Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0211
DOI article:
Riezler, Walter: Die Köln-Mülheimer Brücke
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0211
DIE KÖLN-MÜLHEIMER BRÜCKE
W. RIEZLER
Mix immer steigendem Interesse verfolgt die
Öffentlichkeit den Bau der großen Brücken: mit
ähnlicher Spannung mögen frühere Zeiten das
Emporwachsen der Dome beobachtet haben, und
sicher war es nicht nur eine religiöse Feier, wenn
schließlich die Gerüste fielen und das gewaltige
Menschenwerk sich zum ersten Male dem Auge
unverhüllt bot; es war viel irdischer Stolz dabei,
Freude an der Mächtigkeit der eigenen Leistung,
die, wenn man irgend konnte, die früheren Lei-
stungen übertreffen sollte. Und wenn das, was
uns heute an jenen Domen das Erhabenste er-
scheint, die rein künstlerische, ideal-schöpferi-
sche Kraft, dem Zeitgenossen gar nicht zum Be-
wußtsein kam, so war um so größer die Bewun-
derung für die reale konstruktive Leistung, wie
sie sich etwa in einer neuen Gewölbekonstruk-
tion, in einer vorher noch nie gesehenen Auf-
lösung der Steinwand manifestierte. Wird heute
eine neue Brücke eingeweiht, gilt die Begeiste-
rung der Menschen auch nicht nur der eigent-
lichen Bedeutung der oft sehr wichtigen Rolle
der Brücke für die Erschließung neuen Verkehrs,
sondern ebensosehr auch der Leistung des In-
genieurs, vor allem dann, wenn irgendeine neue
Konstruktion oder eine noch nie gesehene Spann-
weite zur Bewunderung reizt. Aber gemäß der
neuen Bewußtheit unserer ganzen Existenz wird
hier auch das, was einst beim Bau des Domes
als eine Selbstverständlichkeit hingenommen und
wohi empfunden, aber nicht beachtet und be-
sprochen wurde, die formale Gestaltung, Gegen-
stand leidenschaftlichen Interesses, obwohl sich
doch hier das Formale aus der Ingenieurkon-
struktion fast zwangsläufig zu ergeben scheint.
Man erinnert sich noch wohl der Kämpfe, unter
denen die endgültige Entscheidung über das bei
der großen Rheinbrücke zu Köln-Mülheim an-
zuwendende System vor sich ging. Der vom
Preisgericht fast einstimmig gewählte und zur
Ausführung empfohlene Entwurf einer Bogen-
brücke wurde auf Veranlassung einiger mäch-
preisgekrönter Entwurf
für die Köln-MUlheimer Brücke. Peter Behrens
169
W. RIEZLER
Mix immer steigendem Interesse verfolgt die
Öffentlichkeit den Bau der großen Brücken: mit
ähnlicher Spannung mögen frühere Zeiten das
Emporwachsen der Dome beobachtet haben, und
sicher war es nicht nur eine religiöse Feier, wenn
schließlich die Gerüste fielen und das gewaltige
Menschenwerk sich zum ersten Male dem Auge
unverhüllt bot; es war viel irdischer Stolz dabei,
Freude an der Mächtigkeit der eigenen Leistung,
die, wenn man irgend konnte, die früheren Lei-
stungen übertreffen sollte. Und wenn das, was
uns heute an jenen Domen das Erhabenste er-
scheint, die rein künstlerische, ideal-schöpferi-
sche Kraft, dem Zeitgenossen gar nicht zum Be-
wußtsein kam, so war um so größer die Bewun-
derung für die reale konstruktive Leistung, wie
sie sich etwa in einer neuen Gewölbekonstruk-
tion, in einer vorher noch nie gesehenen Auf-
lösung der Steinwand manifestierte. Wird heute
eine neue Brücke eingeweiht, gilt die Begeiste-
rung der Menschen auch nicht nur der eigent-
lichen Bedeutung der oft sehr wichtigen Rolle
der Brücke für die Erschließung neuen Verkehrs,
sondern ebensosehr auch der Leistung des In-
genieurs, vor allem dann, wenn irgendeine neue
Konstruktion oder eine noch nie gesehene Spann-
weite zur Bewunderung reizt. Aber gemäß der
neuen Bewußtheit unserer ganzen Existenz wird
hier auch das, was einst beim Bau des Domes
als eine Selbstverständlichkeit hingenommen und
wohi empfunden, aber nicht beachtet und be-
sprochen wurde, die formale Gestaltung, Gegen-
stand leidenschaftlichen Interesses, obwohl sich
doch hier das Formale aus der Ingenieurkon-
struktion fast zwangsläufig zu ergeben scheint.
Man erinnert sich noch wohl der Kämpfe, unter
denen die endgültige Entscheidung über das bei
der großen Rheinbrücke zu Köln-Mülheim an-
zuwendende System vor sich ging. Der vom
Preisgericht fast einstimmig gewählte und zur
Ausführung empfohlene Entwurf einer Bogen-
brücke wurde auf Veranlassung einiger mäch-
preisgekrönter Entwurf
für die Köln-MUlheimer Brücke. Peter Behrens
169