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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Itten, Johannes: Pädagogische Fragmente einer Formenlehre: aus dem Unterricht der Ittenschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0180

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Sobald das Wesen einer Kontrastwirkung elementares Studium der Kontraste und ihrer

und ihrer Darstellung begriffen worden ist, Vermittlungen erarbeitet sich der Lernende

macht es dem Lernenden keine Mühe, auch die diese geheimnisvolle und im letzten Grunde

anderen Kontraste zu begreifen und zu studieren, mit dem Verstände nur schwer, ja überhaupt

Die Beherrschung der Form- und Farbwelt in nicht faßbare Welt formaler und farbiger Le-

ihrer Erscheinungsweise ist gleichbedeutend mit bendigkeit.

der Beherrschung ihrer polaren Kontraste. Der Gesichtssinn wird genauer und durchdrin-
Eine isolierte und allein für sich betrachtete gender, gleichzeitig ebenso das Denken; denn
Form wirkt mehr oder weniger unlebendig und der Gesichtssinn ist der führende Sinn in unserer
starr. Sobald diese erste Form zu einer zweiten Sinneswelt und deshalb ist seine Funktion ent-
in Beziehung tritt, beginnt zwischen den beiden scheidend für objektives sinngemäßes Denken,
ein intimes Leben sich zu entwickeln. Ein hoch- Aber nicht nur dieser eine und erste Sinn wird
stes Maß von Lebendigkeit zwischen zwei oder gesteigert. Der Tast- und Taktsinn, Geruch und
mehr Formen auszulösen, ist nur dem schöpfe- Geschmack, ja der Gehörsinn sogar ist wert-
rischen, hochwertig sensiblen Menschen in sinn- voll und vertieft unser Wissen um die formalen
voller Weise möglich. In jedem Menschen sind Wirkungen in der Natur und in den eigenen
die Kräfte und Fähigkeiten, wenn auch oft noch schöpferisch gestalteten Gebilden. Der unend-
schlummernd, so doch zweifelsfrei vorhanden, liehe Reichtum an Formen und Formwirkungen,
die ihm erlauben, dem Wesentlichen nach in an Farben und Farbwirkungen, den die Natur und
gleicher Weise tätig zu sein wie der sogenannte menschliche Imagination vor dem Bewußtsein
geborene Künstler. Durch eindringliches, ge- ausbreitet, die er vermittels seiner eingeborenen
naues und auf das Wesentliche gerichtetes Gaben des Denkens und Fühlens erweitert, klärt,
 
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