. 6. Physik, Chemie, Mathematik, Logik.
7. Ausstellungs- und Museumswesen. 8. Kinder-
bücher. 9. Zeichnungen der Primitiven und Kin-
derzeichnungen. 10. Raum, Licht und Bewegung.
In der letzten Gruppe werden Darstellungs-
mittel gesammelt. Es muß immer wieder betont
werden, daß Licht, Raum und Bewegung auf In-
teresse rechnen können. Es ist aber ein häufiger
Fehler, diese Mittel dort anzuwenden, wo sie
nicht notwendig sind. Wozu Modelle, wo Pläne
genügen? Wozu ein Globus, wenn die gleich-
zeitige Übersicht durch eine Planisphäre mit flä-
chentreuer Projektion weit besser erreicht wird;
sie ist eine bedeutsame Errungenschaft der
Neuzeit. Der Globus, wenn er nicht zu erster
Information verwendet wird, ist eine sehr altmo-
dische Sache und dient eher dazu, um auf Bil-
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Holzschnitt von Arntz
Pläne im Raum, statt Modell
Die durchsichtigen Pläne mehrerer Etagen übereinander
angeordnet. Glasmodell des Gesellschafts- und Wirt-
schaftsmuseums in Wien
beurteilen lernen. Nur ein verhältnismäßig klei-
ner Teil der üblichen pädagogischen Darstellun-
gen kann einer ernsthaften Kritik standhalten.
Die Versuche, zu vereinfachten Normen vorzu-
dringen, können sich nur auf wenig Grafiker
stützen. Die Meister der Reklame sind nicht
immer bereit, diesen Formungen ihr Augenmerk
zuzuwenden, die weniger auffallend sind und vor
allem letzten Endes nur durch Kollektivarbeit ent-
stehen können. Die Leistung eines einzelnen
läßt sich nicht deutlich abheben. Am meisten ist
noch von den Grafikern zu erwarten, die von
vornherein zu solcher Vereinfachung neigen. Die
„Soziologische Grafik" liefert Anregungen in die-
ser Richtung. Es ist übrigens bemerkenswert,
daß die bildhafte Pädagogik in allen Ländern im
argen liegt. Auch in der Sowjetunion, wo man
doch grundsätzlich am meisten bereit war, mit
Traditionen zu brechen, sind Lehrbilder aller Art,
Aufklärungsbilder, Unfallverhütungsbilder im all-
gemeinen durchaus traditionell. Einzelne rus-
sische Grafiker, die zu vereinfachten Formen
übergegangen sind, haben dort ebenso wenig
Einfluß gewonnen wie bei uns. Darüber, ob sol-
che Bilder mit vereinfachten Figuren als Kunst-
gebilde anzuerkennen sind, mag eine Einigung
unmöglich sein, darüber aber, daß für pädago-
gische Zwecke solche Vereinfachungen selbst-
verständliche Forderung sind, ist wohl rasch Eini-
gung erzielbar.
Das Gesamtgebiet des Sachbildes im weite-
sten Umfang, unter Berücksichtigung aller Arten
von Modellen, Trickfilmen usw., kann man viel-
leicht aus dem Verzeichnis der Abteilungen des
Archivs für bildhafte Pädagogik erkennen:
1. Kartografie und Weltbild. 2. Technik und Ar-
chitektur. 3. Biologie und Hygiene. 4. Psychologie
und Psychotechnik. 5. Soziologie und National-
ökonomie. 6. Physik, Chemie, Mathematik, Logik.
7. Ausstellungs- und Museumswesen. 8. Kinder-
bücher. 9. Zeichnungen der Primitiven und Kin-
derzeichnungen. 10. Raum, Licht und Bewegung.
In der letzten Gruppe werden Darstellungs-
mittel gesammelt. Es muß immer wieder betont
werden, daß Licht, Raum und Bewegung auf In-
teresse rechnen können. Es ist aber ein häufiger
Fehler, diese Mittel dort anzuwenden, wo sie
nicht notwendig sind. Wozu Modelle, wo Pläne
genügen? Wozu ein Globus, wenn die gleich-
zeitige Übersicht durch eine Planisphäre mit flä-
chentreuer Projektion weit besser erreicht wird;
sie ist eine bedeutsame Errungenschaft der
Neuzeit. Der Globus, wenn er nicht zu erster
Information verwendet wird, ist eine sehr altmo-
dische Sache und dient eher dazu, um auf Bil-
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