sehen haben, den Mitteln des Films am besten ent-
spricht. Es ist eine Erhebung der Reportage zu
künstlerischen Möglichkeiten, es ist eine Form, die
lehrhafte und allgemein menschliche Werte zur Dar-
stellung bringen kann. Es soll damit nicht gesagt
werden, daß der Spielfilm vor dieser neuen Form
zurücktreten muß, aber er wird, soweit er überhaupt
ernst zu nehmen ist, sich daran schulen können und
man wird einen Film in Zukunft danach bewerten,
nicht durch welches Mittel, sondern mit welcher
Kraft und Eindringlichkeit Ideen und Werte dem Be-
schauer vermittelt werden, besser gesagt, wie stark
sie ihn in seinen Bann ziehen können.
Da ist es denn sehr erfreulich, festzustellen, daß
kurz hintereinander zwei Filme aufgetaucht sind,
die den Film als gehobene Reportage auf einer sehr
hohen Stufe zeigen: der russische Film „Turksib"
und der deutsche Film „Menschen am Sonntag".
Auch in den Sondervorführungen „Der gute Film",
die von der Staatlichen Kunstbibliothek Berlin in
Zusammenarbeit mit dem Werkbund veranstaltet
wurden, ist ein sehr schöner Film von W. Basse
„Markt in Berlin" gezeigt worden, der starke filmi-
sche Qualitäten aufzuweisen hat. Als Reportage
vielleicht etwas zu ausgedehnt im Verhältnis zu dem
bescheidenen Objekt, gibt er doch eine anschau-
liche und lebendige Darstellung eines Marktes mit-
ten im Westen von Berlin. Diese Filmvorführungen
haben übrigens das unbestreitbare Verdienst, so
ausgezeichnete Filme wie „Turksib" und „Die neuen
Herren" von Jaques Feyder auf den Spielplan
einiger Filmtheater gelockt zu haben.
Der russische Turksib-Film von Turin, der übrigens
jetzt in Deutschland mit einer ausgezeichneten Be-
schriftung läuft, stellt einen Tatsachenfilm dar, der
eine klare pädagogische Vermittlung der wirtschaft-
lichen Grundlagen, die zum Bau einer Eisenbahn
von Turkestan nach Sibirien geführt haben, mit
einer geradezu künstlerischen filmischen Darstellung
vereint. Unvergeßlich ist es, wie die Trockenheit
des Landes Turkestan dargestellt wird und wie dann
auf einmal das lebensnotwendige Wasser von den
Bergen her über die dürre Erde quillt. Eine filmische
Symphonie über das Wasser! Von starker Drastik
und von echt filmischem Einfall ist die Szene, wo
die Eingeborenen auf ihren Pferden und Kamelen
zur Maschine kommen und davonstieben, sobald sie
zu fahren beginnt, um dann einen Wettlauf mit ihr
zu versuchen.
In hohem Grade erfreulich, wenn auch nicht von
der filmischen Spannung und Größe wie der russi-
sche Film, ist das erste Ergebnis des Filmstudios
1929 „Menschen am Sonntag", das die Ufa dankens-
werterweise in Verleih genommen hat. Nach russi-
schem Vorbild hat man typische Menschen einfach
herausgegriffen und mit ihnen einen kleinen Film
gedreht, der die harmlosen Freuden des Berliners
an einem Sommersonntag zeigt. Wie erfrischend
ist es, daß hier einmal Mädchen ohne die Gebärden
von Filmstars vor der Kamera sich bewegen und aus
einer ursprünglichen Freude und Lustigkeit heraus
ihr Spiel treiben. Ohne Zweifel ist es gelungen, in
diesem Film ein Stück Atmosphäre des Berliner
Sonntagslebens einzufangen. Angenehm berührt
wird man auch dadurch, daß die so beliebt geworde-
nen Spielereien mit der Kamera fehlen und daß ein-
fach und ordentlich, dabei aber doch nicht nüchtern
und altmodisch fotografiert wurde. Der Film ist ein
wohlgelungenes Experiment, und man darf auf die
weiteren Arbeiten des Filmstudios 1929 gespannt
sein. Hoffentlich vermeidet man, aus diesen zufällig
aufgegriffenen Schauspielern eine neue Art von Star
zu machen. Ebenso wäre es eine Gefahr, im Thema
und in der Problemstellung allzu anspruchsvoll zu
werden.
W. L.
BAUPOLITIK UND BAUWIRTSCHAFT
ALEXANDER SCHWAB
Die Bauwirtschaft als Kampfplatz.
Je knapper das Geld zum Bauen wird — und in-
folgedessen auch der Auftragsbestand des Archi-
tekten, des Bauunternehmers, des Baustofflieferan-
ten —, desto heftiger wird der Kampf der Interes-
sengruppen auf allen Fronten. In den letzten Wo-
chen haben sich die Ereignisse überstürzt. Die von
den Arbeitgebern aus erfolgte Kündigung des
"Tarifvertrages im Baugewerbe überträgt den
wirtschaftlichen Druck, der auf dem Bauwesen
lastet, auf die Arbeiterschaft und versucht nach
dieser Richtung eine dauernde Entlastung zu schaf-
fen. Wesentliche Teile des inländischen Anlage-
kapitals für Bauzwecke, nämlich die Gelder der
Sozialversicherungsträger, standen wo-
chenlang im Mittelpunkt des innerpolitischen Kamp-
fes, und es bedurfte großer Anstrengungen, um eine
erhebliche weitere Einschränkung des Anlagekapi-
tals von dieser Seite her zu verhindern. Ein wei-
teres Kampfobjekt ist die Hauszinssteuer:
der Reichstag hat sich endlich die — auch hier oft
vertretene — Forderung zu eigen gemacht, daß
diese Steuer restlos dem Wohnungsbau zuzuführen
sei; der Reichsrat jedoch hat widersprochen, und
bis zum Augenblick der Niederschrift ist der Kon-
flikt noch nicht behoben. Inzwischen erhebt sich
der Kampf um die Verteilung der Hauszins-
Steuer, soweit sie dem Wohnungsbau zufließt,
von neuem: die Stadt Berlin verlangt eine gerech-
tere Bemessung ihres Anteils, von dem große Teile
ihr bisher entgehen; den Wohnungsfürsorgegesell-
schaften wird vorgeworfen, sie erstrebten eine Mo-
nopolisierung der Hauszinssteuer für ihre eigenen
Projekte. Die nicht-staatlichen Finanzierungsorga-
nisationen rüsten sich: zwei der größten Hypo-
thekenbanken durch Fusion, die Sparkas-
sen durch Ausbau ihres Bausparnetzes, die größte
Bauspargenossenschaft, die Gesellschaft
der Freunde Wüstenrot, durch enge Verbindung mit
einer Reihe von Organisationen, die hauptsächlich
167
spricht. Es ist eine Erhebung der Reportage zu
künstlerischen Möglichkeiten, es ist eine Form, die
lehrhafte und allgemein menschliche Werte zur Dar-
stellung bringen kann. Es soll damit nicht gesagt
werden, daß der Spielfilm vor dieser neuen Form
zurücktreten muß, aber er wird, soweit er überhaupt
ernst zu nehmen ist, sich daran schulen können und
man wird einen Film in Zukunft danach bewerten,
nicht durch welches Mittel, sondern mit welcher
Kraft und Eindringlichkeit Ideen und Werte dem Be-
schauer vermittelt werden, besser gesagt, wie stark
sie ihn in seinen Bann ziehen können.
Da ist es denn sehr erfreulich, festzustellen, daß
kurz hintereinander zwei Filme aufgetaucht sind,
die den Film als gehobene Reportage auf einer sehr
hohen Stufe zeigen: der russische Film „Turksib"
und der deutsche Film „Menschen am Sonntag".
Auch in den Sondervorführungen „Der gute Film",
die von der Staatlichen Kunstbibliothek Berlin in
Zusammenarbeit mit dem Werkbund veranstaltet
wurden, ist ein sehr schöner Film von W. Basse
„Markt in Berlin" gezeigt worden, der starke filmi-
sche Qualitäten aufzuweisen hat. Als Reportage
vielleicht etwas zu ausgedehnt im Verhältnis zu dem
bescheidenen Objekt, gibt er doch eine anschau-
liche und lebendige Darstellung eines Marktes mit-
ten im Westen von Berlin. Diese Filmvorführungen
haben übrigens das unbestreitbare Verdienst, so
ausgezeichnete Filme wie „Turksib" und „Die neuen
Herren" von Jaques Feyder auf den Spielplan
einiger Filmtheater gelockt zu haben.
Der russische Turksib-Film von Turin, der übrigens
jetzt in Deutschland mit einer ausgezeichneten Be-
schriftung läuft, stellt einen Tatsachenfilm dar, der
eine klare pädagogische Vermittlung der wirtschaft-
lichen Grundlagen, die zum Bau einer Eisenbahn
von Turkestan nach Sibirien geführt haben, mit
einer geradezu künstlerischen filmischen Darstellung
vereint. Unvergeßlich ist es, wie die Trockenheit
des Landes Turkestan dargestellt wird und wie dann
auf einmal das lebensnotwendige Wasser von den
Bergen her über die dürre Erde quillt. Eine filmische
Symphonie über das Wasser! Von starker Drastik
und von echt filmischem Einfall ist die Szene, wo
die Eingeborenen auf ihren Pferden und Kamelen
zur Maschine kommen und davonstieben, sobald sie
zu fahren beginnt, um dann einen Wettlauf mit ihr
zu versuchen.
In hohem Grade erfreulich, wenn auch nicht von
der filmischen Spannung und Größe wie der russi-
sche Film, ist das erste Ergebnis des Filmstudios
1929 „Menschen am Sonntag", das die Ufa dankens-
werterweise in Verleih genommen hat. Nach russi-
schem Vorbild hat man typische Menschen einfach
herausgegriffen und mit ihnen einen kleinen Film
gedreht, der die harmlosen Freuden des Berliners
an einem Sommersonntag zeigt. Wie erfrischend
ist es, daß hier einmal Mädchen ohne die Gebärden
von Filmstars vor der Kamera sich bewegen und aus
einer ursprünglichen Freude und Lustigkeit heraus
ihr Spiel treiben. Ohne Zweifel ist es gelungen, in
diesem Film ein Stück Atmosphäre des Berliner
Sonntagslebens einzufangen. Angenehm berührt
wird man auch dadurch, daß die so beliebt geworde-
nen Spielereien mit der Kamera fehlen und daß ein-
fach und ordentlich, dabei aber doch nicht nüchtern
und altmodisch fotografiert wurde. Der Film ist ein
wohlgelungenes Experiment, und man darf auf die
weiteren Arbeiten des Filmstudios 1929 gespannt
sein. Hoffentlich vermeidet man, aus diesen zufällig
aufgegriffenen Schauspielern eine neue Art von Star
zu machen. Ebenso wäre es eine Gefahr, im Thema
und in der Problemstellung allzu anspruchsvoll zu
werden.
W. L.
BAUPOLITIK UND BAUWIRTSCHAFT
ALEXANDER SCHWAB
Die Bauwirtschaft als Kampfplatz.
Je knapper das Geld zum Bauen wird — und in-
folgedessen auch der Auftragsbestand des Archi-
tekten, des Bauunternehmers, des Baustofflieferan-
ten —, desto heftiger wird der Kampf der Interes-
sengruppen auf allen Fronten. In den letzten Wo-
chen haben sich die Ereignisse überstürzt. Die von
den Arbeitgebern aus erfolgte Kündigung des
"Tarifvertrages im Baugewerbe überträgt den
wirtschaftlichen Druck, der auf dem Bauwesen
lastet, auf die Arbeiterschaft und versucht nach
dieser Richtung eine dauernde Entlastung zu schaf-
fen. Wesentliche Teile des inländischen Anlage-
kapitals für Bauzwecke, nämlich die Gelder der
Sozialversicherungsträger, standen wo-
chenlang im Mittelpunkt des innerpolitischen Kamp-
fes, und es bedurfte großer Anstrengungen, um eine
erhebliche weitere Einschränkung des Anlagekapi-
tals von dieser Seite her zu verhindern. Ein wei-
teres Kampfobjekt ist die Hauszinssteuer:
der Reichstag hat sich endlich die — auch hier oft
vertretene — Forderung zu eigen gemacht, daß
diese Steuer restlos dem Wohnungsbau zuzuführen
sei; der Reichsrat jedoch hat widersprochen, und
bis zum Augenblick der Niederschrift ist der Kon-
flikt noch nicht behoben. Inzwischen erhebt sich
der Kampf um die Verteilung der Hauszins-
Steuer, soweit sie dem Wohnungsbau zufließt,
von neuem: die Stadt Berlin verlangt eine gerech-
tere Bemessung ihres Anteils, von dem große Teile
ihr bisher entgehen; den Wohnungsfürsorgegesell-
schaften wird vorgeworfen, sie erstrebten eine Mo-
nopolisierung der Hauszinssteuer für ihre eigenen
Projekte. Die nicht-staatlichen Finanzierungsorga-
nisationen rüsten sich: zwei der größten Hypo-
thekenbanken durch Fusion, die Sparkas-
sen durch Ausbau ihres Bausparnetzes, die größte
Bauspargenossenschaft, die Gesellschaft
der Freunde Wüstenrot, durch enge Verbindung mit
einer Reihe von Organisationen, die hauptsächlich
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