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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Müller, Hermann: Zum Programm der Ausstellung Die neue Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0102

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stehen überdies in engster gegenseitiger Be- wußte Formungskraft objektiv gewordener Kultur

Ziehung eines unmittelbaren Wirkungs- und Span- und Weltform, beide umschlossen von den mensch-

nungsverhältnisses. Bedeutsam ist die Scheitelstel- lichem Willen überhaupt entzogenen Mächten der

lung der Kunst, deren Herrschaft über alle beson- wirkenden Welt.

dere Erlebnis-Gestaltung sich darin ausdrückt: der F o r m u n g d e s M e n s c h e n ist zuerst Formung

Kunst fällt darum auch in der „Neuen Zeit" die des Einzelnen, also Erziehung und Bildung, dann

Rolle und Aufgabe zu, Welt-Bild und Menschen-Bild Lebensgestaltung und Lebensordnung, weiter Ge-

als den einen Totalaspekt wieder zum Erlebnis meinschaftsgestaltung und Gemeinschaftsverfas-

zu machen. Davon später. sung bis zur politischen Staatsformung, zur Staats-

Der Sphäre: Erlebnis-Gestaltung steht gegen- politik, die endlich hinüberleitet zur Weltpolitik,
über als „andere Seite", als thematische Spiegelung Formung der Welt ist dagegen jede Art von
sozusagen, die Sphäre des formenden Wil- Formung der Umwelt: also Beherrschung der Stoffe
lens, des zweckgerichteten praktischen Wollens und Kräfte (auf den Wegen der Technik, die die
und Handelns; entsprechend der Polarität Mensch — Brücke schlägt vom Bilde der Welt — Wissenschaft
Welt wiederum gesondert als Formung des — zur Formung der Welt), dann alles Bauen im um-
Mensch e n und F o r m u n g d e r W e 11. Die Welt fassendsten Verstände, weiter Wirtschaftsaufbau
steht hier für den Menschen unter der dynamischen und Wirtschaftsverfassung bis zur Volks- und
Kategorie: Wille — Form (griechisch: praxis = die Staatswirtschaft, die endlich hinüberführt in die
Handlung, die Tat, in der stets Wille ist). In beide Weltwirtschaft.

Richtungen des formenden Willens wirken selbstver- Beide Tendenzen des formenden Willens errei-
ständlich die Bilder von Mensch und Welt, also die chen also ihre höchste Aufgipfelung und ihre Zu-
ganze Sphäre „objektiver" Kulturgestaltung mittel- sammenfassung durch Weltpolitik und Weltwirt-
bar und unmittelbar auf stärkste ein; darstellbar schaff zur Ordnung der Welt, der „Synthese
durch die dynamischen Radien und Verbindungs- aller Funktionen und Aspekte der Gemeinschaft"
strahlen zwischen beiden Sphären; ebenso wie (Ernst Jäckh in seinem Vortrag über „Neudeutsche
beide Formtendenzen untereinander in engster Ausstellungspolitik"), in der Welt-Organisation, dem
gegenseitiger Wirkungsbeziehung stehen und die ge- „Aufbau der Welt".

formten Wirklichkeiten ihrerseits wieder auch in die Der höchsten Form der Gestaltung erleb-
Bilder vom Menschen und von der Welt eingehen. t e r Welt in Kunst und Religion steht also in der
So ist das Bild des Menschen bestimmend für Sphäre des Welt-formenden Willens als
jede aktive Formung des Menschen (unter der Idee höchste Kräftezusammenfassung gegenüber die
der Menschenführung), das erlebte Bild der Welt Ordnung der Welt, der Aufbau einer — im idealen
bewußt und unbewußt wirksam in jeder Formbildung Ziele — völlig organisierten Welt,
menschlichen Einzel- und Gemeinschaftslebens. Damit schließt sich die thematische Gliederung
Ebenso spiegelt sich das Bild der Welt im geform- zu einem gerundeten Totalaspekt, der in der inneren
ten Menschen und ist die Grundlage jeder formen- Ordnung und dynamischen Verbundenheit seiner Ele-
den Arbeit an der organisierbaren Welt. Neben die mente noch eine Reihe z. T. überraschender Aus-
absichtliche Formungstendenz des bewußt formen- deutungen und Symbolbeziehungen zuläßt. Dieser
den Willens tritt also die eigengesetzliche, unbe- Aspekt wird nun in dem Augenblick zu einer Thema-

Abb. 1 ^~«.____w c 1 '____— Gliederung der Gesamtaufgabe

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