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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Schwab, Alexander: Baupolitik und Bauwirtschaft, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0546

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außerdem eine normale Rente für den Besitzer
sichert. Das setzt u. a. voraus, daß eine größere
Anzahl von Wohnungen gemeinsam einem einzigen
Besitzer zinspflichtig sind, weil nur so eine Ver-
teilung und auch eine gewisse Mischung des Risikos
möglich ist, durch die einzelne Mietsausfälle tragbar
werden. Je mehr Parteien in einem Haus, desto stär-
ker die Risikoverteilung, desto geringer die Gefahr
eines Totalausfalls.

Hier berührt sich die Frage ganz nah mit Form-
problemen. Man sieht, wie die private Finanzierung
eng verbunden ist mit der Form des großen Miets-
hauses, um nicht zu sagen mit der Mietskaserne.
Wird es aber möglich sein, das mehrstöckige Haus
mit 10 oder 20 Wohnungen so im Kostenpreis zu
senken, wie es nach der allgemeinen Erkenntnis der
letzten Zeit nötig sein wird? Vorläufig spricht alle
Wahrscheinlichkeit dagegen. Schon die Notwendig-
keit der tieferen und stärkeren Fundamentierung
spricht sehr dagegen. Ganz abgesehen davon, daß
unser hygienisches Gewissen (mit Einschluß der psy-
chischen Hygiene) die enge Zusammendrängung, die
gerade für billige und kleine Wohnungen nötig würde,
mit Nachdruck ablehnt.

Der billige Mietspreis, den schon die heutige Lohn-
höhe — und vermutlich erst recht die von morgen —
verlangt, ist mit größter Wahrscheinlichkeit nur
durch leichte, halb unterkellerte Häuschen zu errei-
chen. Sie können trotzdem sehr gut sein — aber
wer wird sie beleihen wollen? (Es sei denn zum rei-
nen Bodenwert.) Um eine Risikoverteilung zu errei-
chen, müßte dann schon immer eine ganze Sied-
lung beliehen werden, wie dies ja heute auch bei den
Siedlungen der Wohnungsfürsorgegesellschaften ge-
schieht. Man muß sich wohl schon einen ganz außer-
ordentlichen Überfluß, einen für Jahrzehnte völlig
unwahrscheinlichen Überfluß an Anlagekapital vor-
stellen, wenn man annehmen will, daß das private
Kapital sich solche leicht gebauten, billigen Arbei-
tersiedlungen als Anlage aussuchen würde. Noch
weit unwahrscheinlicher wird eine solche Vorstel-
lung, wenn man sich klarmacht, daß ein hoher Grad
von Arbeitslosigkeit noch für Jahre als Dauerzu-
stand bleiben wird, und wenn man weiß, daß die
Schwankungen der Konjunktur und des Arbeitsmark-
tes die Tendenz haben, immer kürzer und heftiger
zu werden.

Man kann gewiß sagen, das Risiko des Mietsein-
ganges werde verringert durch die Fürsorgepflicht
der Gemeinden. Aber wer kennt die Zukunft dieser
Einrichtung für die nächsten zehn Jahre? Welche
Hypothekenbank wird sich nach der Beleihung von
Objekten drängen, deren Garant gleich hinter dem
Mieter das Wohlfahrtsamt ist? Kein Mensch kann
erwarten, daß unter diesen Umständen das private
Anlagekapital bereit ist, in wesentliche Änderungen
der geltenden Beleihungsvorschriften zu willigen:
diese Vorschriften aber einzuhalten und dabei Arbei-
terwohnungen zu 35 Mark Monatsmiete herzustel-
len, wird bis auf weiteres kaum gelingen.

öffentliche Finanzierung.

Es wird also dabei bleiben, daß bis auf weiteres
die Finanzierung gerade des Arbeiterwohnungs-
baues aus öffentlichen Mitteln nötig bleibt. Dann
aber fällt im Interesse einer sparsamen Bewirtschaf-
tung der öffentlichen Mittel auf die zuständigen

Stellen auch ein ganz anderes Maß von Verantwor-
tung als bisher, wie es scheint, begriffen worden ist.
Wie will man es z. B. rechtfertigen, daß die Woh-
nungsfürsorgegesellschaften z. T. noch immer Vor-
schriften für die bauliche Ausstattung erlassen, die
starr und schematisch an früheren Baumethoden
festhalten und unnötige Verteuerung verursachen?
Wie kommt es, daß an Hauszinssteuerbauten viel-
fach von Leuten verdient wird, die mit der produk-
tiven Arbeit nichts zu tun haben? Wie kommt es,
daß eine auf Verbilligung gerichtete Mitarbeit von
Architekten, insbesondere bei der Auswahl der Lie-
feranten, vielfach scharf abgelehnt und unterbunden
wird?

Baustoffpreise.

Man könnte fortfahren und z. B. fragen: wie steht
es mit den Baustoffpreisen? Anlaß dazu wäre ge-
geben. Der Baustoffindex im Juni betrug (1913
= 100) 153,2; daß er bis Mitte Juli auf 147,9 her-
untergegangen ist — nun, das ist eine Differenz,
die heute niemand interessieren kann. Ziegelsteine
standen im Juni mit 201,4 an der Spitze aller Groß-
handelspreise überhaupt, in einem Bausommer, wie
wir ihn so schlecht noch nie hatten. Wie ist das
möglich? Der Reichswirtschaftsrat hat sich hierzu
nicht geäußert; er hat überhaupt im Grunde kaum
etwas anderes getan als Fragen formuliert. So
hört man, daß der Baukostenindex nachgeprüft und
wenn nötig, reformiert werden soll; kein Wort gegen
wissenschaftliche Gründlichkeit — aber ist der
Reichswirtschaftsrat eine Akademie? und wozu gibt
es die Reichsforschungsgesellschaft?

Freie oder Planwirtschaft?

Eine Antwort hat der Reichswirtschaftsrat aller-
dings doch gegeben. Und zwar hat er dabei plötz-
lich eine Courage entwickelt, die durchaus geeignet
ist, seinen eigenen Mitgliedern bei nachträglicher
ruhiger Überlegung etwas Angst zu machen. Er hat
nämlich eine reichsgesetzliche Planwirtschaft auf
längere Zeit gefordert. Damit ist aber ein Kern-
problem angerührt: in unsere Wirtschaft, die grund-
sätzlich auf die freie Unternehmertätigkeit gestellt
ist, sind einzelne Bezirke einer grundsätzlich ande-
ren Wirtschaftsweise, nämlich einer Planwirtschaft,
eingesprengt, und der wichtigste dieser Bezirke ist
der Wohnungsbau. Diese Mischung von grundsätz-
lich einander fremden Wirtschaftsformen aber er-
gibt gefährliche Spannungen und Krankheitserschei-
nungen. Sie ist die eigentliche Ursache von vielen
Schwierigkeiten, mit denen wir uns herumschlagen.
Die historische Entscheidung der nächsten Jahr-
zehnte, vielleicht schon der nächsten Jahre, wird
darüber zu fällen sein, ob die freie Unternehmer-
tätigkeit und damit die automatische Selbststeue-
rung der Wirtschaft wieder voll hergestellt wird,
oder ob ein Umbau des ganzen Wirtschaftskörpers
in der Richtung der Planwirtschaft erfolgt. Inzwi-
schen wird alles andere, was geschieht, notwendig
provisorisch bleiben: womit nicht gesagt sein soll,
daß es unnötig wäre.

Mitarbeiter dieses Heftes:

Hans Bartning, Stockholm. Architekt
Dr. Walther Karbe, Jena

Frau Dr. Fink, Frankfurt a. M. Praktische Ärztin

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