architektur gesprochen wird (in bezug auf den Dam-
merstock) im Gegensatz etwa zu einer plastischen
Ausdeutung der Gesamtanlage, so kann ich mich
des Eindrucks nicht erwehren, daß bei dieser Auf-
fassung Rudimente städtebaulicher oder künstle-
rischer Anschauungen mitspielen, die heute doch
wohl nicht mehr am Platze sind, wo es sich darum
handelt, im letzten Stadium einer ungeheuren Not
auf dem Gebiete des gesamten Bauwesens zu steu-
ern. Auch der Begriff des Kasernenmäßigen braucht
durchaus nicht abwegig zu sein, vielleicht wirkt bei
diesem Begriff das Unangenehme der großstädti-
schen Mietskasernen mit ihren früheren groben Un-
zulänglichkeiten mit. Wenn kasernenmäßig aber
lediglich eine ordnende Aneinanderreihung und eine
auch geometrische Vervielfältigung zur Erzielung
typisierter, billiger aber gesunder Wohnungen be-
deutet, so finde ich darin nichts Nachteiliges. Ob
eine Zeile gerade oder in einer Kurve verläuft, ist
schließlich gänzlich gleichgültig. Ästhetische Beden-
ken dieser Art enthalten keine kritisch fördernden
Momente. Auch eine individuelle Ausdeutung ein-
zelner Wohnungsgattungen nach Berufsarten gibt
es heute doch kaum mehr. Hierauf hat schon Osten-
dorf in seinen Baubüchern vor dem Kriege hinge-
wiesen. Auch schreibt De Fries am Schlüsse seiner
Arbeit ganz richtig, daß wir Wohnungen für Familien
und Menschen brauchen, wobei es ganz gleichgültig
ist, ob der Haushaltsvorstand Handwerker, kaufmän-
nischer Angestellter oder Beamter ist. Die Bedürf-
nisse innerhalb des Hauses bleiben dieselben. Eine
ganz dünne Oberschicht von vielleicht 1 v. H. oder
noch weniger besonders gearteter oder besonders
gehobener Berufe kann hier außer acht bleiben.
Über die Orientierung der Hauszeilen gehen die
Meinungen noch stark auseinander. Indessen ist
m. E. der Lageplan der Reichsheimsiedlung Düssel-
dorf-Gerresheim doch gerade ein Zeugnis für den
Zeilenbau Nord-Süd. Daß De Fries eine Ost-West-
Straße quer davor legt, ändert daran nichts, und sehr
viel tiefer als die Nord-Süd-Zeilen sind mit Aus-
nahme der Nordblöcke die Zeilen der Dammerstock-
siedlung auch nicht. Ob nun beim Dammerstock die
Durchwanderung der ost-westlichen Hauptaufschlies-
sungsstraße ein monotones Gefühl aufkommen läßt,
ist doch sehr von subjektiver Empfindung beeinflußt.
Ich habe sehr viele, namentlich einfache Besucher
durch die Siedlung geführt, welche den gegenteili-
gen Eindruck hatten. Gerade die ständig wech-
selnde perspektivische Wirkung der Häuserzeilen
bein Einblick von der Hauptverkehrsstraße in die
Wohnwege ist außerordentlich abwechslungsreich
und alles andere als eintönig, insbesondere im Zusam-
menhang mit der südwärts offen gelegenen Berg-
landschaft, die durch die jetzige Anordnung
der Sicht immer offen steht, während
sie bei Straßenrandbebauung vollkom-
men verstellt wäre. Sicher kann die Nord-
Süd-Zeile als apodiktische Form nicht bewertet wer-
den und De Fries hat recht, wenn er der Südseite
erhöhten Wert beimessen will. Ich verweise hier auf
einen ausführlichen Briefwechsel, den ich in dieser
Sache mit Otto Haesler hatte und der seinerzeit
teilweise in ,,Stein-Holz-Eisen" publiziert wurde. Ich
halte auch in unserem Klima die Südsonne für die
einflußreichste, und die Möglichkeit, Grundrißtypen
zu suchen, bei welchen die Hauptwohnzimmer und
Kinderzimmer nach Süden geöffnet sind, kann in
keiner Weise bestritten werden. Trotzdem ist bei
Siedlungen für Kleinwohnungen die Nord-Süd-Seite
mit Ost-West-Besonnung bei den heutigen Grund-
stücksverhältnissen wohl vorzuziehen. Erstens we-
gen der Durchlüftung, zweitens wegen der Durch-
wärmung des Mauerwerks mit Sonne und der Ver-
meidung von Nordwänden und Nordzimmern. Beim
2-Zimmer-Typ (Geschoßwohnung) lassen sich Küche
und Nebenraum nach Norden verlegen, obwohl auch
die Küche (gerade nach De Fries) zum Wohnraum wer-
den kann und somit als sonnenloser Nordraum große
Bedenken mit sich bringt. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß nach Norden gelegene Wohnräume die
Gesundheit der Menschen in einer Weise beeinflus-
sen, die statistisch mit Krankenkassenzahlen zu er-
fassen ist. Eine Bemerkung möchte ich noch an-
knüpfen an die von De Fries gezeichneten Grund-
risse. Er verteilt seinen 4-räumigen Typ A auf drei
Stockwerke. Ich möchte die Frage nun offen lassen,
was richtiger ist: in einer Zeit, in der man durch
äußerst ausgeklügelte Grundrisse die Arbeit der
Hausfrau auf ein Minimum reduzieren will, bei einer
auf drei Stockwerke verteilten Wohnung durch das
häufige Treppensteigen den physischen Kräftever-
brauch der Hausfrau außerordentlich zu steigern,
zugunsten einer offenen Bauweise oder aber in
geschlossener (kasernenmäßiger) Bauweise durch
rationelle Ausnützung Wohnungen zu schaffen, die
auf ein oder höchstens zwei Stockwerke verteilt
sind und so ganz zweifellos die funktionelle Arbeit
des Haushaltes wesentlich verringern und Kräfte
für andere Zwecke frei machen. Ich habe selbst
wiederholt erlebt, daß in Siedlungshäusern, die über
drei Stockwerke gehen, die Hausfrau stöhnte: Wenn
nur die vielen Treppen nicht wären.
Ich brauche nicht zu erwähnen, daß mir eine Pole-
mik gegen die mehrfach angeführten Autoren gänz-
lich fernlag, daß auch eine Verteidigung des Dam-
merstocks nicht notwendig ist. indessen dürfte es
für die Entwicklung unserer brennendsten Zeitfragen
von Förderung sein, wenn die wenigen Kräfte, die
einer gemeinsamen neuen Zielrichtung entgegen-
streben, durch gegenseitige Anregung der Entwick-
lung dienen. Für jede Siedlung ist der letzte und
schwierigste Prüfstein die Wohnlichkeit. An diesem
Maßstab gemessen, kann der Dammerstock sehr
wohl in Ehren bestehen, da mit geringen Ausnahmen
die dort wohnenden Mieter ihr neues Heim als einen
sehr großen, gesunden und naturgemäßen Fortschritt
gegen frühere Wohnungen betrachten und auf Be-
fragen gerne zugeben, daß sie sich in der Siedlung
sehr wohlfühlen.
Problematik des Städtebaues
Walter Schwagenscheidt
Zu den Aufsätzen von Adolf Behne in Heft 6 und
von H. de Fries in Heft 7 der „Form" möchte ich mir
einige Bemerkungen erlauben.
Mit den größten Erwartungen bin ich nach Karls-
ruhe und Kassel gefahren, um die letzte Errungen-
schaft auf dem Gebiete der Baukunst, den Zeilenbau,
zu erleben.
So wie ich haben mir bekannte Fachleute und
Laien, deren Urteil mir wichtig ist, ein Gefühl der
Leere mit nach Hause gebracht, alle hatten die
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merstock) im Gegensatz etwa zu einer plastischen
Ausdeutung der Gesamtanlage, so kann ich mich
des Eindrucks nicht erwehren, daß bei dieser Auf-
fassung Rudimente städtebaulicher oder künstle-
rischer Anschauungen mitspielen, die heute doch
wohl nicht mehr am Platze sind, wo es sich darum
handelt, im letzten Stadium einer ungeheuren Not
auf dem Gebiete des gesamten Bauwesens zu steu-
ern. Auch der Begriff des Kasernenmäßigen braucht
durchaus nicht abwegig zu sein, vielleicht wirkt bei
diesem Begriff das Unangenehme der großstädti-
schen Mietskasernen mit ihren früheren groben Un-
zulänglichkeiten mit. Wenn kasernenmäßig aber
lediglich eine ordnende Aneinanderreihung und eine
auch geometrische Vervielfältigung zur Erzielung
typisierter, billiger aber gesunder Wohnungen be-
deutet, so finde ich darin nichts Nachteiliges. Ob
eine Zeile gerade oder in einer Kurve verläuft, ist
schließlich gänzlich gleichgültig. Ästhetische Beden-
ken dieser Art enthalten keine kritisch fördernden
Momente. Auch eine individuelle Ausdeutung ein-
zelner Wohnungsgattungen nach Berufsarten gibt
es heute doch kaum mehr. Hierauf hat schon Osten-
dorf in seinen Baubüchern vor dem Kriege hinge-
wiesen. Auch schreibt De Fries am Schlüsse seiner
Arbeit ganz richtig, daß wir Wohnungen für Familien
und Menschen brauchen, wobei es ganz gleichgültig
ist, ob der Haushaltsvorstand Handwerker, kaufmän-
nischer Angestellter oder Beamter ist. Die Bedürf-
nisse innerhalb des Hauses bleiben dieselben. Eine
ganz dünne Oberschicht von vielleicht 1 v. H. oder
noch weniger besonders gearteter oder besonders
gehobener Berufe kann hier außer acht bleiben.
Über die Orientierung der Hauszeilen gehen die
Meinungen noch stark auseinander. Indessen ist
m. E. der Lageplan der Reichsheimsiedlung Düssel-
dorf-Gerresheim doch gerade ein Zeugnis für den
Zeilenbau Nord-Süd. Daß De Fries eine Ost-West-
Straße quer davor legt, ändert daran nichts, und sehr
viel tiefer als die Nord-Süd-Zeilen sind mit Aus-
nahme der Nordblöcke die Zeilen der Dammerstock-
siedlung auch nicht. Ob nun beim Dammerstock die
Durchwanderung der ost-westlichen Hauptaufschlies-
sungsstraße ein monotones Gefühl aufkommen läßt,
ist doch sehr von subjektiver Empfindung beeinflußt.
Ich habe sehr viele, namentlich einfache Besucher
durch die Siedlung geführt, welche den gegenteili-
gen Eindruck hatten. Gerade die ständig wech-
selnde perspektivische Wirkung der Häuserzeilen
bein Einblick von der Hauptverkehrsstraße in die
Wohnwege ist außerordentlich abwechslungsreich
und alles andere als eintönig, insbesondere im Zusam-
menhang mit der südwärts offen gelegenen Berg-
landschaft, die durch die jetzige Anordnung
der Sicht immer offen steht, während
sie bei Straßenrandbebauung vollkom-
men verstellt wäre. Sicher kann die Nord-
Süd-Zeile als apodiktische Form nicht bewertet wer-
den und De Fries hat recht, wenn er der Südseite
erhöhten Wert beimessen will. Ich verweise hier auf
einen ausführlichen Briefwechsel, den ich in dieser
Sache mit Otto Haesler hatte und der seinerzeit
teilweise in ,,Stein-Holz-Eisen" publiziert wurde. Ich
halte auch in unserem Klima die Südsonne für die
einflußreichste, und die Möglichkeit, Grundrißtypen
zu suchen, bei welchen die Hauptwohnzimmer und
Kinderzimmer nach Süden geöffnet sind, kann in
keiner Weise bestritten werden. Trotzdem ist bei
Siedlungen für Kleinwohnungen die Nord-Süd-Seite
mit Ost-West-Besonnung bei den heutigen Grund-
stücksverhältnissen wohl vorzuziehen. Erstens we-
gen der Durchlüftung, zweitens wegen der Durch-
wärmung des Mauerwerks mit Sonne und der Ver-
meidung von Nordwänden und Nordzimmern. Beim
2-Zimmer-Typ (Geschoßwohnung) lassen sich Küche
und Nebenraum nach Norden verlegen, obwohl auch
die Küche (gerade nach De Fries) zum Wohnraum wer-
den kann und somit als sonnenloser Nordraum große
Bedenken mit sich bringt. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß nach Norden gelegene Wohnräume die
Gesundheit der Menschen in einer Weise beeinflus-
sen, die statistisch mit Krankenkassenzahlen zu er-
fassen ist. Eine Bemerkung möchte ich noch an-
knüpfen an die von De Fries gezeichneten Grund-
risse. Er verteilt seinen 4-räumigen Typ A auf drei
Stockwerke. Ich möchte die Frage nun offen lassen,
was richtiger ist: in einer Zeit, in der man durch
äußerst ausgeklügelte Grundrisse die Arbeit der
Hausfrau auf ein Minimum reduzieren will, bei einer
auf drei Stockwerke verteilten Wohnung durch das
häufige Treppensteigen den physischen Kräftever-
brauch der Hausfrau außerordentlich zu steigern,
zugunsten einer offenen Bauweise oder aber in
geschlossener (kasernenmäßiger) Bauweise durch
rationelle Ausnützung Wohnungen zu schaffen, die
auf ein oder höchstens zwei Stockwerke verteilt
sind und so ganz zweifellos die funktionelle Arbeit
des Haushaltes wesentlich verringern und Kräfte
für andere Zwecke frei machen. Ich habe selbst
wiederholt erlebt, daß in Siedlungshäusern, die über
drei Stockwerke gehen, die Hausfrau stöhnte: Wenn
nur die vielen Treppen nicht wären.
Ich brauche nicht zu erwähnen, daß mir eine Pole-
mik gegen die mehrfach angeführten Autoren gänz-
lich fernlag, daß auch eine Verteidigung des Dam-
merstocks nicht notwendig ist. indessen dürfte es
für die Entwicklung unserer brennendsten Zeitfragen
von Förderung sein, wenn die wenigen Kräfte, die
einer gemeinsamen neuen Zielrichtung entgegen-
streben, durch gegenseitige Anregung der Entwick-
lung dienen. Für jede Siedlung ist der letzte und
schwierigste Prüfstein die Wohnlichkeit. An diesem
Maßstab gemessen, kann der Dammerstock sehr
wohl in Ehren bestehen, da mit geringen Ausnahmen
die dort wohnenden Mieter ihr neues Heim als einen
sehr großen, gesunden und naturgemäßen Fortschritt
gegen frühere Wohnungen betrachten und auf Be-
fragen gerne zugeben, daß sie sich in der Siedlung
sehr wohlfühlen.
Problematik des Städtebaues
Walter Schwagenscheidt
Zu den Aufsätzen von Adolf Behne in Heft 6 und
von H. de Fries in Heft 7 der „Form" möchte ich mir
einige Bemerkungen erlauben.
Mit den größten Erwartungen bin ich nach Karls-
ruhe und Kassel gefahren, um die letzte Errungen-
schaft auf dem Gebiete der Baukunst, den Zeilenbau,
zu erleben.
So wie ich haben mir bekannte Fachleute und
Laien, deren Urteil mir wichtig ist, ein Gefühl der
Leere mit nach Hause gebracht, alle hatten die
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