Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0118
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Riezler, Walter: Kogan und die Griechen
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Punkte aus ein für allemal festlegen, was denn
nun das Wesen dieser Gegenwart sei, in welcher
Richtung das Schaffen gehen müsse.
Niemals wird es auf diesem Wege gelingen,
wirklich alles Lebendige und Gegenwärtige zu
umfassen: Vielmehr gibt es nur eine einzige
Möglichkeit: vorerst einmal nicht nach dem „Zeit-
gemäßen" zu fragen, sondern nur zu prüfen, wo
wirklich Lebendiges, Notwendiges aus der Tiefe
emporkommt. Freilich, auf die Prüfung kommt
es an; nur wer fähig ist, zu „werten", das Echte
und Tiefe vom Gemachten und Oberflächlichen
klar zu scheiden, kann dann schließlich zu einer
wirklichen Entscheidung kommen. Und wahr-
scheinlich ist es kein Zufall und nicht eine Er-
scheinung des Überganges, wenn heute eine
volle Einigung darüber, was denn nun wirklich
zur Gegenwart gehört, was bei ihrem Bilde nicht
fehlen darf, kaum zu erzielen ist. Unsere Zeit ist
vielgestaltiger als je eine frühere gewesen ist.
Niemand vermag den Reichtum dieser Poly-
phonie wirklich zu überschauen und zu beherr-
schen. Nur aus der vertrauensvollen Zusammen-
arbeit einsichtiger und urteilsfähiger Menschen
kann ein Bild der Gegenwart entstehen, das wirk-
lich alles umfaßt.
Jedoch, wenn nun wirklich die Überzeugung,
daß diese Koganschen Figuren echter Ausdruck
ihrer Zeit sind, recht behält, so ist damit ganz
gewiß nicht gesagt, daß unser Zeitalter auch
echtes Griechentum in sich enthält. Heute er-
scheinen sie uns als griechisch in ihrer absoluten
Harmonie und Abgewogenheit, wenn wir sie
neben anderer moderner Plastik sehen, wenn
wir etwa an die gleichsam „atonale" Plastik von
Gies oder Archipenko, oder an die neue Primitivi-
tät von Mareks und vielen anderen denken. Einige
Jahrzehnte weiter, und es wird wahrscheinlich
das, was heute nur der sehr scharf blickende
Betrachter sieht, nicht mehr zu übersehen sein:
daß das „Griechische" an Kogan zurücktritt
hinter dem, was seine Kunst verbindet mit dem
übrigen plastischen Schaffen seiner Zeit. Auch
wenn er selbst, was wir nicht wissen, glauben
sollte, er schaffe griechische Figuren, so hat
diese Überzeugung nicht mehr recht als die
Michelangelos, der auch glaubte, eine wahrhaft
antike Statue machen zu können und der dabei
etwas geschaffen hat, was uns in jedem Zuge
unantik, ganz rein Ausdruck der Zeit erscheint.
Vielleicht sieht eine spätere Zeit in Kogans Figu-
Bronzen
Moissej Kogan
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nun das Wesen dieser Gegenwart sei, in welcher
Richtung das Schaffen gehen müsse.
Niemals wird es auf diesem Wege gelingen,
wirklich alles Lebendige und Gegenwärtige zu
umfassen: Vielmehr gibt es nur eine einzige
Möglichkeit: vorerst einmal nicht nach dem „Zeit-
gemäßen" zu fragen, sondern nur zu prüfen, wo
wirklich Lebendiges, Notwendiges aus der Tiefe
emporkommt. Freilich, auf die Prüfung kommt
es an; nur wer fähig ist, zu „werten", das Echte
und Tiefe vom Gemachten und Oberflächlichen
klar zu scheiden, kann dann schließlich zu einer
wirklichen Entscheidung kommen. Und wahr-
scheinlich ist es kein Zufall und nicht eine Er-
scheinung des Überganges, wenn heute eine
volle Einigung darüber, was denn nun wirklich
zur Gegenwart gehört, was bei ihrem Bilde nicht
fehlen darf, kaum zu erzielen ist. Unsere Zeit ist
vielgestaltiger als je eine frühere gewesen ist.
Niemand vermag den Reichtum dieser Poly-
phonie wirklich zu überschauen und zu beherr-
schen. Nur aus der vertrauensvollen Zusammen-
arbeit einsichtiger und urteilsfähiger Menschen
kann ein Bild der Gegenwart entstehen, das wirk-
lich alles umfaßt.
Jedoch, wenn nun wirklich die Überzeugung,
daß diese Koganschen Figuren echter Ausdruck
ihrer Zeit sind, recht behält, so ist damit ganz
gewiß nicht gesagt, daß unser Zeitalter auch
echtes Griechentum in sich enthält. Heute er-
scheinen sie uns als griechisch in ihrer absoluten
Harmonie und Abgewogenheit, wenn wir sie
neben anderer moderner Plastik sehen, wenn
wir etwa an die gleichsam „atonale" Plastik von
Gies oder Archipenko, oder an die neue Primitivi-
tät von Mareks und vielen anderen denken. Einige
Jahrzehnte weiter, und es wird wahrscheinlich
das, was heute nur der sehr scharf blickende
Betrachter sieht, nicht mehr zu übersehen sein:
daß das „Griechische" an Kogan zurücktritt
hinter dem, was seine Kunst verbindet mit dem
übrigen plastischen Schaffen seiner Zeit. Auch
wenn er selbst, was wir nicht wissen, glauben
sollte, er schaffe griechische Figuren, so hat
diese Überzeugung nicht mehr recht als die
Michelangelos, der auch glaubte, eine wahrhaft
antike Statue machen zu können und der dabei
etwas geschaffen hat, was uns in jedem Zuge
unantik, ganz rein Ausdruck der Zeit erscheint.
Vielleicht sieht eine spätere Zeit in Kogans Figu-
Bronzen
Moissej Kogan
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