AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN WERKBUNDES
IN PARIS
WILHELM LÖTZ
Die Fähigkeit, einen Gegenstand „schön" zu gestalten, beruht auf der meisterlichen Beherrschung aller wirtschaftlichen, technischen und
formalen Voraussetzungen, aus denen sein Organismus resultiert.
Die Art, in der der gestaltende Mensch die Beziehungen der Massen, Materialien und Farben des zu gestaltenden Dinges ordnet, schafft
diesem das charakteristische Gesicht. In den M a ß ve r h ä 11 n i s se n dieser Ordnung liegt sein geistiger Wert verborgen, nicht in äußerlicher
Zutat von schmückendem Ornament und Profil. Walter Gropius
Zum erstenmal nach dem Kriege wurde der
formschaffenden Arbeit Deutschlands die Mög-
lichkeit gegeben, ihre Erzeugnisse in der Stadt
zu zeigen, die von jeher als das Zentrum alles
künstlerischen Lebens galt und von der man
heute zum mindesten sagen muß, daß sie der
Markt für all die Dinge ist, die ein verfeinerter
Geschmack sich wünscht. Und wenn auch aus-
gesprochen moderne Schöpfungen auf dem Ge-
biet der Architektur in der französischen Haupt-
stadt sehr selten sind, so treffen sich doch auch
heute noch fortschrittliche Ideen auf dem Gebiet
der Kunst, der modernen Architektur und mo-
dernen Gestaltung in ihrer Atmosphäre, die allem
künstlerischen Leben besonders günstig zu sein
scheint. Der Societe des Artistes Decorateurs
ist die großzügige Einladung an Deutschland zu
verdanken, der der Deutsche Werkbund gern und
begeistert Folge geleistet hat.
Die Deutsche Abteilung steht trotz ihrer gänz-
lichen Andersartigkeit nicht als Fremdkörper im
Rahmen der Ausstellung der Societe, so über-
raschend auch der Eindruck nicht zuletzt für die
französischen Besucher sein mag, die von der
französischen in die deutsche Abteilung ein-
treten. Die Befürchtung jedenfalls, daß die Ge-
bilde der modernen deutschen Bewegung roh
und ungefüge neben den französischen wirken
würden, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, die
Leichtigkeit und Freiheit des Eindrucks der deut-
schen Räume ist der Ausdruck eines durchaus
modernen Gefühls, das nur in einem anderen. —
wie wir glauben noch mehr in die Zukunft wei-
sendem Sinn — als in der französischen Abtei-
!ung zum Ausdruck kommt.
Was in der französischen Abteilung vielleicht
weniger überrascht als besonders den Nicht-
franzosen immer wieder neu zum Bewußtsein
Qebraucht wird, ist die souveräne Handhabung
des Materials, vor allem in der Herausstellung
des Effekts, oder, wie die Franzosen sagen, des
»Dekorativen". Was der französische Kunst-
handwerker, der Möbelschreiner oder der Buch-
binder an technischem Können besitzen, ist ein
wertvolles Gut, das aber seine Anwendung nur
in vollem Maße da finden kann, wo es sich
um die Erzeugung wertvoller, luxuriöser Einzel-
stücke handelt. Man darf bei Beurteilung der
ausgestellten Objekte nie vergessen, daß Paris
der Markt für diese Dinge ist und daß man daher
diese Ausstellung ganz anders bewerten muß
als die deutsche. Ch. Hairon, der Vizepräsident
der Societe des Artistes Decorateurs, sagt in
seinem Vorwort zu dem Katalog der Deut-
schen Abteilung (Verlag Hermann Recken-
dorf G. m. b. H„ Berlin SW 48. Typografie:
Herbert Bayer): „In unserer Vereinigung sind
Persönlichkeiten der verschiedensten Kunst-
anschauungen vertreten, deren Werke stets den
Stempel der Mannigfaltigkeit, der Unabhängigkeit
und der individuellen Auffassung tragen wer-
den.-' Der französische artiste decorateur, man
denke an Pierre Charreau oder an Lalique, ist
eine Erscheinung, die in Paris ihre wirtschaft-
liche Bedingtheit hat. Wir in Deutschland sind
so stark mit den Fragen der guten Gestaltung
des Bedarfs breiter Volksschichten beschäftigt,
daß wir, wenn wir von wirtschaftlichen Bedingt-
heiten sprechen, immer nur an die breite Masse
und an den leider so tief stehenden Lebens-
standard des deutschen Durchschnittsbürgers
denken. In seinem Aufsatz über die „Bremen"
(„Die Form", Heft 23 1929) und vor allen Din-
gen in seiner Anmerkung zu der Diskussion über
die ..Bremen" (Heft 4/1930, Seite 109) hat
Dr. Riezler gerade auf die soziologische Bedingt-
heit des luxuriösen Kunstgewerbes im modernen
Innenraum des Passagierschiffes hingewiesen,
und wir erinnern dabei auch an unsere Veröffent-
lichung der Innenräume der „lle de France" in
Heft 14 1928, deren künstlerische Ausgestal-
tung aus dem Kreise der Societe des Artistes
Decorateurs kam.
Es ist bezeichnend, wie das Stahlrohrmöbel
in den Kreis dieser Künstler Eingang findet und
zwar weniger aus technischen und fabrikatori-
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IN PARIS
WILHELM LÖTZ
Die Fähigkeit, einen Gegenstand „schön" zu gestalten, beruht auf der meisterlichen Beherrschung aller wirtschaftlichen, technischen und
formalen Voraussetzungen, aus denen sein Organismus resultiert.
Die Art, in der der gestaltende Mensch die Beziehungen der Massen, Materialien und Farben des zu gestaltenden Dinges ordnet, schafft
diesem das charakteristische Gesicht. In den M a ß ve r h ä 11 n i s se n dieser Ordnung liegt sein geistiger Wert verborgen, nicht in äußerlicher
Zutat von schmückendem Ornament und Profil. Walter Gropius
Zum erstenmal nach dem Kriege wurde der
formschaffenden Arbeit Deutschlands die Mög-
lichkeit gegeben, ihre Erzeugnisse in der Stadt
zu zeigen, die von jeher als das Zentrum alles
künstlerischen Lebens galt und von der man
heute zum mindesten sagen muß, daß sie der
Markt für all die Dinge ist, die ein verfeinerter
Geschmack sich wünscht. Und wenn auch aus-
gesprochen moderne Schöpfungen auf dem Ge-
biet der Architektur in der französischen Haupt-
stadt sehr selten sind, so treffen sich doch auch
heute noch fortschrittliche Ideen auf dem Gebiet
der Kunst, der modernen Architektur und mo-
dernen Gestaltung in ihrer Atmosphäre, die allem
künstlerischen Leben besonders günstig zu sein
scheint. Der Societe des Artistes Decorateurs
ist die großzügige Einladung an Deutschland zu
verdanken, der der Deutsche Werkbund gern und
begeistert Folge geleistet hat.
Die Deutsche Abteilung steht trotz ihrer gänz-
lichen Andersartigkeit nicht als Fremdkörper im
Rahmen der Ausstellung der Societe, so über-
raschend auch der Eindruck nicht zuletzt für die
französischen Besucher sein mag, die von der
französischen in die deutsche Abteilung ein-
treten. Die Befürchtung jedenfalls, daß die Ge-
bilde der modernen deutschen Bewegung roh
und ungefüge neben den französischen wirken
würden, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, die
Leichtigkeit und Freiheit des Eindrucks der deut-
schen Räume ist der Ausdruck eines durchaus
modernen Gefühls, das nur in einem anderen. —
wie wir glauben noch mehr in die Zukunft wei-
sendem Sinn — als in der französischen Abtei-
!ung zum Ausdruck kommt.
Was in der französischen Abteilung vielleicht
weniger überrascht als besonders den Nicht-
franzosen immer wieder neu zum Bewußtsein
Qebraucht wird, ist die souveräne Handhabung
des Materials, vor allem in der Herausstellung
des Effekts, oder, wie die Franzosen sagen, des
»Dekorativen". Was der französische Kunst-
handwerker, der Möbelschreiner oder der Buch-
binder an technischem Können besitzen, ist ein
wertvolles Gut, das aber seine Anwendung nur
in vollem Maße da finden kann, wo es sich
um die Erzeugung wertvoller, luxuriöser Einzel-
stücke handelt. Man darf bei Beurteilung der
ausgestellten Objekte nie vergessen, daß Paris
der Markt für diese Dinge ist und daß man daher
diese Ausstellung ganz anders bewerten muß
als die deutsche. Ch. Hairon, der Vizepräsident
der Societe des Artistes Decorateurs, sagt in
seinem Vorwort zu dem Katalog der Deut-
schen Abteilung (Verlag Hermann Recken-
dorf G. m. b. H„ Berlin SW 48. Typografie:
Herbert Bayer): „In unserer Vereinigung sind
Persönlichkeiten der verschiedensten Kunst-
anschauungen vertreten, deren Werke stets den
Stempel der Mannigfaltigkeit, der Unabhängigkeit
und der individuellen Auffassung tragen wer-
den.-' Der französische artiste decorateur, man
denke an Pierre Charreau oder an Lalique, ist
eine Erscheinung, die in Paris ihre wirtschaft-
liche Bedingtheit hat. Wir in Deutschland sind
so stark mit den Fragen der guten Gestaltung
des Bedarfs breiter Volksschichten beschäftigt,
daß wir, wenn wir von wirtschaftlichen Bedingt-
heiten sprechen, immer nur an die breite Masse
und an den leider so tief stehenden Lebens-
standard des deutschen Durchschnittsbürgers
denken. In seinem Aufsatz über die „Bremen"
(„Die Form", Heft 23 1929) und vor allen Din-
gen in seiner Anmerkung zu der Diskussion über
die ..Bremen" (Heft 4/1930, Seite 109) hat
Dr. Riezler gerade auf die soziologische Bedingt-
heit des luxuriösen Kunstgewerbes im modernen
Innenraum des Passagierschiffes hingewiesen,
und wir erinnern dabei auch an unsere Veröffent-
lichung der Innenräume der „lle de France" in
Heft 14 1928, deren künstlerische Ausgestal-
tung aus dem Kreise der Societe des Artistes
Decorateurs kam.
Es ist bezeichnend, wie das Stahlrohrmöbel
in den Kreis dieser Künstler Eingang findet und
zwar weniger aus technischen und fabrikatori-
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