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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Riezler, Walter: "Völkerkunde"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0456

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reits der zwanzigjährige Goethe aus einem ganz
anderen Weltbild heraus genialisch intuitiv die
hier verborgenen schöpferischen Kräfte er-
kannte: „So modelt der Wilde mit abenteuer-
lichen Zügen, gräßlichen Gestalten, hohen Far-
ben seine Kokos, seine Federn und seinen Kör-
per. Und laßt diese Bildnerei aus den willkürlich-
sten Formen bestehen, sie wird ohne Gestaltver-
hältnis zusammenstimmen, denn eine Empfin-
dung schuf sie zum charakteristischen Ganzen."

Darin besteht das wahrhaft Epochale des
Münchner Museums für Völkerkunde, das man
diesem neuen Verhältnis zur Welt der Primitiven
hier zum erstenmal musealen Ausdruck verlieh.
Der Neuordnung des Berliner Völkerkundemuse-
ums, die in manchen von ähnlichen Gesichts-
punkten ausging, mangelt noch die letzte Kon-
sequenz. Erst in München gelang es, die unge-
heure Fülle der Objekte so zu gliedern und „zur
Schau zu stellen", daß jedes einzelne Stück in
seiner lebendigen bildnerischen Kraft zur Gel-
tung kommt. Hierbei ist nicht wesentlich, daß hie
und da der „künstlerische" Gesichtspunkt zu

stark betont wird — wenn etwa auf einer Wand
die verschieden geformten Pflüge zu einem aller-
dings sehr eindrucksvollen Ornament zusammen
geordnet sind. Es mag hierdurch gelingen, die
Aufmerksamkeit des Beschauers auf die sonst
unscheinbaren, leicht zu übersehenden Objekte
zu lenken — ganz ungefährlich ist der Weg nicht;
er führt leicht zurück zu einer „dekorativen"
Auffassung des Musealen, die man überwunden
glaubte.

Zu denken gibt, wie bei dieser Aufstellung das
in den alten Völkerkundemuseen stets peinlich
empfundene Nebeneinander der Denkmäler „pri-
mitiven" Menschentums und der asiatischen Hoch-
kulturen anregend und erhellend wirkt. Früher
geschah es höchstens, daß durch das Nebenein-
ander auch das Ostasiatische als Kuriosität
wirkte: nun spricht das rein Bildnerische an den
Werken der Primitiven so stark, daß man jene
durch alles echte Menschenwerk gehende Ein-
heit der gestaltenden Kraft, von der der. junge
Goethe ergriffen war, auf das Eindringlichste
erlebt. W. R.

Einblick in den Saal für das Kunst-
handwerk von Birma und Siam.
Erlesene Dinge in vornehmen,
streng gereihten Vitrinen

Vue de la salle reservee ä l'artisanat
artistique de la Birmanie et du Siam.
Objets de choix etales dans des vitrines
elegantes auxquelles a preside un
arrangement rigoureux

View of the room containing art and
handicraft from Burma and Siam.
Costly objects displayed in refined,
strictly ordered cases

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