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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Morgenstern, Soma: Die Ausstellung des österreichischen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0392

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verführt, legt die Objekte dar, ohne sie vor-
zustellen. Was geboten wird, wird nicht sensa-
tionell aufgemacht, sondern reell der Einsicht er-
öffnet. Keine verwirrende Überfülle, bis knapp
vor der Gefahr allzu durchsichtiger Kargheit in
den großen Mittelräumen. Diese reihen anein-
ander: einen Hallenraum mit acht Vitrinen,
Schaufenstern mit Mode- und Sportartikeln Wie-
ner Firmen, ein Kaffeehaus, eine Kaffeehaus-
terrasse, die zum ungedeckten Teil der Ausstei-
lung führt, zur Gartenanlage. Die großen Mittel-
räume umrandet eine Reihe von kleineren Ob-
jekten. Ein Teesalon von Josef Frank, eine
Hotelhalle von Walter Sobotka, ein Verkaufsraum
von Oskar Strnad, ein Schönheitssalon von E. J.
Wimmer, ein Verkaufsraum der Tabakregie von
Oswald Haerdtl, eine Expressostube von Karl
Hoffmann und Felix Augenfeld, eine Feinkost-
handlung von Franz Kuhn, ein Vorführungsraum
für Mode von Alfred Soulek, ein Laden für Musik-
instrumente von Ernst Lichtblau, eine Bar von
Strnad und anderes. Im Garten: eine große In-
dustriehalle mit Metallwaren, Apparaten, Möbeln,
Korbwaren, Beleuchtungskörpern und anderen
Erzeugnissen der Industrie in etwa dreißig Vitri-
nen. Entwurf von Oswald Haerdtl, von dem
auch das hübsche Wasserbecken mit Spring-
brunnen und Garten zu sehen ist. Um den Gar-
ten herum Pavillons, Läden und Gaststätten: ein
Weinhaus von Clemens Holzmeister, eine Art
Holzbude, die hier sehr befremdend einladet
und schon selbst aus dem Rahmen fällt.

Übersicht.

Auch in Ausstellungen ist es von Nutzen,
sich nach dem Publikum umzusehen, nach dem
Interesse des Beschauers sich zu wenden. Denn
eine Ausstellung des Werkbundes darf keine
Angelegenheit des abseitig orientierten Ge-
schmacks sein, des Feinkennertums, das sich
selbst genügt. In die Art, wie sich die Masse der
Beschauer vor den Objekten beträgt, ist Einsicht
zu nehmen und darüber Bericht zu geben.

Der Besucher findet leicht den guten, frucht-
baren, schöpferischen Sinn der Ausstellung. Es
gibt eine ganze Reihe von Objekten, die dem
Nährboden einer sehr eigenen Realität ent-
wachsen sind, und ohne abwegige Wirkung zu
suchen, realen Zwecken neue mustergültige For-
men erfüllen. Der Verkaufsraum von Strnad,
Gläser der Firma Lobmeyr nach neuen Entwür-
fen, jedes Stück in originell installierter indirek-
ter Beleuchtung: ein Raum wahrhaft im besten
Sinn des Wortes moderner Magie. Der Schön-
heitssalon von Wimmer: nobel, nicht ohne ge-
suchte Exklusivität des Luxuriösen. Die Hotel-

halle von Sobotka, eine Musterkomposition des
wahren Komforts ohne Prahlerei. Haerdtls
Warenschau der Tabakregie, ein Raum von heite-
rer unbeschwerter Zweckbedachtheit. Es gibt
noch viele Glanzpunkte der Ausstellung, die einer
Würdigung wert sind und auch eifrig diskutiert
werden. In einer selbstverständlichen Vollkom-
menheit, in solenner Formeinheit spricht der
Teesalon von Frank an. Farbe an Farbe, zart und
leicht erzeugt hier eine reinliche Atmosphäre der
geselligen Serenität, die alles neusachliche
Getue auslöscht und gleichsam einen neu-huma-
nen Stil in sich begründet.

Kurzum, auch deraufs Exemplarische bedachte
Späher kommt in den Nebenräumen der Ausstel-
lung auf seine Kosten. Und vergißt bald sogar
die schwere Bedenklichkeit, die ihn etwa vor
einigen Vitrinen des Kunstgewerbes überwältigt
haben mochte. Schwer verspieltes Kunstge-
werbe! .... Wo kann es heute noch gedeihen?
Wo konnte es überhaupt je gedeihen? Doch nur
dort, wo der Nährboden steril geworden ist. Doch
nur dort, wo die Doktrinen gedeihen. Ein gutes Zei-
chen also, daß der Weg dieser Verspieltheit, dem
ja auch anderswo jede Realität mangelt, bei uns
ganz deutlich als Irrweg erkenntlich wird. Bei
uns gedeihen ja auch die Doktrinen nur schwer.
Die Untergründe sind zu gesund.

In F r e i I u f t.

Von der Terrasse des Kaffeehauses, die —
wie Mittelräume und Kaffeehaus — von Josef
Hoffmann gebaut ist, bewundert man wieder und
erst recht die Vorzüge des Gesamtplans: die
Gartenanlage, die luftigen Kompositionen aus
Stahl und Glas: den Fremdenverkehrspavillon
von Ernst Lichtblau und die Industriehalle von
Haerdtl, dem hervorragenden Architekten der
jungen Generation. Dann sitzt man auf der
schönen Kaffeeterrasse, erfreut sich des netten
Betriebes und bedauert bloß, daß man sitzend
den Garten nicht recht übersehen kann. Ein
bißchen verbaut. Leider. Denn in Freiluft betont
ja bloß die Lunge: Luft! Das Auge: Freiheit.
Ein kleiner Schönheitsfehler.

Und die soziale Seite der Ausstellung? Man
darf ihr zugute halten, daß sie bloß die halbe Ar-
beit der Veranstaltung zeigen konnte. Die ge-
plante Siedlung mußte ja, wie man weiß, aus bau-
behördlichen Gründen für einen späteren Termin
verlegt werden.

Der Österreichische Werkbund müßte sich
immer wieder ohne zu lange Ruhepausen Größe-
res aufgeben. Seine Möglichkeiten sind der
Reihe seiner Begabungen und Aufgaben gemäß
enorm.

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