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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Blochwitz, Arthur: Neues Bauen und Wohnen als Arbeitsgebiete der Volksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0334

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gungen am neuen Bauen und Wohnen interessiert
und es ist möglich, über sie viele Menschen an diese
Dinge heranzuführen.

Als Zweites geht es um die Mobilmachung der
Produzenten und vor allen Dingen des Handels. Der
in Frage kommende Einzelhandel, Konsumvereine,
Kaufhäuser sind aufklärend und werbend mit den Er-
zeugnissen moderner Gestaltung vertraut zu machen.
Da der „Dienst am Kunden" meist durch die Ver-
käufer ausgeübt wird, wären für Verkäufer der
Warenhäuser und Konsumvereine Schulungskurse
einzurichten, um sie auch für die Beratung der Kun-
den in zeitgemäßem Sinne tauglich zu machen.
Uberhaupt ist die „Kundenberatung" in künstleri-
scher Hinsicht noch ein finsteres Kapitel unserer
großen Verkaufsorganisationen.

Als drittes und außerordentlich wichtiges Gebiet
ist die Arbeit an den Schulen und Universitäten zu
nennen. Diese Aufklärungsarbeit kann nur über die
Lehrer gehen und es muß leider gesagt werden, daß
sie noch reichlich notwendig ist. An jeder Universi-
tät sitzen Kunsthistoriker und versuchen mit unserer
großen baukünstlerischen Vergangenheit vertraut zu
machen. Dazu ist zu sagen, daß dies bestimmt wert-
volle Erbauungsdinge und manchmal mehr sind, aber
es ist wichtiger, zu den für uns viel größeren ge-
stalterischen Aufgaben der Gegenwart ein lebendi-
ges Verhältnis herzustellen. Dazu gehören freilich
Führer, denen die Zukunft mehr am Herzen liegt als
die Vergangenheit.

Es könnte eine sehr wichtige Aufgabe unserer be-
rufenen Organisationen sein, in den Reihen der deut-
schen Lehrerschaft Verständnis und Teilnahme für
diese Dinge zu erwecken. Als vorläufige Ergebnisse
einer solchen Zusammenarbeit könnte ich mir etwa
folgendes denken:

1. Vorträge und Kurse für die Lehrerschaft.

2. Zur Vertiefung entsprechende Besichtigungen.

3. Auslage einer geeigneten Zeitschrift dieser Ge-
biete in den Lehrerzimmern der größeren
Schulen.

4. Aufhängen geeigneter Bilder in den Schulen als
Anschauungsmaterial.

5. Für den Zeichenunterricht als Modelle und in
einigen anderen Fächern als Anschauungsge-
biet sorgfältige Auswahl neuer Werke gestalten-
der Arbeit. Besonders ist darauf zu achten, daß

beim Werkunterricht in Schulen und Kinderhor-
ten der übliche Kitsch verschwindet (bei Laub-
säge-, Kleb- und Faltarbeiten) und eine klare
Färb- und Formschulung der Lehrkräfte sich
überall durchsetzt.

6. Bei der Bearbeitung neuer Lehrbücher Auf-
nahme guter Abbildungen in Anlehnung an den
Stoff.

Diese Dinge wären bei den Lehrerorganisationen
wie bei den zuständigen Schulbehörden anzuregen
und zu betreiben. Abschließend sei noch auf die
Büchereiarbeit hingewiesen. Als praktisches Bei-
spiel sei der neue Katalog der „Städtischen Bücher-
hallen zu Leipzig" genannt, herausgegeben mit der
„Deutschen Zentralstelle für volkstümliches Büche-
reiwesen": „Die Kunst unserer Zeit." Die Heraus-
geber wollen damit nicht zusammenfassen, was in
unserer Zeit auf den verschiedenen künstlerischen
Gebieten überhaupt produziert wird, sondern es soll
die Kunst erfaßt werden, „die aus der eigentüm-
lichen inneren und äußeren Verfassung unserer Zeit
hervorwächst und die dann als eine selbständige
Macht formend auf unsere Zeit zurückwirkt". Der
erste Hauptabschnitt „Die bildende Kunst unserer
Zeit" gliedert sich in die Untergruppen: Architektur,
Malerei, Grafik, Plastik, Foto und Film, Bühne und
Tanz.

In diesen Abschnitten ist mit einem feinen In-
stinkt für das Wesentliche eine mustergültige Zu-
sammenstellung erfolgt und der Leserschaft zugäng-
lich gemacht. Der Katalog ist meines Wissens die
erste systematische Darstellung der wertvollen
Publikationen dieser Gebiete, jeder Buchankündi-
gung ist eine kurze Charakteristik beigegeben, die
dem Fachmann wie dem Laien ein unentbehrlicher
Wegweiser durch die Bücherfront des neuen Bau-
schaffens ist. Das darin enthaltene Material unter
Beachtung vielleicht notwendiger Kritik dem einzel-
nen gegenüber den weitesten Kreisen unseres Vol-
kes zugänglich zu machen, ist nicht nur Aufgabe die-
ses Kataloges, sondern auch unsere Aufgabe.

Wenn die moderne gestaltete Arbeit maschinen-
mäßigen und handwerklichen Ursprungs das Stil-
chaos ganz ablösen soll, um der selbstverständliche,
natürliche Ausdruck der modernen Menschen zu
werden, dann sind die angezeigten Wege der Beach-
tung und der Bearbeitung wert. Diesen symbolhaft
zu nehmenden Dingen wohnt doch eine tiefere sug-
gestive Kraft inne, als wir meist glauben.

Das nächste Heft der „Form", Heft 11 vom 1. Juni,
ist als Sonderheft der Werkbund-Abteilung auf der
Ausstellung der Societe des Artistes Decorateurs
gewidmet. Es erscheint in stärkerem Umfang und
dreisprachig mit Beiträgen von ausländischen und
deutschen Mitarbeitern.

Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:

Dr Ludwig Grote, Landeskonservator für Anhalt, Dessau, Landes-
benordenhaus 1

Professor Axel Romdahl, Gotenburg (Schweden)

Dr Justus Bier, Leiter der Kestner-Gesellschaft, Hannover,
Konigstr. 8

Architekt Arthur Blochwitz, Leipzig W31, Zschochersche Str. 41 a

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