Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0683
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Lotz, Wilhelm: Werkzeug und Gerät
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Zwei Haumesser aus Siam.
Unten: Hacke der Palaung,
Birma. Staatliches Museum
für Völkerkunde, München
Deux couteaux d'abbatage,
provenant du Siam. En bas:
pioche en usage chez les
Palaungs, Birmanie
Two chopping knives from Siam.
Below a hook used by the
Palaungs, from Birma
Großfabrikation in die Herstellung der Werk-
zeuge, in diesem Fall der Maschinen und Stan-
zen, hinübergerettet, wo man sie in feinster Aus-
prägung benötigt.
Bei der Maschine wird jene organische Kraft
des Menschen ersetzt durch eine in möglichst
vollkommen mechanische Gleichmäßigkeit um-
gesetzte Kraft. In diesem Sinne betrachtet, ist
die Maschine im Gegensatz zum Handwerkszsug
unindividuell wie auch ihre Erzeugnisse. Und in
diesem Sinn ist bestes Handwerkszeug indivi-
duell wie auch die Arbeit des Handwerkers. Indi-
viduell soll hier nicht heißen, eine absichtlich her-
vorgekehrte Eigenart, sondern eine feine, sorg-
fältig zurückgehaltene, aber doch noch spürbare
Einzelhaftigkeit. Die handwerkliche Formung
des Materials ist im Grunde eine Formung mit
den Kräften der Hand, aber durch das Werkzeug
werden diese Kräfte konzentriert, verstärkt, in
einen anderen Maßstab übersetzt oder sie erhal-
ten eine Führung. Schmarsow schildert in sei-
nen „Grundbegriffen der Kunstwissenschaft"
das Werkzeug als eine Verlängerung der Kör-
perfunktionen des Menschen, so daß das Werk-
zeug allein wie ein abgebrochenes Glied wirkt.
Diese Beobachtung ist sicher richtig. Aber geht
es uns denn nicht mit jedem Ding so, daß wir es
allein betrachtet als ein herausgerissenes Glied
empfinden müssen und daß wir es erst richtig
verstehen in seiner Umwelt und in seinem Dienst.
Die Betrachtung einer Maschine als schönes
interessantes Bild bleibt sicher außerhalb des
Foto: Curt Rehbein, Berlin
Hobel. Hersteller Fabricant Made by: Laupenheimer Werk-
zeugfabrik vorm. Jos. Steiner & Söhne, Laupenheim (WUrtt.)
Rabot
Plane
Verstehens ihres Wesens. Erst wenn wir ihre
Funktion nicht nur verstehen, sondern erfühlen
können, wenn wir sie als Glied des gesamten
Herstellungsganges empfinden, wird uns der
volle Eindruck. Das ist überhaupt der tiefste
Sinn moderner Gestaltungs- und moderner Be-
trachtungsweise, daß wir jedes Ding unserer
Umwelt und jedes Ding, das wir schaffen, sofort
als Bestandteil einer größeren Funktion sehen,
daß alles seine Auswirkung und seine Verbindung
zum nächsten hat. Wir bezeichnen das in der
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Unten: Hacke der Palaung,
Birma. Staatliches Museum
für Völkerkunde, München
Deux couteaux d'abbatage,
provenant du Siam. En bas:
pioche en usage chez les
Palaungs, Birmanie
Two chopping knives from Siam.
Below a hook used by the
Palaungs, from Birma
Großfabrikation in die Herstellung der Werk-
zeuge, in diesem Fall der Maschinen und Stan-
zen, hinübergerettet, wo man sie in feinster Aus-
prägung benötigt.
Bei der Maschine wird jene organische Kraft
des Menschen ersetzt durch eine in möglichst
vollkommen mechanische Gleichmäßigkeit um-
gesetzte Kraft. In diesem Sinne betrachtet, ist
die Maschine im Gegensatz zum Handwerkszsug
unindividuell wie auch ihre Erzeugnisse. Und in
diesem Sinn ist bestes Handwerkszeug indivi-
duell wie auch die Arbeit des Handwerkers. Indi-
viduell soll hier nicht heißen, eine absichtlich her-
vorgekehrte Eigenart, sondern eine feine, sorg-
fältig zurückgehaltene, aber doch noch spürbare
Einzelhaftigkeit. Die handwerkliche Formung
des Materials ist im Grunde eine Formung mit
den Kräften der Hand, aber durch das Werkzeug
werden diese Kräfte konzentriert, verstärkt, in
einen anderen Maßstab übersetzt oder sie erhal-
ten eine Führung. Schmarsow schildert in sei-
nen „Grundbegriffen der Kunstwissenschaft"
das Werkzeug als eine Verlängerung der Kör-
perfunktionen des Menschen, so daß das Werk-
zeug allein wie ein abgebrochenes Glied wirkt.
Diese Beobachtung ist sicher richtig. Aber geht
es uns denn nicht mit jedem Ding so, daß wir es
allein betrachtet als ein herausgerissenes Glied
empfinden müssen und daß wir es erst richtig
verstehen in seiner Umwelt und in seinem Dienst.
Die Betrachtung einer Maschine als schönes
interessantes Bild bleibt sicher außerhalb des
Foto: Curt Rehbein, Berlin
Hobel. Hersteller Fabricant Made by: Laupenheimer Werk-
zeugfabrik vorm. Jos. Steiner & Söhne, Laupenheim (WUrtt.)
Rabot
Plane
Verstehens ihres Wesens. Erst wenn wir ihre
Funktion nicht nur verstehen, sondern erfühlen
können, wenn wir sie als Glied des gesamten
Herstellungsganges empfinden, wird uns der
volle Eindruck. Das ist überhaupt der tiefste
Sinn moderner Gestaltungs- und moderner Be-
trachtungsweise, daß wir jedes Ding unserer
Umwelt und jedes Ding, das wir schaffen, sofort
als Bestandteil einer größeren Funktion sehen,
daß alles seine Auswirkung und seine Verbindung
zum nächsten hat. Wir bezeichnen das in der
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