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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Haesler, Otto: Die doppelgeschossige Etagenwohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0276

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springende Balkonverkehrsplatte den darunter
liegenden Räumen den Licht- und Sonneneinfall.
Selbst denjenigen, denen die volle Erfassung
und richtige Verteilung von Sonne, Luft und Licht
nicht unbedingt notwendig oder erstrebenswert
erscheint, wird die bisherige Form des sogenann-
ten Laubenganghauses nicht mehr so wertvoll
sein, nachdem Schwagenscheidt, Frankfurt (M.),
festgestellt hat, daß die Wohnungen im Lauben-
ganghaus um 8 v. H. teuerer sind als bei nor-
maler Anordnung von Treppenhäusern ohne
LaubengangVerbindung.

Eine kompromißlose Lösung ist jedoch im
System der doppelgeschossigen Etagenwoh-
nung möglich, wie ich sie seit Jahren anstrebe
und im Juni 1929 für die Baumessesiedlung
Leipzig vorgeschlagen habe. Auch meine doppei-
geschossige Wohngruppe Waack in Celle aus
dem Jahre 1927 ist eine Vorarbeit hierzu. Bei
meinen Vorschlägen sind die Verbindungsgänge
im Innern des Gebäudes angeordnet und nach
außen mit Fenstern abgeschlossen. Je nach der
Art der Wohnung lassen sich die Fenster dieser
Verbindungsgänge in doppelte Glaswände für
Bepflanzung auflösen, so daß diese Verbin-
dungsgänge in den verschiedenen Doppelge-
schossen grün abgeschlossenen Promenaden-
wegen gleichkommen. Von diesen gelangt man
jeweils in die zweigeschossigen Wohnungen, die
nach ihrer vollen Abgeschlossenheit, ihrer zwei-
geschossigen Anlage und mit ihren Verbindungs-
treppen im Innern den Einfamilienhauswohnun-
gen gleichkommen.

Diese Verbindungsgänge liegen zweckmäßi-
gerweise nach Osten. Von ihnen gelangt man
durch die nunmehr geschützt gelegenen Ein-
gangstüren in die abgeschlossenen Vor- und
Garderobenräume dieser zweigeschossigen
Wohnungen, also in die Wohngeschosse mit den
Hauptwohnräumen, Freiplatz. Wintergarten,
Küche und Zubehör. Alle diese Räume haben
freie Aussicht und ebenso freie Lüftungs- und
Besonnungsmöglichkeit nach Westen. Eine Be-
einträchtigung dieser Räume aus ihrer Lage an
den Verbindungsgängen ist vermieden. Innerhalb
der Wohngeschosse führt eine Verbindungs-
treppe in die Obergeschosse, in denen — wie
beim Einfamilienhaus — die Schlafräume mit
Nebenräumen untergebracht sind und über den
darunter liegenden Verbindungsflur hinwegrei-
chen. Durch diese doppelgeschossige Anlage
wird gleichzeitig die beste Orientierung der
Schlafräume nach Osten im Gegensatz zu den
darunter liegenden Wohnräumen nach Westen
ohne weiteres ermöglicht, und da es sich hier
zunächst nicht um Kleinstwohnungen handelt, ist

auch die Trennung von Wohn- und Schlafge-
schossen unter Berücksichtigung der hauswirt-
schaftlichen Zusammenhänge dieser Räume sehr
wohl möglich, besonders dann, wenn, wie in
meinen Vorschlägen, den ostgelegenen Schlaf-
räumen noch je eine besondere westgelegene
Arbeitsnische zugeteilt wird.

Solche doppelgeschossigen Wohnungen (Ein-
familienhäuser) werden in entsprechender Zahl
an den Innengängen aneinandergereiht, um in be-
stimmten Längsabschnitten mit entsprechenden
Treppenhäusern verbunden zu sein. Schon eine
Längsanordnung von fünf solcher Wohnungen
nebeneinander und fünffacher Anordnung über-
einander ermöglicht die wirtschaftliche Anord-
nung von elektrischen Fahrstühlen.

Da weniger als fünf solcher Doppelgeschoß-
wohnungen übereinander nicht wirtschaftlich
sind, so ergibt sich eine fünfstöckige Bauart,
welche in ihrer einfamilienhausähnlichen Raum-
anordnung ein zehngeschossiges Gebäude er-
gibt, bei dem also die beiden obersten Wohnun-
gen höher liegen, als es sonst gewohnterweise
der Fall ist. Es kann aber keinem Zweifel unter-
liegen, daß eine solche Art des Wohnens in bes-
serer, staubfreierer Luft, besserer Besonnung,
ruhigerer Lage und mit größerem Fernblick schon
heute von vielen Familien ersehnt wird. Ich
selbst bekenne mich zu der Auffassung, daß das
Wohnen in dieser Höhe keinesfalls weniger na-
turgebunden und naturhaft ist als das Wohnen
in den tiefer gelegenen Geschossen, und ich bin
überzeugt, daß das Wohnen in solchen Wohnun-
gen und inmitten von großen Grün- und Park-
flächen als verbessertes Wohnen anzusehen ist,
besonders dann, wenn jeder Wohnung noch ein
genügender Freiraum in Form von Balkons,
Dachgärten und Wintergärten zugeteilt werden
kann.

Bei all diesem Streben nach Weiterentwick-
lung und Vervollkommnung der Wohnung kann
es sich heute nicht darum handeln, nur die eine
oder die andere Wohnform zu propagieren, viel-
mehr ergibt sich aus der Lebensart bestimmter
Familiengruppen, wann die eine oder die andere
Wohnart die gegebene ist.

Solcher berechtigten Entwicklung den Weg zu
versperren oder sie zu erschweren, wird niemand
verantworten können. Die vorgenannten Gründe
sind objektiv genug, um zu erkennen, daß es sich
hier um ein weiteres Teilproblem des Wohnens
im allgemeinen handelt. Die Frage des Wohnens
im höheren Hause ist aber um so aktueller zu
werten, als viele städtebaulichen Maßnahmen
falsch sein werden, solange auf eine so ein-

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