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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Schmidt, Walther: Das Museum für Völkerkunde in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0458

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ner) enthält außer den Gegenständen einfachen
Gebrauchs auch Kunstwerke bis zu den erlesen-
sten. Es ist auch richtig, die Kunstwerke aus
dem Kreis des Völkerkundemuseums nicht abzu-
spalten, denn nichts wird über viele völkerkund-
liche Gebiete besser Zeugnis ablegen als das
Kunstwerk. Zudem ist es meistens kaum mög-
lich, zwischen Kunstwerk und Gegenstand, dem
man diese Bezeichnung nicht zuerkennen will,
eine Grenze zu ziehen: jeder Gegenstand trägt
in sich etwas vom ordnenden Menschengeist und
enthält damit Werte, die reinen Kunstwerken we-
nigstens nahestehen, und auch das reine Kunst-
werk ist oft so frei von jedem artistischen Selbst-
zweck, daß es gewaltsam wäre, es aus seinem
natürlichen Zusammenhang, der Hierarchie
menschlicher Produktion, zu reißen. Die Gegen-
stände einer völkerkundlichen Sammlung, sach-
lich denkbar verschieden, sind auch denkbar ver-
schieden im Material — Gewebe, Dinge aus Holz,
Stein, Ton, Eisen, Bronze, Edelmetall —, ver-
schieden in Größe und Maßstäben. Im idealen
Fall die ganze Skala menschlicher Schöpfung
auf engstem Raum. Im konkreten Fall eine

höchst lückenhafte Skala, wie sie sich eben aus
den hier geschlossenen, dort lockeren Museums-
beständen ergibt.

Eine Sammlung, die nur Kunstwerke enthält,
eine naturwissenschaftliche oder technische
Sammlung hat demgegenüber ein im allgemeinen
homogenes Sammlungsgut, das in seinen histori-
schen, regionalen, sachlichen oder qualitativen
Unterschieden die Fingerzeige zu klarer Anord-
nung trägt. Vor allem aber wendet sich ein sol-
ches Museum an einen homogenen Besucher-
kreis; eine Gemäldegalerie hat es nicht nötig,
mit anderen Besuchern zu rechnen als mit sol-
chen, die auf Kunstwerte eingestellt sind, eine
naturwissenschaftliche Sammlung wird nur Be-
sucher bedenken, die sich in einer bestimmten
Richtung unterrichten wollen.

Anders bei einem Museum für Völkerkunde. Hier,
kommt der Gelehrte, der studieren will: ein Volk,
eine Technik, eine Produktion. Es kommen die
Künstler und der künstlerisch Eingestellte, die
Kunstwerte aufnehmen wollen. Es kommen
schließlich — und zwar in der großen Überzahl —
der Gebildete und der Mann aus dem Volke mit

Religiöse Plastik aus Hinterindien. Gegenüber dieser strengen Formenwelt aus Stein und Bronze stehen im selben Raum
flimmernd bewegte Plastiken, Altäre, Aufbauten aus Holz und Lack, durch ausgewogene Aufstellung und durch das Weinrot
der Wände zur Einheit zusammengebunden

Plastique religieuse de l'lnde transgangetique. Le monde de formes rigides de pierre et de bronze contraste puissamment aveo les plastiques,
les autels, les constructions de bois et de laque places, en face, dans la meme Salle et qui se caracterisent par l'extreme animation et par
leur scintillement prestigieux. La facon equilibree dont ces objets sont exposes et la couleur rouge-vin des parois donnent ä l'ensemble
une harmonieuse unite

Plastic religious art from Lower India. As a contrast to this world of severe form in stone and bronze, plastic figures of an almost
fluttering mutability have been plaoed in the same room, altars, structures made of wood and enamel, held together by the plan of exhibit
and by the background of wine-red walls

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