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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Schwarz, Rudolf: Erneuerung des Kirchenbaus?
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0643

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einer völligen Trennung nahekommende Zwei-
teilung des Raums ersetzt wird durch eine orga-
nische und hierarchische Raumstufung, wenn der
Altarraum inmitten der Gemeinde liegt statt in
einem besondern, etwa durch einen Lettner ge-
schlossenen Anbau, der Chor innerhalb der
Gläubigen steht statt auf einer Empore, wenn die
innere Gestalt der Liturgie sich wandelt von den
Formen der Einsamkeit und der Ferne in die
Formen einer gütigen Nähe (womit diese andere
Form nicht entwertet werden soll, sondern nur
als nicht zeitgemäß dargetan wird). All das be-
deutet sicherlich keine Änderung der kultischen
Elemente, die sich als Elemente gar nicht än-
dern können, aber es bedeutet einen Wandel der
Erscheinungsformen dieser Elemente und damit
auch der Bauaufgabe.

Gemeinden werden sich immer im Ring ver-
sammeln. Der Kreis ist die Gestalt der geschlos-
sensten Innigkeit. So erwogen wir auch hier, wie
wir eine kreisrunde Anordnung finden könnten,
mußten das aber bald aufgeben. Ein Kreis muß
geschlossen sein und aus gleichwertigen Ele-
menten bestehen. Wenn man Menschen im Kreis
aufstellt, dann sehen sie alle in den Mittelpunkt,
es besteht ein Ausgleich der Spannungen in der
Peripherie und eineSteigerung nach demZentrum
zu. Man hätte also den gestuften liturgischen
Vorgang in diese Spannungen einfügen, die Ge-
meinde im Ring um den Altar als Mitte stellen
müssen. An dem Altar hätte dann der Geistliche
gestanden. Der aber hätte an einer Seite
stehen müssen. Außerdem hätte er als mensch-
liches Wesen, das senkrecht steht und nach
vorne schaut und schreitet, sich nur einer
Richtung zuwenden können. Damit wäre die zen-
trale Form an ihrem entscheidenden Punkt durch-
brochen gewesen. Wir schlössen daraus, daß
sie dem Wesen des Gottesdienstes nicht ent-
spricht und daß dieser auch in der innigsten Ge-
schlossenheit aus dem Ring hinausweist. Ich
habe dann die Form des offenen Rings,
wenn auch in Abkürzung, gewählt. Die Gemeinde
steht dabei in Hufeisenform, entsprechend drei
Seiten des quadratischen Raums. In das hof-
artige Innenstück kommt das ..Presbyterium",
das auf drei Seiten mit der Kommunionsstufe
abschließt und sich in drei Stufen erhebt. In die
vierte Seite kommt der Altar. Es entsteht also ein
Einraum, der sich nach dem Altar zu erhebt und
in offenen Ringen dorthin zusammenzieht. Das
Spannungssystem ist nach vorne offen, es
gleicht sich nicht ganz aus, sondern ergibt eine
Resultierende, die aus dem Raum hinweist. Das
Ganze ist eine höchst empfindliche Verbindung

Foto H. Schmölz, Köln

Blick vom Chor zur Empore

Vue du jut>6, prise du chceur

Looking from the chancel towards the gallery

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