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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Die Ziele des Deutschen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0709

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Handwerk sei im modernen Produktionsprozeß nicht
überflüssig, es sei neben und zwischen der Maschine
unentbehrlich, doch sei eine Umstellung notwendig.
Diese müsse vom Werkbund gefördert werden.

Alfred Gellhorn. Berlin, weist darauf hin,
daß die heutige Theorie schon vor zwanzig Jahren
geschrieben worden sei und daß sie auch heute für
sich allein noch nicht genüge. Er bejaht die neue
Richtung, wirft ihr aber vor. daß sie alles andere tot-
geschwiegen habe. Er verlangt, daß die Totalität
des Schaffens auch der bildenden Kunst anerkannt
werde und daß allem Lebensraum und -aufgaben
geschaffen werden.

Marcel Breuer. Berlin: Franks Ausfüh-
rungen treffen höchstens die äußerlichen Nachläu-
fer, aber nicht die ernsten Arbeiter der modernen
Bewegung. „Neue Sachlichkeit" ist eine irrtümliche
Bezeichnung, also ist die daran geknüpfte Kritik des
neuen Bauens falsch. Man soll die Augen für sämt-
liche Erscheinungen heutigen Lebens beobachtend
offen halten, jedoch in seiner Aktion soll man
zwischen Kommendem und Absterbendem wählen.

Georg Schmidt. Basel: Es hat unbedingt
etwas menschlich Peinliches, daß einerseits die
Hauptmasse der Mitglieder des Werkbunds Kunst-
gewerbe und Kunsthandwerker im alten individuali-
stischen Sinne sind, und daß andererseits die Leitung
eine Politik verfolgt, die mehr oder weniger konse-
quent auf das maschinelle Serienprodukt hinzielt.
Trotzdem kann es für den Werkbund, will er eine
ideell führende Bewegung bleiben, kein vermitteln-
des Zurück geben. Im Gegenteil, die heute ent-
scheidende Aufgabe ist es. gegen alle, auch die
„modernsten" Formalismen den Gedanken des rein
Gebrauchsmäßigen noch sehr viel konsequenter
durchzusetzen.

Peter Meyer, Zürich: Auf dem Gebiet der
Weltanschauungen werden sich die Mitglieder des
Werkbundes nie einigen, auch ist das weder nötig
noch wünschenswert. Darum sollte der Werkbund
möglichst wenig Weltanschauung als Vereinstrak-
tandum treiben, und auch nicht immer nur Aus-
stellungen veranstalten, die sich auf weltanschau-
lichen Programmen aufbauen, sondern ganz beschei-
dene praktische Mithilfe im Dienst der Qualitäts-
arbeit leisten, wo immer sich Gelegenheit dazu
bietet. Diese intensive Kleinarbeit wird den Werk-
bund, der sich in Theorie zu verflüchtigen droht,
wieder festigen, denn an bestimmten positiven Auf-
gaben können Mitglieder sehr verschiedener Welt-
anschauung zusammen arbeiten, diese praktische
Arbeit wird nach außen weniger glanzvoll aussehen,
aber sie wird der Allgemeinheit sehr viel mehr
nützen, und schließlich heißen wir ja W e r k bund.

Richard R i e m e r s c h m i d . Köln, betont:
Es erscheine ihm wichtig, daß der Werkbund mit
klarer Entschiedenheit danach strebt. Partei-
meinungen, die jede andere Uberzeugung als
minderwertig hinstellen wollen, zu verdrängen und
im Zusammenhang damit alle Fragen, mit denen er
sich befaßt, mit wirklicher Aufrichtigkeit zu
behandeln, nicht Sachlichkeit zu sagen, wo unsach-

lich verfahren worden ist. und nicht mit Reklame-
preisen, die irgendeine Fabrik zugestanden hat und
die einem Geschenk gleichkommen, die Billigkeit
einer Bauart zu beweisen. Der Werkbund müsse
wieder lernen, über dem Streben und Kämpfen der
Einzelnen und der Gruppen zu stehen und wirk-
lich die Führung zu behalten. Das werde ihm
nicht gelingen, wenn er sich nicht hüte davor, den
Wert der Beschränkung zu verkennen: er sei
kein politischer und kein Weltanschauungsbund: die
Gestaltung, das Reich des Sichtbaren ist sein Ge-
biet und soll es bleiben.

Justus Bier. Hannover, führt gegenüber
Frank aus, daß der neue Stil aus den Bedürfnissen
der ärmeren Klassen heraus wachse, und wünscht,
daß man den Problemen der Massenware erhöhte
Beachtung schenkt.

Gustav E. Pazaurek, Stuttgart, bedau-
ert, daß sich der Werkbund von den Absichten sei-
ner Gründer von 1907 so weit entfernt hat und daß
Stotz in seinen letzten „Werkbundgedanken" (Stutt-
garter Neues Tagblatt) sogar den grundlegenden
Zweckparagraphen beiseite zu schieben trachte.
Der Werkbund ist heute einer der vielen Architekten-
vereine geworden, der technische und Ingenieur-
fragen für wichtiger hält als die künstlerische Phan-
tasie, ohne welche es keine Kunstindustrie und kein
Kunsthandwerk gibt. Es wäre zu wünschen, daß man
sich Hand in Hand mit den führenden Kunstgewerbe-
museen wieder der eigentlichen Aufgaben des Werk-
bundes erinnere und jede Einseitigkeit vermeide.

Peter Bruckmann. Heilbronn: Die
Frage. Ornament oder nicht? kann vom D. W. B.
nicht entschieden werden.

Aus meinen Werkstätten verkaufen sich zur Zeit
Waren mit geprägten Ornamenten nicht. Eine ein-
fache Gestaltung, die das Material in seiner Dehn-
barkeit und in seinem Glanz zur Geltung bringt,
hat Erfolg. Ich habe aber in meiner Stuttgarter
Ausstellung Kultusgeräte gezeigt, wo ein Schmuck
Tradition ist und durch handwerkliche neuartige
Behandlung besonderen Reiz gewinnt. Ein Ornament
wird wiederkommen, wenn ein großer Künstler den
Anstoß dazu gibt. Aussichtslos sind krampfhafte
Versuche einer Wiederbelebung von Motiven, die
für uns tot sind.

G. F. Hartlaub. Mannheim: Solange noch
eine bürgerlich - kapitalistische Gesellschaftsord-
nung mit individuellem Ansprüchen besteht, wird
Nachfrage sein nach dem mehr oder weniger hand-
werklich gearbeiteten, durch die Handwerklichkeit
in seinem Werte gesteigerten Einzelstück. Das
Kunsthandwerk behält also auch heute und in ab-
sehbarer Zukunft seine Aufgaben. Trotzdem war
der Werkbund auf dem richtigen Wege, wenn er die
sachgemäße und formschöne Gestaltung der Serien-
und Massenware, wie sie die Maschine herzustellen
vermag, in den Vordergrund seiner Bemühungen
rückte. Erstens ist die Befriedigung der Massen-
bedürfnisse auch in künstlerischem Sinne heute das
dringlichere und zweitens ist die maschinelle Her-
stellungsweise und die „technoide" Form auch die
für unsere Epoche bezeichnendste, die gewisser-

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