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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

DOI Artikel:
Schwab, Alexander: Baupolitik und Bauwirtschaft, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0174

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deutlicher und allgemeiner hervortreten, je mehr
auch in andern Städten der Bedarf der noch kauf-
kräftigen Schicht befriedigt werde. Außerdem sei
infolge des Geburtenrückganges und — etwa von
1950 ab — infolge des geänderten Altersaufbaues
der deutschen Bevölkerung ein ständig stärker wer-
dender Rückgang der Familienneugründungen zu er-
warten. Die Städte kämen also in die Gefahr, auf
den für den gegenwärtigen Bedarf errichteten
Kleinstwohnungen sitzen zu bleiben.

Der Ausweg, den Büchner vorschlägt, ist ein nur
für zwanzigjährige Dauer berechneter „Einfachbau",
einstöckig, mit halber Unterkellerung, mit Schlupf-
höhe des Kellers, ohne Speicher, ohne Bad oder
Brause (dafür öffentliche oder Strandbäder) an ein-
fachsten Straßen. Trotz der kürzeren Amortisations-
zeit errechnet Büchner hierfür, auf Grund von
Mannheimer Erfahrungen, einen monatlichen Zins von
36,— RM. gegenüber 43, — RM. für den gleichen
Wohnraum von zirka 45 qm bei besserer und zwei-
stöckiger Ausführung. Als Gesamtpreis für 1000
Wohnungen werden 6,1 Millionen bei Dauerbau, 4,5
Millionen bei Einfachbau einander gegenübergestellt.

Die Erwägung, daß wir unter den gegenwärtigen
Verhältnissen nicht für die Ewigkeit, sondern für
kurzbefristete Zeit bauen sollten, ist zwar auch
schon von andrer Seite, besonders eindringlich von

Friedrich Paulsen, aufgestellt worden; doch ist
es wertvoll, sie hier von einem Kommunalpolitiker
aus seinen Erfahrungen und Überlegungen heraus
bestätigt zu hören. Doch müßte dieser Gedanken-
gang wohl noch nach zwei Seiten hin ergänzt wer-
den: nämlich durch eine Prüfung der Zinsfrage und
durch eine Klärung der Qualitätsfrage. Ist es in der
Tat unumgänglich, für das Ergänzungskapital zur
Hauszinssteuerhypothek 9 v. H. Zinsen zu rechnen,
wie das auch Büchner tut? Es wäre sehr erwünscht,
wenn auch kommunalpolitische Kreise sich ent-
schlossener mit den Möglichkeiten der Selbstfinan-
zierung durch den Mieter beschäftigen würden, die
— noch keineswegs ausgeschöpft — in dem Gedan-
ken der Bausparkassenbewegung ruhen. Die Quali-
tätsfrage aber bei einem solchen „Einfachbau" ist
mit der Wendung vom „Sperling in der Hand" nicht
beantwortet. Sie ist bekanntlich seit langem das
Arbeitsgebiet einer Anzahl moderner Architekten,
und sie hätte auch von der Reichsforschungsgesell-
schaft behandelt werden müssen. Man wird hoffen
dürfen, daß die RFG. unter ihrer neuen Leitung —
an deren Kommen trotz der Dementierversuche einer
Oppositionsgruppe wohl nicht zu zweifeln ist — sich
dieses Problems mit frischerer Energie annehmen
wird.

BUCHBESPRECHUNG

Ludwig Hilberseimer, Großstadtarchitektur.
Mit 229 Abbildungen. Verlag Julius Hoffmann, Stutt-
gart. (Band 3 der Baubücher.) Kart. Mk. 9,50.

Dieses Buch wird charakterisiert durch Merkmale,
die — leider — in der sehr reichlichen neueren Li-
teratur über das Bauen ungewöhnlich sind: durch
unerschrockene Programmatik und durch die Nüch-
ternheit des vollkommenen Sachkenners. Es bleibt
dadurch gleichweit entfernt vom Höhenrauch des
unentwegten Pathetikers wie von der Verwitterung
der Skepsis.

H. geht aus von den wirtschaftlichen Voraussetzun-
gen der Großstadt, stellt das bevorstehende Ende
der unorganisierten, auf dem Prinzip der Spekulation
beruhenden Großstadt fest und führt dann in kri-
tischer Betrachtung die theoretischen Versuche und
praktischen Ansätze zu einer neuen Gestaltung vor.
In Einzelkapiteln werden Wohnbauten, kommerzielle
Bauten, Hochhausbauten. Hallen- und Theaterbau-
ten, Verkehrsbauten, Industriebauten behandelt. Ein
Ausblick auf die wirtschaftlichen Rückwirkungen der
neueren Entwicklung auf Bauhandwerk und Bauindu-
strie sowie einige grundlegende Betrachtungen über
die ästhetischen Elemente der Großstadtarchitektur
leiten zum Schluß wieder ins Allgemeine zurück.

Der gedankliche Ausgangs- und Zielpunkt ist für
H. die vom Wirtschaftsprozeß getragene gesell-
schaftliche Entwicklung, die heute und in abseh-
barer Zukunft stärker als je in der Geschichte vom
Arbeitsprozeß und von sozialen Faktoren bestimmt
ist. Diese Entwicklung nimmt H. als die gegebene,
höhere historische Macht hin, ohne Ressentiment
und ohne individualistisch-formale Vorurteile. Von
diesem festen Boden aus gibt er, ohne polemische

Schärfe zwar, aber auch ohne „Rücksichten" und
mit aller sachlichen Bestimmtheit, seine Urteile ab
über das volkszerstörende Spekulantentum im Woh-
nungsbau, über den Konservativismus der Architek-
ten, über alles Dekorations- und Attrappenunwesen,
über die Irrtümer und den geometrischen Formalis-
mus Corbusiers — und vieles andere.

Wenig hat es, gegenüber den Vorzügen des Bu-
ches, zu sagen, daß man in manchem andrer Meinung
sein kann; z. B. sind starke Einwände gegen den
englischen Trabantenstadtgedanken, der die einheit-
liche Verflochtenheit des Arbeitsprozesses einer
Großstadt vergißt und überhaupt nur ein Prinzip des
Anbaus aber nicht des Umbaus ist, nicht berücksich-
tigt; z. B. könnte auch über den Profitkonservativis-
mus der Bau- und Baustoffindustrie manches gesagt
werden, was der Klage über die konservativen Ar-
chitekten durchaus das Gleichgewicht halten könnte.
Doch wird dadurch der Wert des Ganzen durchaus
nicht berührt.

Die ausgezeichnete Ausstattung, die der Verlag
seinen Baubüchern gibt, ist bekannt; auch hier wie-
der ist besonders die Qualität der Abbildungen zu
rühmen. Ein Namens- und Ortsverzeichnis erleichtert
sehr die Orientierung. A. S.

Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:

Marcel Breuer, Berlin W 35, Potsdamer Privatstr. 121 C

Stud. Professor Johann Hamann, München, Schellingstr. 83/11 R

L.W. Rochowanski, Wien XIX, Philippovichstr. 1

Dr. J. Gantner, Dir.-Assistent an der Kunstschule, Frankfurt a. M.,

Neue Mainzer Str. 37
Professor Ludwig Gies, Berlin-Charlottenburg, Hardenbergstr. 33
Otto Baur, Geschäftsführer des Deutschen Werkbundes
Dr. Alexander Schwab, Berlin W 57, Potsdamer Str. 93

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